"Ich würde nicht über eine Krise sprechen", sagte Salzburg-Trainer Pepijn Lijnders nach dem torlosen Remis am vergangenen Sonntag beim Wolfsberger AC. Was der Niederländer wohl nicht abstreiten kann: Die Salzburger durchleben im Moment zumindest eine schwierige Phase – vielleicht ist es sogar eine der schwierigsten und gleichzeitig langanhaltenden Phasen des Klubs seit der Übernahme durch Red Bull im Jahr 2005.
Selbst nachdem die Roten Bullen 2012 in der Qualifikation zur UEFA Champions League an Düdelingen gescheitert waren, gab es keine so krachenden Niederlagen wie zuletzt gegen AC Sparta Prag (0:3), Stade Brest (0:4) oder den SK Sturm Graz (0:5).
In der laufenden Saison schaffte der entthronte Serienmeister den Einzug in die "Königsklasse". Definitiv ein großer Erfolg, der zu Recht bejubelt wurde, die "Bullen" aber nicht nachhaltig beflügelte. Vielmehr wirkt es aktuell so, als hätte die CL-Qualifikation einen Schleier über die Kader-Baustellen gelegt.
Mozartstädter Abwehrsorgen
Eine weiterhin große Baustelle beim FC Red Bull Salzburg ist die Defensive. Bereits in den Quali-Spielen gegen den FC Twente Enschede und Dynamo Kiew wurde deutlich, dass die Salzburger Abwehr verwundbar ist.
Die "Bullen" gaben im vergangenen Sommer Strahinja Pavlovic sowie Oumar Solet ab und verloren damit auf einen Schlag eines der besten Innenverteidiger-Duos, das je in Salzburg gespielt hatte. Eine externe Verstärkung, die – wichtig – direkt helfen kann, kam aber nicht. Joane Gadou wurde für zehn Millionen Euro von Paris Saint-Germain geholt und nicht für die UEFA Champions League registriert. Der 17-Jährige ist ein Versprechen für die Zukunft.
Samson Baidoo und Kamil Piatkowski bildeten zuletzt in erster Linie die Salzburger Innenverteidigung. Dabei schwänzte Piatkowski in der Vergangenheit bereits (zumindest) ein Training beim FC Red Bull Salzburg. Im Sommer schien es, als hätte der Pole, der seit seinem Wechsel an die Salzach zweimal verliehen wurde, in Salzburg keine große Zukunft mehr.
Darauf hätte man auch aufgrund der Aussagen von Geschäftsführer Stephan Reiter schließen können. Vor dem Start der neuen Saison sagte er der "Kronen Zeitung": "Wir werden uns darum bemühen, Spieler bei uns zu haben, die restlos davon überzeugt sind, dass Salzburg der richtige Platz für sie ist, eine hundertprozentige Leistungsbereitschaft mitbringen und mit uns Titel gewinnen wollen. Wenn sich jemand nicht dazu bekennt, werden wir agieren müssen. Jedem sollte bewusst sein, dass es das Transfergeschäft nicht ankurbelt, wenn man nicht Meister wird."
Doch Piatkowski blieb in Salzburg und musste spielen – teilweise auch mit Problemen in den Beinen, da es keine Alternativen gab, wie Lijnders nach dem 0:5 in Graz offenbarte. Wenn ein Spieler in der Anfangsphase einer langen Saison nicht hundertprozentig fit ist und dennoch auflaufen muss, kann die Kaderplanung nicht mit einem "Sehr Gut" bewertet werden. Die Innenverteidiger Bryan Okoh, immerhin Teil der Salzburger Leadership Group, sowie Hendry Blank, der seit dem 0:5 in Graz nicht mehr eingesetzt wurde, spielen bislang keine tragenden Rollen.
Red Bull Salzburg wurden Flügel verliehen
Die Innenverteidiger-Position ist nur eine von vielen Baustellen, um die sich die Roten Bullen aktuell kümmern müssen. So soll selbst das Trainerteam momentan nicht perfekt miteinander harmonieren, aber bleiben wir bei der Kaderplanung.
Nach der 0:2-Pleite gegen Dinamo Zagreb wurde das von Lijnders implementierte 4-3-3-System infrage gestellt. ÖFB-Teamchef Ralf Rangnick warf in seiner Rolle als Experte bei Canal+ ein, dass Adam Daghim eigentlich ein gelernter Stürmer sei. Laut "transfermarkt"-Daten wurde der Däne in seiner Heimat jedoch mitunter auf den Flügeln eingesetzt.
Aber an dieser Stelle sollen nicht die Haupt- und Nebenposition einzelner Spieler besprochen werden. Vielmehr soll aufgezeigt werden, dass Lijnders bereits im Mai dieses Jahres als neuer Cheftrainer des FC Red Bull Salzburg präsentiert wurde. Der Niederländer kam mit dem 4-3-3, das er vom FC Liverpool kannte, und implementierte es fortan in Salzburg. Dabei war klar, dass die "Bullen" keine klassischen Flügelangreifer ausbilden.
Es wurde zwar gemunkelt, dass die "Bullen" durchaus bestrebt waren, einen routinierten Innenverteidiger zu verpflichten – am Ende kam aber keiner.
