Egal wie man zu Red Bull als Investor im Sport steht: Wenigstens weiß man, woran man ist. Bei neuen Mitgliedern des Firmenuniversums bleibt kein Stein auf dem anderen, so zu beobachten war das unter anderem in Salzburg und Leipzig.
Logo und Vereinsfarben, aber auch das Personal werden geändert, gleiches gilt für den Kontostand. Gerade erst hat man sich 100 Prozent der Anteil am japanischen Drittligisten Omiya Ardija gesichert. Schon im September dürfte auch dort ein ähnlicher Prozess zu beobachten sein.
Vor wenigen Wochen ist der Getränkekonzern jetzt aber anscheinend - zumindest vorerst - von seinem bisherigen Muster abgekehrt.
Einstieg bei Kultverein
Vor einigen Jahren hat Leeds United unter Startrainer Marcelo Bielsa in der Premier League für Furore gesorgt. Inzwischen spielt der Traditionsverein wieder in der zweitklassigen Championship, hat in der Vorsaison den Wiederaufstieg nur knapp verpasst. So bewegt wie die letzten Spielzeiten ist die Vereinsgeschichte insgesamt:
Legendär sind die Jahre unter Don Revie zwischen 1961 und 1974, in denen sich Leeds zu den besten Teams in England zählen durfte. Dreimal war der Verein Meister, zuletzt im Jahr 1992, der letzten Saison vor der Gründung der Premier League.
Das laufende Jahrtausend war bisher von finanziellen Problemen und zahlreichen Eigentümerwechseln geprägt. Noch 2010 steckte man in der dritten Liga fest, war mehrfach hoch verschuldet und phasenweise nicht im einmal mehr Eigentümer des eigenen Stadions Elland Road.
Seit Juli 2023 gehört Leeds United den 49ers Enterprises - eine Investmentgruppe, zu deren Portfolio auch die San Francisco 49ers in der NFL zählen. Weniger als ein Jahr später hat Red Bull im Mai eine Minderheitsbeteiligung erworben.
Das Ziel, Leeds United zurück in die Premier League zu bringen, passt sehr gut zu Red Bull.
In erster Linie tritt der Konzern als Sponsor auf, das Logo ist auf den Trikots zu sehen. Offiziell ist die Rede von einem mehrjährigen Deal, andere englische Vereine kassieren für solche Vereinbarungen jährlich einen zweistelligen Millionenbetrag.
Eine Klausel soll dafür sorgen, dass Leeds in der Premier League später höhere jährliche Summen kassiert als aktuell in der zweiten Liga. Wie groß der übernommene Anteil am Verein ist, wurde nicht bekannt gegeben - fest steht nur, dass Red Bull vorerst keinen Platz in Vereinsgremien übernehmen wird.
Trotzdem lässt RB-Geschäftsführer Oliver Mintzlaff durchklingen, was man sich von der Partnerschaft erwartet: "Das Ziel, Leeds United zurück in die Premier League zu bringen und sich in der besten Fußballliga der Welt zu etablieren, passt sehr gut zu Red Bull."
Klubchef Paraag Marathe sieht den Schritt als historischen Meilenstein, der Leeds dabei helfen soll, sein volles Wettbewerbspotenzial auszuschöpfen. Dass die Entwicklungen der letzten Monate bei Fans trotz aller Versprechen für Unbehagen sorgen, überrascht nicht.
Kontroverses Thema unter Fans
90minuten hat sich mit Adam Willerton, dem für Kommunikation zuständigen Sekretär des Leeds United Supporters' Trust, über die Reaktion der Fans ausgetauscht: "Ich würde sagen, dass sie sehr unterschiedlich waren. Es war klarerweise zu erwarten, dass Red Bull als Investor bei Leeds United ein umstrittenes Thema für viele Fans ist."
