Über die kommenden Wochen basteln die österreichischen Bundesligaklubs an ihren Kadern für die Spielzeit 2024/25. Der Österreicher-Topf ist dabei ein Faktor, der bei manchen von ihnen mehr, bei anderen weniger oder überhaupt nicht wichtig ist.
Das grundsätzliche System dahinter ist bekannt: Bundesliga und ÖFB stellen einen Geldbetrag auf, der unter jenen Vereinen ausgeschüttet wird, die an jedem Spieltag der Bundesligasaison 12 Spieler in den Kader nominieren, die eine österreichische Staatsbürgerschaft besitzen. Ihre Spielminuten werden später zusammengerechnet und ergeben den Verteilungsschlüssel.
Im Sinne der Nachwuchsförderung zählen die Minuten junger Österreicher in der Endabrechnung vierfach, wenn sie noch für die U22 spielberechtigt sind. In der Saison 2023/24 waren es alle, die nach dem 1. Jänner 2002 geboren wurden.
Eine letzte Sonderregel gibt es noch: Auch ausländische Kicker, die vor ihrem 18. Geburtstag in Österreich registriert wurden und für die U22 spielberechtigt sind, zählen zu den erlaubten 12 - ihre Minuten fallen allerdings später aus der Wertung.
Kaum offizielle Zahlen
Soweit die Theorie, beim Erklären der Praxis gibt es einige Hindernisse. Zum einen ist die genaue Summe des Österreicher-Topfes geheim - weder die Klubs noch die Liga haben ein Interesse daran, das zu ändern, weil sonst Schlüsse auf die finanzielle Struktur der TV-Verträge möglich wären. Im Frühjahr 2023 brachte die 'APA' eine kolportierte Summe von 6,1 Millionen Euro ins Spiel, die der Vorstandsvorsitzende Christian Ebenbauer wenige Monate später gegenüber 90minuten weder bestätigen noch dementieren wollte. Eine signifikante Erhöhung der Dotierung ist bis zum Ende der TV-Rechte-Periode 2026 nicht vorgesehen.
Zum anderen sind jene Zahlen, die zur offiziellen Berechnung herangezogen werden, nicht direkt einsehbar. Bis zur Vorsaison wies die Bundesliga Spielminuten von Österreichern bzw. U22-Österreichern nach dem Ende des Bewerbs in einer eigenen Tabelle aus, dieses Angebot wurde heuer auf reine Prozentwerte zurückgefahren. Das macht ein Nachrechnen nicht unmöglich, aber komplizierter.
Klar ist: Wie im Vorjahr auch profitierten 2023/24 sieben Vereine vom Österreicher-Topf. Die Kriterien nicht erfüllt haben der SC Austria Lustenau, der LASK, Austria Klagenfurt, Sturm Graz und Red Bull Salzburg. Noch dabei sind damit der SK Rapid, Altach, Blau-Weiß Linz, der TSV Hartberg, Austria Wien, der WAC und die WSG Tirol. Sie alle erhalten durch den Verzicht der anderen einen größeren Teil der Summe.
Österreicher-Anteil in der Bundesliga sinkt weiter
An einer Entwicklung ändert der Österreicher-Topf aktuell allerdings nicht: Wie schon in den letzten Jahren nimmt der Anteil von Spielminuten in der Bundesliga, die von Ausländern absolviert werden, weiter zu. Nach 58,56 Prozent in der Saison 2022/23 ging es in der vergangenen Spielzeit runter auf 55,40 Prozent. Nur vier Vereine - Lustenau, Altach, die Wiener Austria und der WAC - verzeichneten einen gegensätzlichen Trend, bei Rapid und Blau-Weiß Linz blieb der Österreicher-Anteil in etwa gleich.
