Der SCR Altach ist wie der eine Verwandte, der bei Familienfeiern immer da, gern gesehen, aber meist unauffällig ist.
Vor langer Zeit einmal, 2014/15, zeigte man als Aufsteiger mit einem dritten Platz positiv auf. 2021/22 war der Fall umgekehrt gelagert. Obwohl die Admira in 32 Runden mehr Punkte gesammelt hatte, hielt der Ländle-Klub die Klasse, der Punkteteilung sei's gedankt.
Der ganz große Wurf, also das Treppchen, die Meistergruppe oder eine Europacup-Hauptrundenteilnahme, ging sich noch nie aus. Dabei hat man viel ausprobiert, von Starspielern (Sidney Sam, Neven Subotić) bis zu bekannten Trainern (Ludovic Magnin, Miroslav Klose). Gefruchtet haben diese Versuche nicht.
Roland Kirchler, seit 1. Juni 2023 im Amt, sollte das ändern. Der erfahrene Ex-Kicker sollte mit Trainer Joachim Standfest die "SCRA-DNA" suchen und finden. Die Ernte ist aber noch nicht eingefahren.
Mangelnde Kontinuität
Als Elfter ist man von der Meistergruppe weit entfernt, die Fußballfans registrieren aber, dass noch kein Klub so lange in der Liga ist und nicht oben dabei war. "Niemand in Altach redet ernsthaft von den Top6", erklärt Kirchler in der Länderspielpause gegenüber 90minuten. "So blind sind wir nicht, dass wir uns erwarten, immer oben mit dabei zu sein. Wir überschätzen uns nicht."
Ich kann ja nicht fünf Spiele warten und dann keinen Trainer haben.
Aber warum schaffen es die anderen, allen voran Austria Klagenfurt? Die Kärntner würden unter Trainerfuchs Peter Pacult rund um einige Stützen stets im selben System den gleichen Fußball spielen. "Hinten dichtmachen, kompakt sein, umschalten", umreißt Kirchler den Kick. Davor hat er durchaus Respekt, seine Idee von Fußball ist das nicht.
Doch jüngst scheiterten die Vorarlberger unter ihm schon an der Kontinuität. Trainer Standfest sicherte zwar den Klassenerhalt, aber nicht mit dem gewünschten Kick. Bereits im April dieses Jahres einigte man sich eigentlich auf etwas anderes. Er sollte aggressiveren Fußball umsetzen.
Zu guter Stürmer
"Joachim wollte das umsetzen, schaffte es aber nicht", meint Kirchler, der aber insistiert: "Wir haben bei Standfest Standfestigkeit bewiesen, wenn ich das so sagen darf." Nach dem frühen Cup-Aus wurden der LASK und er WAC geschlagen, gegen die Austria später remisiert. Der Coach verfiel ins Reagieren, ließ das Team in seinem 5-4-1 auflaufen, Gustavo Santos an vorderster Front. Der traf in den ersten sechs Ligaspielen ebenso oft.
Ein Paradoxon: Kirchler gefiel der Kick gar nicht, aber mit einem Saisonstart, der so gut wie lange nicht war, konnte man den Trainer nicht vor die Tür setzen. Nach acht Spieltagen zog man die Reißleine. Diese Formulierung ist eigentlich übertrieben, wurde dem Ex-Coach doch stets signalisiert, dass sich der Klub mit Alternativen befasst. "Ich kann ja nicht fünf Spiele warten und dann keinen Trainer haben", stellt der Sportchef klar.
Mit Fabio Ingolitsch hat man sich eingehender beschäftigt. Dieser hat unter anderem unter Bo Svensson und Gerhard Struber als Co-Trainer gearbeitet, probierte sich dann als Chefcoach von Liefering, was nicht von dem erwarteten Erfolg gekrönt war. Also verließ er das Red-Bull-Universum im Sommer Richtung U21 von Zürich – um jetzt so halb wieder in dieses zurückzukehren.