Die Sorgen richten sich dabei in die Zukunft: "Es geht vor allem darum, ob das Investment in Zukunft ausgeweitet wird und was die Auswirkungen davon sein können. Einige freuen sich aber auch über das dazugewonnene Kapital und hoffen, dass es dabei hilft, den Verein zurück in die Premier League zu bringen."
Wir als Supporters' Trust haben unsere Erwartungen und Grenzen sehr klar gemacht - vor allem mit Blick auf Identität und Tradition.
Vorerst keine Proteste geplant
An der Kommunikation des Vereins gibt es derzeit wenig auszusetzen: "Sie waren proaktiv - das zeigt aber auch, dass man sich der Kontroverse bewusst war." Der Supporters Trust hat dem Verein Fragen zugeschickt, die meisten davon wurden beantwortet.
"Zum Ausmaß des Investments und die Zukunftspläne werden keine offiziellen Aussagen gemacht, wir als Supporters' Trust haben unsere Erwartungen und Grenzen sehr klar dargelegt - vor allem mit Blick auf unsere Identität und Tradition", erklärt Willerton.
Proteste sind nicht geplant: "Der Verein hat erklärt, dass die Investition in Verbindung mit dem Trikot und Präsenz im Stadion steht, wir müssen ihn beim Wort nehmen. Sollten Fans das Gefühl bekommen, dass die Identität des Vereins auf dem Spiel steht, könnte sich die Situation aber ändern."
Das Problem mit der Farbe Rot
Einen ersten konkreten Aufreger hat man sich aber bereits geleistet: Das Red-Bull-Firmenlogo auf dem Heimtrikot ist wie oben zu sehen vor allem rot eingefärbt. Grundsätzlich sollte das niemanden überraschen, in Leeds sieht man diese Farbe aber äußerst ungern - das liegt an der Rivalität mit Manchester United.
"Es ist ein oberflächliches Problem und schon bei anderen Sponsoren vorgekommen. Viele Fans haben aber eine klare Meinung dazu, was mit der Identität des Klubs zu tun hat", meint Adam Willerton vom Supporters' Trust.
Zum Verkaufsschlager hat sich in den letzten Wochen hingegen das Auswärtstrikot entwickelt, hier hat sich Red Bull an das Design angepasst. Die Popularität lässt sich mit der Verwendung eines ikonischen alten Logos und der Farbe Gelb, die erstmals seit langem wieder zur Verwendung kommt, zurückführen.
Wir hoffen, dass Vereine in Zukunft besser geschützt werden. Red Bull hat schon gezeigt, dass sie bereit sind, solche Mechanismen zu umgehen, darauf sind wir vorbereitet.
Welche Handhabe hat der Supporters' Trust, um im Fall der Fälle die Identität des Vereins zu schützen? "Den ein oder anderen Schutzmechanismus gibt es schon, wir haben mit den zuständigen Behörden Kontakt aufgenommen. Wir hoffen aber auch darauf, dass noch mehr getan wird. Red Bull hat schon gezeigt, dass sie bereit sind, solche Mechanismen zu umgehen, darauf sind wir vorbereitet."
Willerton spielt unter anderem auf den "independent football regulator" an, den die britische Politik seit Monaten diskutiert. Die noch zu gründende Behörde soll die obersten fünf Ligen in England im Auge haben - so soll die finanzielle Nachhaltigkeit gesichert werden, um Vereine vor Pleiten zu bewahren. Außerdem sollen Klubeigentümer vermehrt darauf geprüft werden, ob sie die Interessen der Fans in ihrer Führung berücksichtigen.
Mit den 49ers Enterprises ist man aktuell zufrieden. Der Austausch ist gut, die Gruppierung hat mehrmals an Treffen mit Fans teilgenommen. "Aktuell sind alle positiv gestimmt, die allermeisten verstehen, dass die neuen Eigentümer eine schwierige Situation von ihren Vorgängern übernommen haben. Unsere Fans werden immer vorsichtig bleiben, aber der Klub weiß, dass wir bereit sind, mit ihm zusammenzuarbeiten, um Leeds United besser zu machen.", so die Position des Supporters' Trust.
