So denken die Bundesliga-Trainer über den Österreicher-Topf
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So denken die Bundesliga-Trainer über den Österreicher-Topf

Während andere Ligen auf eine Obergrenze für Legionäre setzen, um den eigenen Nachwuchs zu fördern, geht Österreich andere Wege. Wie stehen die Trainer zum aktuellen System?

Über die nächsten Jahre werden sich nicht nur die Rahmenbedingungen der ADMIRAL Bundesliga ändern, sondern auch die Zusammensetzung der über 300 in ihr aktiven Spieler. Die Top drei der vergangenen Saison haben sich ihre Positionen großteils mit Legionären erkickt, aber auch weiter unten in der Tabelle gibt es Mannschaften, die sich lieber in anderen Märkten umsehen.

Wird die Bundesliga langfristig zu einer Legionärsliga? 90minuten hat für den Schwerpunkt zur Zukunft der Bundesliga bei den Trainern nachgefragt.

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Sturm Graz hat seinen Legionärsanteil in der Vorsaison um 17 Prozent erhöht

Nach aktuellem Stand der Dinge können sich Österreichs Bundesligisten mit dem Österreicher-Topf jährlich einen sechsstelligen Geldbetrag dazuverdienen. Dafür müssen sie nur eine Regel beachten: In jeden 18-Mann-Spieltagskader der Saison dürfen maximal sechs Legionäre nominiert werden. Die gespielten Minuten werden später zusammengerechnet und regeln, wer wie viel kassiert.

Was andere Länder mit fixen Grenzen gelöst haben, löst man hierzulande also mit einem positiveren Ansatz: Der Einsatz heimischer Kicker soll gefördert werden. Die ADMIRAL Bundesliga soll rot-weiß-roten Talenten eine Bühne bieten, den älteren obendrein einen sicheren Karriere-Hafen. 

Um dem Ausbildungscharakter Rechnung zu tragen, den eine Liga dieser Größenordnung einfach hat, kommt man der Jugend in zwei Aspekten entgegen: Absolvierte Minuten von U22-Spielern - 2024/25 sind das alle, die nach dem 1. Jänner 2003 geboren wurden - zählen vierfach. Ausländische Talente, die vor ihrem 18. Geburtstag nach Österreich gekommen sind und das U22-Kriterium erfüllen, zählen zumindest nicht als Legionäre.


Das vor 20 Jahren eingeführte System hat sich in der Bundesliga aber zunehmend zum Auslaufmodell entwickelt. 2023/24 haben nur mehr sieben Vereine am Österreicher-Topf teilgenommen: Rapid, Altach, Blau-Weiß Linz, Hartberg, Austria Wien, WAC und die WSG Tirol. Wie viel Geld sie in etwa bekommen haben, ist hier nachzulesen. Über die letzten zehn Jahre hat sich parallel dazu der Anteil von Österreicher-Minuten um 20 Prozent auf 55,4 Prozent verringert.

Das ist wichtig für den Verein, dementsprechend müssen wir immer darauf schauen.

Stephan Helm

Zu den Wackelkandidaten unter den noch teilnehmenden Klubs zählt die Wiener Austria. Vor der Rückkehr von Hakim Guenouche aus seiner Verletzungspause haben die "Veilchen" gegen Blau-Weiß Linz bereits sechs Legionäre eingesetzt, dürften sich im Saisonverlauf also kontinuierlich an der Grenze bewegen. Dass der Verein das Geld brauchen kann, weiß auch Trainer Stephan Helm: "Den (Anm. Österreicher-Topf) müssen wir im Auge haben. Das ist wichtig für den Verein, dementsprechend müssen wir immer darauf schauen."

