Romano Schmid ist momentan nicht aus dem ÖFB-Team wegzudenken.
Schon während der EURO wurde der kleingewachsene Steirer in jeder Partie eingesetzt, Glanzmomente im Duell mit den Niederlanden inklusive.
Und auch in Spiel eins nach der EURO stand Schmid wieder in der ÖFB-Startelf. Beim Nations-League-Auftakt in Slowenien wurde der 24-Jährige als rechter Flügelspieler aufgeboten und erwischte dabei von außen betrachtet nicht seinen besten Tag.
90minuten hat dennoch die Gelegenheit genutzt, anhand seines Auftritts in Slowenien zu beleuchten, warum Schmid momentan eine derart große Rolle in Ralf Rangnicks Planungen spielt und weshalb er beim österreichischen Ausgleichstreffer am Freitag eine nicht unwesentliche Rolle einnahm.
Nachzulesen ist das in der neuesten Ausgabe der 90minuten-Taktik-Analyse, die wir gemeinsam mit unserem Spielanalyse-Partner, dem Internationalen Fußball Institut (IFI), präsentieren:
Schon immer größere Stärken mit als gegen den Ball
Grundsätzlich gilt festzuhalten, dass Schmid unter Rangnick eigentlich gar nicht so gut funktionieren sollte. Das Pressing liegt ihm nicht wirklich im Blut.
Der filigrane Rechtsfuß lernte schon in seiner frühen Jugend, seine unterdurchschnittliche Körpergröße mit einer ausgesprochen guten Ballbehandlung auszugleichen. Was ihm an Physis fehlte, glich er durch seine starke Technik aus, weshalb er schon früh als Riesentalent der Sturm-Jugend hochgejubelt wurde. Nur wenige Monate nach seinem 17. Geburtstag gab er sein Bundeliga-Debüt für die "Blackies".
Seine ersten Berührungen mit dem Red-Bull-Fußball hatte er 2017, als er nach Salzburg übersiedelte, dort aber großteils für den FC Liefering zum Einsatz kam und damit nicht glücklich wurde. 2019 ging es für ihn zu Werder Bremen und daraufhin schnurstracks zurück nach Österreich, zum WAC, wo er mit Gerhard Struber kurzzeitig erneut unter den Fittichen eines "Red-Bull-Trainers" war.
Mittlerweile ist Schmid bekanntlich längst ein Schlüsselspieler in Bremen. Dort nimmt er die Rolle des Freigeists hinter den Spitzen ein. Anhand seiner Werte wird er von objektiven Analysetools als "spielstarker Halbraumspieler" oder "Box-to-Box Achter" eingeschätzt, am wenigsten trifft die Beschreibung "Balleroberer" auf ihn zu.
Ein klassischer Straßenkicker
Dass Schmid kein Pressingmonster ist, ist auch mit freiem Auge zu erkennen. Während seine Mittelfeldkollegen a la Konrad Laimer, Nicolas Seiwald oder Marcel Sabitzer bei jedem Ballverlust unmittelbar in den Pressingmodus schalten, fehlt ihm der Impuls, sofort in eine Balleroberungssituation kommen zu wollen.
Warum der Steirer dennoch einen solch hohen Stellenwert bei Rangnick hat? Weil er in Ballbesitz sehr wohl in dessen Philosophie passt.
Quasi seit seinem Antritt als Teamchef sucht Rangnick nach unberechenbaren Offensivspielern, die auf engem Raum Lösungen finden können. Nicht umsonst hat der Deutsche mit Matthias Seidl einen zu Schmid ähnlichen Spielertyp schon auf die ÖFB-Abrufliste gesetzt, als dieser noch in der 2. Liga kickte.
Wie Seidl ist Schmid einer der Fußballer vom Profil Straßenkicker. Für gegnerische Verteidiger ist Schmid enorm schwer ausrechenbar, da er zum einen den Speed und die Technik besitzt, um selbst durch die Linien zu brechen und sich in Abschlusspositionen zu befördern, gleichzeitig aber auch über so viel Spielintelligenz verfügt, seinen Mitspielern vielversprechende Situationen zu ermöglichen - indem er sie mit Pässen versorgt, oder, und nun kommen wir dazu, warum Schmid am Freitag sehr wohl eine wichtige Rolle einnahm, ihnen Räume freiläuft bzw. "freizieht".
Der "Phantom"-Assist gegen Slowenien
Exemplarisch dafür ist sein Bewegungsablauf vor dem 1:1 am Freitag. Aufgrund der oben besprochenen Qualitäten Schmids, ist es für seine Gegenspieler enorm schwer, sich auf ihn einzustellen.
Am Freitag wurde der Rechtsfuß am Papier am rechten Flügel aufgeboten, tatsächlich zog es ihn aber immer wieder in die Zentrale, in den sogenannten Halbraum; die Außenbahn gab er für den immer wieder aufrückenden Phillipp Mwene frei.
Der ihm zugeteilte slowenische Linksverteidiger Erik Janza hatte damit phasenweise zwei Spieler gleichzeitig zu verteidigen - und genau das wurde vom ÖFB-Team ausgenutzt:
Ein Pass des hochstehenden Stefan Posch auf Außen auf Mwene, Schmid läuft dem Ball entgegen und bindet dadurch Janza - und plötzlich geht der Weg zum Tor auf. Mwene schupft die Kugel auf den in diesen Raum sprintenten Laimer, und der vollendet zum 1:1.
Die Situation in der animierten Grafik - Schmid mit grünem Rand:
Fazit
Das Fazit dieser Taktik-Analyse kann nur lauten: Schmid passt nicht trotz seiner Red-Bull-untypischen Spielweise so gut ins rangnicksche System, sondern gerade deshalb.
Bei allem Respekt, mit nur Seiwalds und Laimers in einem Team ist kein Fußballspiel zu gewinnen. Man kann einen Gegner in den allermeisten Fällen nicht totlaufen, sondern man muss vor allem spielerische Wege finden, Tore zu erzielen.
Schmid mag vielleicht nicht der fleißigste Pressingspieler sein, dafür bringt er aber viele Qualitäten mit, die momentan nur wenige Kicker mit rot-weiß-roten Pass besitzen.
Aufgrund seiner Technik und seiner Fähigkeit, ballfern das Spiel zu deuten, ist es für seine direkten Gegenspieler schwer zu erahnen, wie sein nächster Zug aussieht. Von außen betrachtet mag Schmids Spiel dadurch oftmals weniger wirkungsvoll erscheinen, als es tatsächlich ist.
Einer hat Schmids Qualitäten in dieser Hinsicht aber längst erkannt: Ralf Rangnick. Vor dessen Teamchef-Ära hielt der Steirer bei null ÖFB-Einsätzen, mittlerweile sind es derer 15. Aus gutem Grund.