Warum Leeds? "Größter Klub außerhalb der Premier League"
Laut englischen Medienberichten soll Red Bull schon vor neun Jahren ein Auge auf Leeds United geworfen haben. Warum der Klub in West Yorkshire so stark im Fokus des Konzerns ist, weiß man auch vor Ort nicht so genau. "Leeds United ist der größte Klub außerhalb der Premier League. Er hat viele Fans, einen gewissen Wiedererkennungswert, Tradition und zieht überall Aufmerksamkeit auf sich.
Vielleicht hat man einfach eine Gelegenheit ausgemacht, sich hier Einfluss zu sichern - bei anderen Vereinen dieser Größenordnung wäre das vielleicht nicht möglich gewesen", erklärt Graham Smyth, Journalist bei der Yorkshire Evening Post, gegenüber 90minuten.
Die angesprochene Gelegenheit ergibt sich, weil Leeds sich an das Finanz-Reglement der Liga halten muss, also Geld braucht. Vereinen werden Grenzen dafür gesetzt, wie viel Geld sie über einen Zeitraum von drei Jahren verlieren dürfen. Für Verstöße wurden in der vergangenen Saison Punktabzüge verhängt. Um solche Konsequenzen zu vermeiden, hat Leeds zuletzt Nachwuchstalent Archie Gray an Tottenham verkauft - der RB-Deal ist also Teil eines Puzzles.
Es ist ein bemerkenswerter Schritt einer Marke, die eigentlich für transformative Übernahmen bekannt ist.
Der Verein profitiert, Red Bull durch Markenpräsenz ebenso. Ob aus der Minderheitsbeteiligung in Zukunft mehr werden kann, ist noch offen. "Ich denke, sie haben einen Fuß in der Tür bei einem sehr bekannten Verein und dem englischen Fußball insgesamt. Es ist ein bemerkenswerter Schritt für eine Marke, die eigentlich für transformative Übernahmen bekannt ist", so Smyth.
Schon offiziell dementiert wurde die Vermutung, dass das österreichische Unternehmen eine Option auf volle Übernahme hält. 49ers Enterprises waren bis 2023 ebenfalls Minderheitseigentümer, ehe sie über eine solche Option auch die restlichen 56 Prozent am Verein übernehmen konnten.
Querverbindungen zu anderen Red-Bull-Sparten gibt es bereits: Wie man es von Leipzig- und Salzburg-Akteuren kennt, wurden Leeds-Kicker zu einem Formel 1 Grand Prix eingeladen. Ex-Spieler Stuart Dallas ließ sich zuletzt in einem Stuntflugzeug "Flügel verleihen".
Sportlich auf ähnlicher Wellenlänge
Ebenfalls zu klären ist, inwiefern Leeds United Teil des sportlichen Red-Bull-Netzwerks sein wird. Personelle Überschneidungen gab es in der jüngeren Vergangenheit schon öfter: Brenden Aaronson und Rasmus Kristensen wurden 2022 aus Salzburg eingekauft, dazu Tyler Adams aus Leipzig.
Ein Jahr später hat Maximilian Wöber in Leeds unterschrieben, neben Aaronson steht er auch aktuell noch beim Verein unter Vertrag. Ab Februar 2022 stand mit Jesse Marsch ein Ex-Salzburg-Coach für ein Jahr an der Seitenlinie der Elland Road.
Inzwischen tut das Daniel Farke, stilistische Parallelen zum Red-Bull-Fußball gibt es. Der Deutsche setzt auf intensiven Offensivfußball und hohes Pressing, vertraut außerdem gerne auf junge Spieler.
Es wird sich noch zeigen, ob der ein oder andere Salzburger in Zukunft den Weg nach England wählt. Vielleicht gibt es ja noch in der laufenden Transferphase erste Indizien dafür, wie sich die Partnerschaft entwickeln wird.