Sinnvoll oder Sonderbehandlung? So funktioniert der Fußball-Heeressport
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Sinnvoll oder Sonderbehandlung? So funktioniert der Fußball-Heeressport

Auch Profifußballer müssen früher oder später zum Bundesheer einrücken. Dank Heeressport läuft dort für sie aber vieles anders, als für ihre Kameraden. 90minuten erklärt, was es damit auf sich hat.

Bis zum 35. Geburtstag müssen all jene, die sich nicht zum Zivildienst gemeldet haben, zum Grundwehrdienst beim Bundesheer einrücken. Für sechs Monate wird getarnt, geschossen, geschliffen - je nach Zuteilung ist die Erfahrung mehr oder weniger angenehm.

Auch für Profifußballer gibt es daran kein Vorbeikommen, selbst Derbysieger Aleksandar Dragović musste am Montag einrücken. Der bald 34-Jährige hatte seinen Dienst bereits 2011 angetreten, aufgrund seines Wechsels zum FC Basel aber bald wieder unterbrochen. Zwei Monate sind deshalb noch offen.

Als "Zivi" ginge noch mehr wertvolle Zeit verloren, in puncto Untauglichkeit haben sie wenige Argumente auf ihrer Seite. Das Problem: Wenn der Einberufungsbefehl kommt, ist die Karriere oft schon voll im Gang und insgesamt sowieso kurz. 16 österreichische Teenager haben 2024/25 alleine in der Bundesliga gespielt, in der 2. Liga kommen viele weitere dazu. Sie müssen unter der Woche trainieren und am Wochenende in guter körperlicher Verfassung sein, zum Alltag beim Heer passt das nicht wirklich.

Darum gibt es den Heeressport: Die besten Talente des Landes sollen auf ihrem Weg, nicht eingeschränkt, sondern gefördert werden. 90minuten hat beim ÖFB nachgefragt, was es damit auf sich hat.

Alle Jahre wieder

Er gehört seit langem zur Wintervorbereitung dazu, Spieler sind über einige Wochen manchmal mehr, manchmal weniger verfügbar. Vor einigen Wochen war Thierno Ballo vom WAC beim Bundesheer, im 90minuten-Interview (>>> Hier nachlesen) fasste er die Erfahrung so zusammen: "Ich mache nicht, was die anderen machen. Ich gehe hin, stelle mich vor und fahre dann direkt zum Training. Mehr mache ich nicht."

Ich gehe hin, stelle mich vor und fahre dann direkt zum Training. Mehr mache ich nicht.

Thierno Ballo über seinen Alltag beim Heer

Rein formal absolvieren die Profis die einmonatige Grundausbildung, in der militärische Standards vermittelt werden sollen, bei einer normalen Einheit, zum Teil auch gemeinsam mit anderen Heeressportlern. Wie viel davon bei Freistellungen für Trainingslager und Spiele übrig bleibt, ist von Person zu Person unterschiedlich. Danach übersiedeln sie ins Heeressportzentrum, der Kontakt zum Heer bleibt ab diesem Zeitpunkt eher lose.

Wie bei Ballo müssen sich auch Austria-Fans keine Sorgen um eine Überbelastung ihres Abwehrchefs machen: Viel mehr als eine morgendliche Standeskontrolle steht auch bei Dragović nicht auf dem Dienstplan.

Es ist eine Art Sonderbehandlung, die aber durchaus ihren Sinn hat: Wie zum Beispiel auch die Polizei ist das Bundesheer ein wichtiger Baustein der Sportförderung in Österreich. Das gilt für Männer wie für Frauen: Biathlon-Weltmeisterin Lisa Hauser trägt ebenso wie Segel-Olympiasiegerin Lara Vadlau den Dienstgrad Zugsführer. Durch den Zugang zu Trainingsinfrastruktur und finanzieller Unterstützung wird gerade in weniger lukrativen Sportarten als Fußball vielen Talenten erst eine stabile Karriere ermöglicht.

Wer vergibt die Plätze?

Die Plätze im Heeressportzentrum sind verständlicherweise heiß begehrt, für die Vergabe ist das Bundesheer in Abstimmung mit dem ÖFB zuständig. Auf Anfrage von 90minuten bestätigt der ÖFB, dass derzeit zwölf Spieler ihren Grundwehrdienst absolvieren. Um wen es sich dabei handelt, wird nicht bekanntgegeben. Laut Medienberichten mussten neben Ballo auch der 2022 eingebürgerte Miloš Jovičić (GAK) und Austria-Youngster Luca Pazourek Anfang 2025 zum Heer. Im Vorjahr waren neben Leopold Querfeld und Jonas Auer vom SK RApid unter anderem auch Dijon Kameri (Salzburg), Manuel Polster, Muharem Huskovic und Moritz Wels (alle Austria) Teil des Heeressport-Programms.

Grundsätzlich sind pro Jahr acht bis zwölf Plätze zu vergeben, die genaue Anzahl hängt von verschiedenen Kriterien ab.

