Rekordspieler Maybach: Zu intelligent für eine Sternschnuppe?
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Rekordspieler Maybach: Zu intelligent für eine Sternschnuppe?

Philipp Maybach hat mit 16 Jahren für die Austria in der Bundesliga debütiert. Warum das so nicht absehbar war, was ihn auszeichnet und was Marc Janko mit ihm zu tun hat:

Manchmal geht es dann ganz schnell. Plötzlich bist du da, auf der großen Bühne. Und du funktionierst.

Sonntagabend in Hartberg, dritte Bundesliga-Runde, die Austria ist zu Gast, es steht 1:1. Abubakr Barry ist akut gelb-rot-gefährdet, noch ein Vergehen und Christopher Jäger schließt ihn aus.

FAK-Trainer Stephan Helm reagiert und bringt Philipp Maybach ins Spiel. Es ist ein historischer Moment in der violetten Klub-Geschichte, der Mittelfeldspieler ist der jüngste Austrianer in der Bundesliga-Historie. 16 Jahre, 8 Monate und 4 Tage. Aber zu den statistischen Details später.

Elf Ballkontakte, eine Torschussvorlage, sieben von neun Pässen kommen an. Maybach bringt eine ordentliche Leistung.

Steiler Aufstieg

"Er hat das sehr brav gemacht. Man muss sich in einen jungen Spieler reinversetzen, wenn du gegen einen guten Gegner vor tausenden Zuschauern reinkommst, ist das nicht so einfach", sagt Manuel Takacs, Leiter der Austria-Akademie.

Gerade einmal 46 Testspielminuten für die Profis, Ende Juni beim 0:0 gegen Dunajska Streda, hatte Maybach zum Zeitpunkt seiner Einwechslung in den Beinen. Am Montag wurde er von den Young Violets ins Training der Profis hochgezogen, sechs Tage später spielte er.

Es ist die vorläufige Krönung eines steilen Aufstiegs, der so vor gar nicht allzu langer Zeit nicht absehbar war.

Das klingt vielleicht blöd, weil er jetzt mit 16 Jahren schon in der Bundesliga gespielt hat, aber er war ein bisschen ein Spätentwickler.

U18-Teamchef Martin Scherb

"Er hat in der U15 und U16 nicht immer von Beginn an gespielt. Seine Lernkurve ist im letzten Jahr extrem nach oben gegangen", sagt Takacs.

U18-Teamchef Martin Scherb berichtet: "Er hat sich in den letzten Monaten körperlich super entwickelt. Das klingt vielleicht blöd, weil er jetzt mit 16 Jahren schon in der Bundesliga gespielt hat, aber er war ein bisschen ein Spätentwickler, hatte jetzt aber einen irrsinnigen körperlichen Schub."

Im Winter wurde der Teenager zu den Young Violets hochgezogen, und hat "in den Testspielen gleich richtig gut performt", wie Takacs erzählt. Anfang März, zwei Monate und 16 Tage nach seinem 16. Geburtstag, lief Maybach erstmals in der Regionalliga Ost auf.

Marc Janko als Berater

Wer dem Youngster in den bisherigen elf Spielen für die zweite Mannschaft regelmäßig auf die Beine geschaut hat, erkannte die gute Entwicklung, die der Sechser seither nahm. Maybach verbesserte sich von Spiel zu Spiel. "Er ist sehr lernwillig und lernfähig", sagt Takacs.

Die Austria machte schnell Nägel mit Köpfen, im Sommer unterschrieb das Talent einen Jungprofivertrag, will ihn ein Klub aus einer Top-5-Liga, ist eine siebenstellige Ablöse fällig. Auch Bundesliga-Konkurrenten müssten tief in die Tasche greifen.

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Austrias Akademieleiter Manuel Takacs

Ausgehandelt hat das Arbeitspapier Marc Janko. Der frühere Nationalspieler ist ein Freund der Familie Maybach und berät sie. Klassischen Manager hat der Mittelfeldspieler keinen. Vater Marian ist Anwalt und hat als Leichtathlet einige nationale Meisterschaften errungen.

Sein kleiner Bruder Jakob spielt in der U14 des SK Rapid, auch Adrian, der Dritte im Bunde, hat einst gekickt, inzwischen aber aufgehört.