Konkreter wird WSG-Coach Philipp Semlic: "Wir haben unsere Legionärs-Posten besetzt, haben aber auch entschieden, dass wir auch noch einen Siebenten holen könnten, weil es in der Vergangenheit bei der WSG auch schon so war. Aber klar schauen wir auf den Österreicher-Topf." Die Tiroler haben in der Endabrechnung Boden auf die anderen sechs Teilnehmer verloren, weil sie im Tor inzwischen auf den Legionär Adam Stejskal setzen. In der Vorsaison erhielt man mit kolportierten 596.000 Euro den kleinsten Anteil am Topf. Sechs ausländische Kicker zählen aktuell zum WSG-Stamm, mangels U22-Spielern wird sich an der Situation der Wattener vorerst auch nicht viel ändern. "Wir sind mit unserem Budget nicht so gesegnet. Für uns ist der Österreicher-Topf ein willkommener Bonus, den wir gerne in Anspruch nehmen und brauchen", so das Fazit von Semlic.

(Bericht wird unterhalb fortgesetzt)

Markus Schopp: "Glaube, dass sich auch Salzburg, Sturm und LASK Gedanken machen."

Als Sportdirektor und Trainer in Personalunion hat Markus Schopp die Kaderplanung des TSV Hartberg fest im Griff. "Du musst klarerweise im Vorfeld den österreichischen Markt sehr, sehr gut kennen. Da haben wir letztes Jahr einen richtig guten Job gemacht.", so das Fazit nach einer Saison, in der die Steirer nur den sechsthöchsten Betrag aus dem Topf erhalten haben. Dieses Jahr könnte es besser werden: Mit geliehenen Talenten wie Justin Omoregie, Elias Havel und Aaron Sky Schwarz wurde das U22-Kontingent vergrößert, was in der Endabrechnung für einen Sprung sorgen sollte.

Da lacht man vielleicht über den Österreicher-Topf. Die Herangehensweise eines jeden Vereins ist unterschiedlich.

Markus Schopp

Schopp bringt auch einen Hauptkritikpunkt am aktuellen System auf: "Ich glaube, dass sich auch Salzburg, Sturm und der LASK viele Gedanken darüber machen. Sie wissen aber auch, was es heißt, einen jungen ausländischen Spieler zu verpflichten, mit dem Potenzial, ihn um ein Vielfaches zu verkaufen. Da lacht man vielleicht über den Österreicher-Topf. Die Herangehensweise eines jeden Vereins ist unterschiedlich."

Immer mehr Vereine in Österreich erwirtschaften inzwischen Transfergewinne im siebenstelligen Bereich, eine Prämie von wenigen hunderttausend Euro kann im Vergleich zahnlos wirken. "Als Verein wie der TSV Hartberg ist der Österreicher-Topf einfach unverzichtbar", meint Schopp. Ob das in einigen Jahren auch noch der Fall ist, lässt sich aber kaum sagen.

"Kein Thema" für den LASK

"In meiner sportlichen Planung war das kein Thema", sagt Neo-LASK-Coach Thomas Darazs. Die schwarz-weißen Leistungsdaten nach zwei Bundesligarunden bilden das gut ab: 543 Minuten von 1980 möglichen Minuten wurden von Österreichern absolviert, ein Drittel davon fällt auf Keeper Laval. Damit liegen die Linzer auf Kurs 27 Prozent - es wäre ein weiterer Rückschritt gegenüber den 38,7 Prozent Österreicher-Minuten im Vorjahr und 55 Prozent in der Saison 2022/23.

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In der LASK-Kaderplanung spielt der Österreicher-Topf keine Rolle

Zwar ergänzt Darazs: "Wir haben aber in der Vorbereitung sehr, sehr viele junge Spieler eingesetzt. Ich bin durchaus gewillt, jungen Spielern die Chance zu geben. Ich würde mich freuen, wenn wir helfen können, dass junge Spieler den Schritt in die erste Liga machen." Der aktuelle Trend deutet aber nicht darauf hin, dass es sich dabei um ÖFB-Kicker handeln wird.

Klare Rollenverteilung?

Geht es nach Joachim Standfest, bleibt alles so, wie es derzeit ist. "Ich glaube, das ist schon ganz gut so. Die Top-Vereine haben natürlich andere Ziele und Ausgangslagen. Ich sehe es als Aufgaben von Vereinen wie uns, dass wir eine Plattform für junge österreichische Spieler sind. Das ist die Aufgabe von den Mannschaften von vier bis zwölf.", so der SCR Altach-Cheftrainer. 

