Rudi Hiden - Die Tormannlegende, die zu Rodolphe wurde
Rudi Hiden war einer der größten österreichischen Tormänner aller Zeiten.
1927 gewann der WAC das Werben um das Goalie-Talent des GAK. Der Wechsel nach Wien war ein Kulturschock. Hiden stolperte mit einer steirischen Lederhose ins Wiener Ring-Café, um den WAC-Manager zu treffen, die Aufregung war nicht nur ob des unpassenden Aufzugs groß. Die Stammrunde echauffierte sich, ob es in Graz denn nicht üblich sei zu grüßen. Oh doch, entgegnete Hiden, „aber nur Leute, die man kennt“. Dumm nur, dass ihm die Fußball-Prominenz des Landes rund um Hugo Meisl gegenüberstand.
In Wien entwickelte sich Hiden aber nicht nur zu einem formidablen Tormann, der als Pionier der Auswürfe mit der Hand (an die 50 Meter weit!) und Elferkiller (er trat Jahre später sogar als solcher im Zirkus auf!) gilt, sondern auch zum „Praterlöwen“. Der stets auf formschöne Paraden bedachte Steirer war als „Beau“ bekannt, trug gerne Maßanzüge und erfand auch dem Feld in schwarzem Pulli mit weißem Kragen einen eigenen Stil, der viele Nachahmer fand.
Dass der Begriff „Steirertor“ auf einen seiner Fehlgriffe zurückgeht, bestritt Hiden selbst zwar immer, ist aber einigermaßen gut belegt. Jedenfalls sorgte Hiden als Schlussmann des Wunderteams für Furore und hätte bereits 1930 zum großen FC Arsenal wechseln sollen. Weil sich aber die englische Spielergewerkschaft querlegte, bekam Hiden nie eine Arbeitserlaubnis. Rund 40 Mal pendelte er vom belgischen Ostende auf die Insel, absolvierte Trainings und Freundschaftsspiele für die Londoner, aber eben nie ein Pflichtspiel.
1933 verdingte sich Hiden ein halbes Jahr lang in Uruguays Hauptstadt Montevideo, ehe er in Paris beim Racing Club aufschlug. Dort gewann er 1936 das Double und später zwei weitere Male den Cup-Bewerb. 16 gehaltene Elfmeter und sieben Rippenbrüche sind aus seiner Zeit im Tor der Pariser überliefert.
1937 nahm "Rodolphe" dann die französische Staatsbürgerschaft an. Obwohl Hiden stets mehrere Einsätze für das französische Nationalteam aufzählte, wird vom Verband nur eines anerkannt: das 3:2 gegen Portugal, in diesem Spiel standen mit Jordan und Hiltl zwei weitere gebürtige Österreicher im französischen Team.
Ungemütlich wurde es für Hiden nach Kriegsausbruch. Weil er als militärischer „Turnlehrer“ Soldaten mit nacktem Oberkörper turnen ließ, daraufhin einige krank wurden, musste er an die Front. Dort geriet er in deutsche Kriegsgefangenschaft und hatte Glück, dass nach bangem Warten aus Paris die Bestätigung eintraf, dass er schon vor dem Anschluss Österreichs an Deutschland die Staatsbürgerschaft gewechselt hatte.
Nach dem Kriegsende versuchte Hiden sein Glück als Trainer bei Besiktas, mehreren italienischen Vereinen (u.a. Palermo und Messina) sowie bei Racing Club Paris, zu dem er auch Ernst Happel lotste. Die Erfolge waren bescheiden.
Weil der gelernte Zuckerbäcker abseits des Platzes mit Bars und Hotels kein wirtschaftlich glückliches Händchen bewies, starb er verarmt nach einer Krebserkrankung, imzuge derer ihm ein Bein amputiert worden war, 1973 in Wien. Drei Jahre davor hatte er, um Invalidenrente in Anspruch nehmen zu können, wieder die österreichische Staatsbürgerschaft angenommen.
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Friedrich Donnenfeld - Der Widerständler, dessen Biographie richtig wild ist
Friedrich Donnenfeld (in anderen Quellen auch Donenfeld) ist hierzulande komplett in Vergessenheit geraten, dabei hat der Wiener eine der spektakulärsten Fußball-Karrieren hingelegt, die man sich nur vorstellen kann.
Als Jude und Spieler Hakoahs – er war der letzte Teamspieler in der Geschichte des Vereins –, übersiedelte er 1936 nach Tel Aviv, wo er mit Maccabi Meister wurde. Anschließend wechselte der universell einsetzbare Kicker gemeinsam mit seinem Freund Max Scheuer nach Frankreich zu Olympique Marseille, gewann 1938 auch den Coupe de France.