"Sein Umfeld leistet richtig gute Arbeit. Das Elternhaus nimmt kaum Einfluss, das ist in einer Zeit, in der Eltern und Manager bei jungen Spielern ein immer größeres Thema werden, extrem wichtig", lobt Takacs.

Dass der Alarm bei etlichen Klubs blinkt, wenn ein junger Mann in Maybachs Alter erstmals in der Bundesliga aufläuft, ist klar.

Zur Einordnung: Nach Ende des 2. Weltkriegs war nur Erich Stojaspal, Bruder von Legende Ernst, bei einem Austria-Pflichtspiel jünger, und das war Mitte September 1945.

Die 15 jüngsten Austrianer in Pflichtspielen seit Bundesliga-Gründung

Name

Saison

Alter

Philipp Maybach

2024/25

16 Jahre, 8 Monate, 4 Tage

Jürgen Kauz

1991/92

16 Jahre, 11 Monate, 22 Tage

Ernst Nagl

1974/75

17 Jahre, 2 Monate, 10 Tage

Sascha Horvath

2013/14

17 Jahre, 2 Monate, 12 Tage

Gerald Glatzmayer

1985/86

17 Jahre, 3 Monate, 9 Tage

Andreas Schicker

2003/04

17 Jahre, 3 Monate, 13 Tage

Konstantin Aleksa

2024/25

17 Jahre, 3 Monate, 17 Tage

Sascha Pichler

2002/03

17 Jahre, 3 Monate, 23 Tage

Aleksandar Dragovic

2008/09

17 Jahre, 4 Monate, 7 Tage

Niels Hahn

2018/19

17 Jahre, 5 Monate, 18 Tage

Michael Wagner

1993/94

17 Jahre, 6 Monate, 22 Tage

Ziad El Sheiwi

2021/22

17 Jahre, 7 Monate, 5 Tage

Dietmar Wolf

1974/75

17 Jahre, 8 Monate, 13 Tage

Thomas Murg

2012/13

17 Jahre, 8 Monate, 14 Tage

Alexandar Borkovic

2016/17

17 Jahre, 8 Monate, 14 Tage

In der Geschichte der österreichischen Bundesliga standen vereinsübergreifend nur 17 jüngere Spieler am Rasen, darunter spätere Granden wie Andreas Ivanschitz, Veli Kavlak, Valentino Lazaro und Michael Gregoritsch. Aber auch längst vergessene Kicker wie Marco Hesina und Yalcin Demir, von denen später wenig bis nichts mehr zu hören war.

Es liegt nun an Maybach selbst, aber auch an der Austria, diesem ersten Schritt viele weitere, möglichst erfolgreiche folgen zu lassen. Dazu ist – viele hören es nur ungern – auch ein wenig Geduld gefragt.

Takacs mahnt: "Es gibt viele Fälle, wo das Umfeld nach dem ersten Einsatz bei den Profis gleich glaubt, der Junge muss beim nächsten Mal von Beginn weg spielen. Aber das spielt's so nicht! Es geht darum, die Talente heranzuführen und einen Plan mit ihnen zu haben, wie sie auf ihre Spielminuten kommen."

Die richtige Einordnung und Geduld sind gefragt

Der Verein müsse die individuelle Spielerentwicklung im Blick haben, die Abstimmung eng sein. Es sei für Maybach toll, bei den Profis auf der Bank zu sitzen und eingewechselt zu werden. Aber auch folgende Frage gelte es zu beantworten, sagt Takacs: "Wann braucht einer wieder 90 Minuten?" Talente-Coach Christoph Witamwas, Violets-Trainer Max Uhlig, Chefcoach Helm und noch viele mehr im violetten Staff sind gefordert.

Tatsache ist, die Young Violets werden weiter eine Spielwiese des Youngster bleiben. Nachwuchsteamchef Scherb sagt: "Er ist total geerdet, ist ganz klar im Kopf. Er kann das sicher gut einordnen, er wird ja nicht in zwei Wochen Stammspieler bei der Austria sein." Auch Takacs ist sich sicher: "Er wird nicht abheben."

Es kommt keiner rauf und alle sagen 'Wow!'. Es ist ein Irrglaube, dass ein Spieler fertig ist, wenn er zu den Profis kommt.