Dafür hätten die Salzburger den gesamten Sommer Zeit gehabt, (einen oder mehrere) Flügelspieler für die erste Mannschaft zu verpflichten. Am Ende wurde kurz vor dem Transferschluss Edmund Baidoo geholt. Der Ghanaer konnte nicht mehr für die Champions League registriert werden und braucht ohnehin Zeit, um sich in einem neuen Umfeld zurechtzufinden.
Möglicherweise hat auch hier die erfolgreiche CL-Qualifikation eine Rolle gespielt: "Die Mannschaft hat Spaß gemacht, wenn man ihr zugeschaut hat", sagte Sportdirektor Bernhard Seonbuchner nach dem 0:0 gegen den Wolfsberger AC bei "Sky" über die Salzburg-Auftritte vor dem Einbruch. Ja, zu Saisonbeginn wehte ein frischer Wind in Salzburg. Dadurch wurden kritische Stimmen aber womöglich zu leicht verweht.
Die letzten Absätze zeigen auf, dass es beim FC Red Bull Salzburg Versäumnisse gab, die nicht nur Cheftrainer Lijnders umzuhängen sind. Auch Sportchef Seonbuchner muss die letzten Wochen selbstkritisch analysieren. Am Ende ist er in der Öffentlichkeit der Letztverantwortliche für die getroffenen sportlichen Entscheidungen. Es wurde zwar gemunkelt, dass die "Bullen" durchaus bestrebt waren, einen routinierten Innenverteidiger zu verpflichten – am Ende kam aber keiner.
Ein neues Salzburger Gesicht
Es klingt im ersten Moment etwas irrational, aber Anspruch und Wirklichkeit sind in Salzburg gerade nahe beieinander. Die Erklärung: Die "Bullen" spielen keinen guten Fußball und dementsprechend klangen die Aussagen der Verantwortlichen nach dem torlosen Remis gegen den WAC.
"Ich glaube, dass der Kader stark genug ist, um in der Bundesliga vorne mitzuspielen", so Seonbuchner nach der Punkteteilung im Lavanttal. Der Meistertitel als Selbstanspruch? Das ist passé. "Ich habe heute eine Mannschaft gesehen, die versucht hat, das Spiel zu gewinnen", sagte Seonbuchner zudem. Alles andere wäre eher suboptimal.
"Heute haben wir nicht die Meisterschaft verspielt", hielt Lijnders fest. Früher hätten sich die Salzburger wohl mehr über in Überzahl verspielte Punkte geärgert. Der Niederländer hob zudem hervor, dass die Kärntner am Sonntag ihr System extra an die Salzburger angepasst hätten. Früher hätte jemand aus dem "Bullenstall" eingeworfen, dass der FC Red Bull Salzburg vor allem die eigenen Tugenden auf den Platz bringen will und die Spielweise des Gegners sekundär ist.
CL-Qualifikation kein Garant für Erfolge
"Ich sehe, dass wir, seitdem wir uns für die Champions League qualifiziert haben, ein Schatten unserer selbst sind", meinte Lijnders nach dem 0:5 gegen Sturm.
Seit dem Einzug in die "Königsklasse" gab es zehn Spiele, von denen Salzburg nur drei gewinnen konnte. Den "Bullen" ist bewusst, dass sie weit weg von Top-Leistungen sind. Sie dürften jedoch nicht wissen, welche Hebel in Bewegung zu setzen sind, um wieder zu Top-Leistungen zurückzufinden – sonst hätten sie das längst getan.
Klar, zwischenzeitlich fielen mit unter anderen Maurits Kjaergaard oder Mads Bidstrup wichtige Spieler aus. In den letzten Partien waren sie aber wieder zurück, die Formkurve ging dennoch eher weiter nach unten als nach oben. Zudem hielt Sturm beim Gipfeltreffen Anfang Oktober ohne die verletzten Gregory Wüthrich und Jon Gorenc Stankovic die Null.
Seonbuchner wies am Sonntag zum wiederholten Male darauf hin, dass sich die "Bullen" erfolgreich für die Champions League qualifizierten – also über Qualität verfügen müssen. Dieser Erfolg ist jedoch kein Garant für weitere Erfolge. Etwas anders gedacht: Die Salzburger verpassten in den vergangenen Jahren mehrfach die "Königsklasse", dieselbe Mannschaft wurde am Ende von vielen Spielzeiten dennoch – teils überlegen – Meister.
Wir wissen nicht, wie Salzburg wieder in die Spur finden will. Etwaige Maßnahmen, die nach der Klatsche in Graz beschlossen wurden, werden der Öffentlichkeit nicht verraten. Ob ein Trainerwechsel hilft? Zweifel sind angebracht. Das Team lieferte bereits unter Gerhard Struber und Interimscoach Onur Cinel wenig überzeugende Auftritte.
Vielleicht wäre es besser gewesen, hätten die "Bullen" die Champions League verpasst. Ein früher Saison-Rückschlag hätte womöglich die Sinne geschärft – bei Spielern, dem Trainer sowie dem Sportdirektor. Der Klub hätte womöglich schneller sowie effizienter in die richtige Spur, in die er schon seit Wochen nicht findet, gefunden. Millionenprämien gibt es auch in der Europa League.