Verein | Ö-Minuten | Vergleich 22/23 |
---|---|---|
SK Rapid | 79,50 % | 0,50 % |
SCR Altach | 79,40 % | 6,40 % |
Blau-Weiß Linz | 78,40 % | 0,40 % |
TSV Hartberg | 68,50 % | 2,50 % |
Austria Wien | 66,20 % | 5,20 % |
WAC | 63,10 % | 1,10 % |
WSG Tirol | 60,29 % | 7,71 % |
Austria Lustenau | 48,40 % | 5,40 % |
LASK | 38,70 % | 16,30 % |
Austria Klagenfurt | 35,90 % | 16,10 % |
Sturm Graz | 28,90 % | 17,10 % |
Red Bull Salzburg | 17,30 % | 4,70 % |
Teilweise gibt es einfache Erklärungen für diese Entwicklung: Bei der WSG Tirol fand eine Ablöse im Tor statt, Adam Stejskal (Tschechischer Staatsbürger) hat von Ferdinand Oswald (Österreichischer Staatsbürger) übernommen. Als Stammkeeper stand Stejksal in jedem Spiel auf dem Platz und absolvierte mit 2.832 Minuten fast 10 Prozent der Gesamtspielzeit der WSG Tirol.
In vielen anderen Fällen ist es aber eine Frage der Strategie. Beim LASK wurden mit Felix Luckeneder, Peter Michorl und Thomas Goiginger mehrere Stammspieler aussortiert und teilweise durch Legionäre ersetzt. In Kombination mit den Verletzungen von Rene Renner und Robert Žulj ergibt sich daraus das zweitgrößte Minus der Bundesliga.
Wer bekommt wieviel?
Ausgehend von einem 6,1 Millionen Euro großen Topf verteilt sich die Summe also auf sieben Klubs. Eine genaue Berechnung ist mangels der exakten Zahlen nicht möglich. Die Minuten von U22-Österreichern zählen wie erwähnt vierfach, dadurch verschiebt sich einiges:
Obwohl der WAC den nur sechsthöchsten Anteil an Österreicherminuten vorzuweisen hatte, setzt er sich durch die meisten U22-Minuten - unter anderem dank Adis Jasic, Thierno Ballo, Nikolas Veratschnig und Ervin Omić - an die Spitze. Der SK Rapid verliert Platz 1, was vor allem daran liegt, dass Niklas Hedl inzwischen 23 Jahre jung ist. Immerhin zählen Moritz Oswald und Christoph Lang mit ihren Geburtstagen knapp nach dem Stichtag noch vierfach, das ändert sich 2023/24. Den kleinsten U22-Bonus erhält die WSG Tirol: Nur Luca Kronberger stand über 1.000 Minuten auf dem Platz.
Unsichere Zukunft
Beim SK Rapid hat Leopold Querfeld den Verein bereits verlassen. Sollte Nikolas Sattlberger es ihm gleichtun, bewegen sich die Hütteldorfer bei der Verteilung der Förderung womöglich im Bereich der WSG Tirol. Es muss sich erst zeigen, auf wie viel Einsatzzeit Louis Schaub, Benjamin Böckle und vor allem Jakob Schöller kommen.
Auch der WAC verdient seit Jahren gutes Geld mit dem Verkauf von Spielern - es ist eine Frage der Zeit, bis der nächste Verein auf den Österreicher-Topf verzichtet. Damit wäre die Bundesliga wohl gezwungen, über eine Reform nachzudenken.
Denn wie die Bundesligisten in Zukunft mit dem Österreicher-Topf bzw. Eigenbauspielern umgehen werden, ist offen. Es gibt eine Tendenz, ihn weniger zu beachten. Sieht man sich die Summen an, die am Transfermarkt mittlerweile zu lukrieren sind, eine kaufmännisch richtige Entscheidung. Was es für den rot-weiß-roten Nachwuchs bedeutet, wenn Klubs eher den nächsten Weissman, Yeboah oder Højlund suchen, steht auf einem anderen Blatt Papier.