"Fabis Fußball taugt mir"
Gezündet hat der Kick noch nicht, zumindest nicht im Endergebnis. Vier Spiele, drei Niederlagen, kein Sieg stehen zu Buche. Allerdings gibt es Etappensiege. Die zählen zwar im Fußball nichts, aber gegen Ligakrösus Salzburg führte man bis Minute 84 – und verlor mit 1:2 nur knapp. Auch gegen Klagenfurt lag man beim 2:2 zunächst in Front. Gegen den LASK stand es gar bis Minute 90 1:0, eher Maximilian Entrup doppelt traf.
"Fabi lässt 'meinen' Fußball spielen, mir taugt das Risiko, auch wenn der Schuss manchmal in die andere Richtung geht", zieht Kirchler Zwischenbilanz, "derzeit werden wir bestraft, ich schmeiß’ die Nerven nicht weg."
Wie dieser Kirchler-Kick in der Endausbaustufe aussehen soll, den Standfest nicht umzusetzen vermochte? Ingolitsch versteht sich auf Red-Bull-Fußball, soll diesen mit Abstrichen umsetzen, mit Viererkette, höherem Attackieren und mehr Mut, wenngleich auch mit Abstrichen. Nur Hurrafußball, das Spielgerät nach vorne schießen und pressen, das wird sich nicht ausgehen und das weiß der Sportchef auch. Das kann allerdings dauern.
Bei Klauß haben sich auch viele gefragt, warum sie einen so jungen Trainer holen.
Österreich macht's falsch
Bei Standfest habe der Verein Ausdauer bewiesen, die will er bei Ingolitsch an den Tag legen und diese wünscht er sich generell: "Altach hat es in den letzten Jahren oft so gemacht, dass man, wenn man weit hinten war, Trainer und Sportdirektor gewechselt hat. Das ist zwar überall auf der Welt so und meistens der falsche Zugang - in Österreich machen wir das leider sogar noch öfters."
So sehr das Fußballerische von Red Bull inspiriert sein soll, denkt er beim Projekt Ingolitsch eher an den eigentlich großen Gegenspieler der Bullen, den SK Rapid. "Bei Klauß haben sich auch viele gefragt, warum sie einen so jungen Trainer holen", führt er ins Treffen. Auch dort, ist er überzeugt, lief nicht sofort alles gleich am Schnürchen.
Im Sommer hat man sich dann gut verstärkt und wie Rapid gegenwärtig spiele, sei aus Sicht des Tirolers vielleicht sogar der aktuell beste Kick des Landes. Geduld, Aktivität am Transfermarkt, daraus resultierender Erfolg: "Das ist unser Vorbild."
Vertrauen haben
Im Winter etwas im Kader zu ändern, sei aber schwierig, weil eben weniger Verträge auslaufen. Dabei ist das Holen und Abgeben von Spielern generell nicht einfacher geworden. Nicolas Wimmer ging im Sommer wegen vermutlich ein paar mehr Euros zum WAC. Gustavo Santos wechselte hingegen gar nicht, weil das Angebot aus der 2. türkischen Liga nicht hoch, konkret oder besichert genug war.
Somit hofft Kirchler, dass die Mannschaft sich im Winter findet, auch wenn man eigentlich nach drei, dann vier, Transferfenstern mit ihm als Sportchef schon gut genug aufgestellt sein sollte.
Selbst wenn der neue Trainer anders spielen lässt: "Offensivspiel führt zu mehr Laufarbeit, das ist körperlich anstrengender. Ich denke aber trotzdem, dass wir im Winter einen großen Schritt machen werden."
Worum es also in den nächsten Monaten gehen wird? Mit Überzeugung die "Millimeter" zu finden, die gegen Salzburg oder den LASK gefehlt haben, die guten Phasen verlängern und vielleicht nichts mit dem Abstieg zu tun haben: "Wir sind ja nicht weit weg und verlieren immer 0:5. Zuletzt waren wir dreimal in Führung und haben es nicht drüber gebracht. Es fehlt nicht viel."
Da fällt der Name Hartberg, wo unter Markus Schopp nicht viel fehlte, damit es in die richtige Richtung läuft. Und der TSV ist bekanntlich gerade mitten drin im Kampf um die Meistergruppe.