Akademieleiter Manuel Takacs

Maybach wird Fehler machen. Er wird sich nur entwickeln, wenn sie ihm erlaubt und verziehen werden. Takacs: "In den Duellen bringt er die notwendige Stabilität mit. Natürlich muss er sich da aber an die Qualität der Bundesliga adaptieren. Das ist völlig normal. Kein junger Spieler kommt rauf und spielt sofort wie ein alter Hase. Es wird Situationen geben, in denen er lernen muss."

"Wenn du einen jungen Spieler einbauen willst, braucht es Vertrauen. Es kommt keiner rauf und alle sagen 'Wow!'. Es ist ein Irrglaube, dass ein Spieler fertig ist, wenn er zu den Profis kommt", so der Akademieleiter der Veilchen.

Eine Frage der Intelligenz

Doch was macht das violette Talent so besonders? "Ihn zeichnet seine hohe Spielintelligenz aus, er kann ein Spiel lesen, hat zudem gute Skills im Passspiel und im Dribbling", sagt Scherb, der ihn bisher sechs Mal in den ÖFB-Nachwuchsauswahlen eingesetzt hat.

Takacs meint: "Er bringt eine richtig gute Mischung daraus mit, was du als Sechser in einer spielerischen Mannschaft mit dem Ball brauchst, und die notwendige Stabilität in den defensiven Duellen. Er weiß, wie er sich hinter einer gegnerischen Pressinglinie auf Lücke gut positionieren kann."

Vorrangig sei aber eine ganz bestimmte Qualität: "Er ist als Mensch sehr intelligent und dadurch auch extrem spielintelligent." Nachsatz von Takacs: "Ich habe die große Hoffnung, dass er auf Sicht eine tragende Rolle im Austria-Mittelfeld spielen kann."

Maybach gilt als guter Schüler, als offener, aber eher ruhiger Typ, kein Lautsprecher.

"Wenn ein Spieler zu den Profis kommt, hoffst du, dass sie sich auch abseits des Platzes so benehmen, wie du dir das vorstellst. Es geht ja auch darum, dass Spieler wie Aleks Dragovic gleich mal erkennen, dass der Junge normal im Kopf ist, nicht sofort den Star raushängen lässt. Bei ihm hatte ich da gar keine Bedenken", sagt Takacs.

Rangnick wurde überzeugt

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Teamchef Ralf Rangnick machte sich schon ein Bild von Maybach

Ende Juli konnte sich auch Ralf Rangnick von den Qualitäten des Kickers überzeugen. Maybach (Jahrgang 2007) wurde in den Perspektivspielerlehrgang der Jahrgänge 2005 bis 2008 nachnominiert. Um 22 Uhr bekam er Bescheid, am nächsten Tag stand er in Lindabrunn auf der Matte und überzeugte. Das Feedback des Teamchefs war positiv.

Der Sechser ist der zweite noch nicht volljährige Spieler, der in der noch jungen Bundesliga-Saison eingesetzt wurde. Der erste war eine Woche davor Konstantin Aleksa, auch er ist Austrianer und Österreicher.

Mehr als nur Sternschnuppen?

17 Jahre, 3 Monate und 17 Tage war der Offensivspieler alt, als ihn Helm im Heimspiel gegen den WAC eintauschte. Auch er feierte im Frühjahr unter dem nunmehrigen Chefcoach sein Debüt für die Young Violets.

Aleksa setzte bei seinem Kurzeinsatz mit einem atemberaubenden Sprint und einem schlauen, sauberen Querpass auf Fitz auch gleich ein Ausrufezeichen, bereitete in der Nachspielzeit das 3:1 vor.

Scherb will aktuell noch nicht in Jubelstürme ausbrechen: "Bewerten kann man es erst in zwei, drei Jahren, wenn es nachhaltig ist. Eine Sternschnuppe ist schnell mal da, die Frage ist, wie nachhaltig werden die Spieler in die Kampfmannschaft gebracht. Aber die Bereitschaft, auf junge Spieler zu setzen, ist auf jeden Fall mal da."

Wenn etwa Maybach "in zwei Jahren mit 18 Stammspieler ist, dann wäre das richtig cool", sagt Scherb.

Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Scherbs Rat: "Das Wichtigste sind ein entsprechendes Vertrauen und eine entsprechende Begleitung. Kurz hochhypen und dann wieder fallenlassen, haben wir ja auch schon miterlebt. Da muss man den Spieler bei der richtigen Einordnung unterstützen und ihm immer zeigen, dass man ihm vertraut. In den meisten Fällen kriegt man das dann mehr als retour."

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