Mit Gustavo Santos, Mike-Steven Bähre, Mohamed Ouédraogo und Sofian Bahloul haben die Vorarlberger erst vier Legionären in der ADMIRAL Bundesliga eingesetzt - Luft nach oben gibt es also noch. Mit Filip Milojevic stand bisher aber auch nur ein U22-Talent im Altach-Kader.

Es hat sich eingebürgert, dass viele ausländische Spieler billiger sind, als die Einheimischen.

Peter Pacult

Pacult: Finger in die Wunde legen

Auch wenn der SK Austria Klagenfurt mit dem Österreicher-Topf wieder wenig zu tun hat, spricht Trainer Peter Pacult offen: "Wenn man heute mit Spielerberatern redet, muss man den Finger schon in die Wunde legen und fragen, was der ein oder andere verdient. Da gibt es immer noch eine große Diskrepanz zu Ausländern. Es hat sich eingebürgert, dass viele ausländische Spieler billiger sind, als die Einheimischen", meint Pacult und ergänzt: "Es werden sicher einige Berater aufschreien, die sagen: 'Ich habe dir eh einen Spieler angeboten.' Es geht aber auch darum, was man braucht."

(Text wird unterhalb fortgesetzt)

Sieht Pacult Bedarf für neue Ansätze der Österreicher-Förderung? "Nein, der Österreicher-Topf bringt alles mit. Ich glaube, Rapid spielt immer noch mit nur sechs Ausländern. So war es auch zu meiner Zeit und ist absolut richtig. Es geht vor allem darum, welche sportlichen Ansprüche die Vereine haben."

Tatsächlich hat sein Ex-Klub, der SK Rapid, in den bisherigen zwei Ligaspielen einmal fünf und einmal sechs Legionäre eingesetzt. Spätestens wenn Thierry Gale und Ismaïl Seydi auf den Platz zurückkehren, stehen Markus Katzer und Robert Klauß also vor einer Entscheidung. Damit zählen auch die Hütteldorfer zu den Wackelkandidaten. Klagenfurt hatte in der Vorsaison mit 35,90 Prozent ÖFB-Minuten den drittkleinsten Anteil hinter Sturm und Salzburg.

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GAK als Gewinn für das System

Durch den Aufsteiger GAK gewinnt der Österreicher-Topf in der laufenden Saison theoretisch sogar einen Teilnehmer dazu. Trainer Gernot Messner bestätigt: "Ganz klar, wir brauchen den Österreicher-Topf!" Für Fragen zur Zukunft sei er aber der falsche Ansprechpartner, ob es in fünf Jahren auch noch so sein wird, könne er nicht sagen.

Könnte man das Modell mit mehr Geld attraktivieren? "Das ist für mich Glaskugellesen. Ich komme aus der 2. Liga, da war sowieso alles auf die Österreicher ausgerichtet", meint Messner.

Messner: "Für die unteren Vereine wichtig, für die oberen nicht"

Auch der GAK-Cheftrainer spricht etwas an, das eigentlich als Problem des Österreicher-Topfes gilt: "Wenn man das Budget der Vereine durchschaut, dann ist der Österreicher-Topf für die unteren Vereine wichtig, für die oberen nicht."

Aktuell stimmt das nur bedingt: Mit Rapid, Austria und dem WAC ist auch die ordentlich aufgestellte zweite Ebene hinter Sturm Graz und Red Bull Salzburg dabei. Auf das Geld angewiesen sind sie aber tatsächlich nicht unbedingt.

Der Mittelstand der Bundesliga wird dank guter Arbeit - beispielsweise auch in Hartberg - größer und finanzkräftiger. Wenn die genannten Vereine aus dem Topf fallen, bleibt ein Fördermodell über, das die Hälfte der Liga nicht mehr erreicht. Vom Ziel, den Österreicher-Anteil in der Bundesliga hochzuhalten, hat man sich inzwischen ohnehin bereits entfernt - man wird sich Gedanken machen müssen.

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