Wie der Verband erklärt, wird das zur Verfügung stehende Kontingent jedes Jahr voll ausgeschöpft, einige Kandidaten müssen abgelehnt werden. Diese Spieler haben die Option, es im Folgejahr noch einmal zu versuchen. Manche entscheiden sich aber auch für den "normalen" Weg, meint der ÖFB, und ergänzt: "In vielen Bundesländern haben Vereine und Akademien mittlerweile sehr gute Kontakte zu den jeweiligen Militärkommandos und deren Kompanien aufgebaut, mit denen sie eng zusammenarbeiten."

Peter Schöttel und der ÖFB entscheiden, wer zum Heeressport darf
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Peter Schöttel und der ÖFB entscheiden, wer zum Heeressport darf

Die Rolle des Peter Schöttel

Wie viele Dinge im ÖFB landet auch das Thema Heeressportler früher oder später auf dem Tisch von Sportdirektor Peter Schöttel. Der Verband beschreibt den Prozess so: Ende Mai jeden Jahres erhalten die Vereine der Bundesliga und 2. Liga eine Erinnerungs-E-Mail. Danach können sie intern eine Reihung ihrer Heeressport-Kandidaten vornehmen und an den ÖFB übermitteln. Nach Gesprächen mit den Teamchefs der Nachwuchs-Nationalteams erstellt Schöttel eine finale Liste. Im November wird dann erneut Kontakt mit den Vereinen aufgenommen, um die Eckdaten der Winter-Vorbereitung abzuklären, für die die Spieler freigestellt werden.

Festgeschriebene Kriterien für die Auswahl gibt es nicht. Der ÖFB erklärt: "Zum Zeitpunkt der Einberufung kennen die ÖFB-Verantwortlichen den Großteil der Spieler bereits einige Jahre, weil sie schon Bestandteil unserer Nachwuchs-Nationalteams waren. Sie können aus diesem Grund auch sehr gut eingeschätzt werden." Am Ende geht es darum, die Plätze an Spieler zu vergeben, in denen großes Potenzial gesehen wird.

Keine Lösung für Nationenwechsel

Über die letzten Jahre kam das Thema Heeressport immer wieder in Verbindung mit Kontroversen auf: Da wäre zum einen das Beispiel Marlon Mustapha, für den - auch dank Vermittlung des ÖFB - inzwischen eine Lösung gefunden wurde (>>> 90minuten hat berichtet). Zum anderen gibt es Fälle wie den von Adis Jasic.

Adis Jasic (rechts) im ÖFB-Trikot
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Adis Jasic (rechts) im ÖFB-Trikot

Das WAC-Defensivtalent war im Nachwuchs für österreichische Nachwuchs-Nationalteams aktiv und absolvierte seinen Grundwehrdienst als Heeressportler. Danach entschied sich der gebürtige Kärntner aber gegen den ÖFB und für eine Karriere in Bosniens Nationalteam. Bei Peter Schöttel sorgte das für Ärger, als Reaktion deutete er an, in Zukunft verhindern zu wollen, dass ein Platz von Spielern beansprucht wird, die später nicht für Österreich spielen wollen.

Von einer Lösung dieses Themas war seitdem nichts zu hören, daran wird sich laut ÖFB auch nichts ändern. Es sei juristisch nicht möglich, erklärt der Verband auf 90minuten-Anfrage: "Wenn ein Spieler einen Nationenwechsel nach den aktuell möglichen Kriterien vornehmen möchte, kann er davon nicht abgehalten werden."

Warum wir Alaba und Arnautović nicht in Uniform sehen werden

Einige Österreicher können dem Bundesheer überhaupt entgehen: David Alaba, Marko Arnautović und Philipp Lienhart zum Beispiel. Wer früh genug - vor oder knapp nach der Matura - ins Ausland wechselt und seinen Wohnsitz verlegt, wird nicht vom Bundesheer einberufen oder kann Aufschub beantragen. Kehrt man erst nach seinem 35. Geburtstag nach Österreich zurück, hat sich das Thema quasi von selbst erledigt.

Alaba musste überhaupt erst Anfang 2020 zur Stellung erscheinen und posierte lächelnd für Fotos, zu mehr wird es wohl nie kommen.


Sollten Austria Fans auf eine Rückkehr Alabas zu seinem Jugendverein hoffen - ähnlich wie bei Aleksandar Dragović - müssten sie wohl bis 2028 warten. Erst dann wäre der ÖFB-Kapitän endgültig "sicher".

Was hat das Bundesheer vom aktuellen System? Profifußballer, die in der Regel bereits gute Trainingsmöglichkeiten und einen gut dotierten Vertrag haben, bleiben selten über den Grundwehrdienst hinaus. Wenn auch weniger, als bei anderen Sportarten, gilt aber trotzdem: Neben einem Werbeeffekt bringt der Heeressport dem Militär einige freundliche und beliebte Aushängeschilder - unterm Strich ist es eine Win-Win-Situation.

VIDEO: Aleksandar Dragović - das verbindet Austria Wien mit Real Madrid


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