Scheuer wurde ermordet, als die Deutschen in Frankreich einfielen, Donnenfeld aber konnte nach Paris fliehen. Dort soll er unter falschem Namen eine Bar geführt haben und schloss sich der Résistance an, zudem arbeitete er im Untergrund als Nachrichtenoffizier für die britische Armee. Außerdem lief er für Red Star Paris auf.
Als der Krieg zu Ende war, entschloss sich Donnenfeld für ein Leben in Kolumbien. Seine Familie war schon viele Jahre zuvor, als Fritz erst 15 Jahre alt war, dorthin übersiedelt, der Teenager war bei seiner Tante geblieben. In Kolumbien trainierte „Federico“ zahlreiche Vereine und war bei der Copa America 1949 auch kolumbianischer Teamchef.
Anschließend ging es zurück nach Europa, genauer gesagt in die Niederlande. Donnenfeld war dort nicht nur Teamchef, sondern auch Trainer diverser Vereine, etwa von Fortuna Sittard, Twente und Zwolle. 1976 verstarb Donnenfeld in den Niederlanden.
Ernst Stojaspal - Der geniale "Blade", der nie heimkehrte
Rund ein halbes Jahr an der Ostfront war dem hoffnungsvollen Nachwuchskicker Ernst Stojaspal (rechts im Bild) 1944 genug. Er ließ sich von seinem Simmeringer Jugendfreund Karl Lauterbach den Arm brechen, indem ihm dieser schlichtweg mehrfach auf selbigen sprang. Weil diese Praxis in Simmeringer Fußballerkreisen immer gängiger wurde, um den Wehrdienst zu entgehen, flog Lauterbach auf und wurde kurzerhand hingerichtet, Stojaspal kam mit einer Haftstrafe, die er bis Kriegsende abbüßte, davon.
Nach Kriegsende widmete sich Stojaspal wieder dem Fußball. Der „Stoissi“ war nicht nur ein begnadeter Torjäger (258 Tore in 206 offiziellen Spielen für die Austria, fünf Mal Torschützenkönig), sondern insgesamt ein unglaublicher Fußballer. Mit dem linken Fuß konnte er alles, den rechten benutzte er eher nur, um nicht umzufallen, wie in zeitgenössischen Kritiken häufig zu lesen ist.
Vor der WM 1954 hatte der Superstar aber mit Gewichtsproblemen zu kämpfen. 1,72 Meter groß, 82 Kilo schwer. „Was soll der blade Stojaspal bei der WM?“ Im Trainingslager nahm der Wiener dann neun Kilo ab und spielte in weiterer Folge ein sensationelles Turnier.
Nach der Endrunde folgte Stojaspal dem Lockruf aus Frankreich, wo er zunächst drei Jahre bei Strasbourg, danach auch noch bei Bezier, Monaco, Troyes und Metz kickte. Auch in Frankreich traf er fast nach Belieben.
Frankreich blieb auch nach dem Karriereende seine Heimat, zunächst als Trainer – wobei er kurzfristig auch in Belgien und der Schweiz arbeitete –, danach jahrelang als Inhaber des „Café Viennois“ in Monaco. Im Fürstentum ließ er sich auch noch hin und wieder bei Legendenmatches bejubeln. Seine letzten Lebensjahre verbrachte der Wiener in Metz, der Heimat seiner Frau Yvonne.
Anton Marek - Der Mann, dessen Namen die Lens-Fantribüne trägt
Am 12. Mai 1935 wurde Anton Marek in Lens zur Legende. Das Team lag gegen Saint-Etienne mit 0:3 zurück, weil Spielerwechsel noch nicht erlaubt waren und sich zwei Lens-Kicker verletzt hatten, war die Truppe auch noch mit zwei Mann in Unterzahl. Verteidiger Marek flehte seinen Trainer an, als Stürmer spielen zu dürfen, sein Wunsch wurde erfüllt und Marek rettete mit einem Hattrick nach der Pause noch das Unentschieden.
Diese Geschichte kennt in Lens jedes Kind, ebenso den Namen Tony Marek. Denn die Fantribüne des Felix-Bollaert-Stadions ist nach ihm benannt. Ursprünglich war der Wiener 1933 von Wacker zu Club Francais nach Paris gewechselt, seine Heimat fand er aber – vom Krieg unterbrochen – in Lens, wo er später mehrmals auch als Trainer auf der Bank saß.
Marek heiratete noch als Aktiver eine Französin und nahm kurz darauf auch die französische Staatsbürgerschaft an, er diente während des 2. Weltkriegs auch in der französischen Armee. Am Ende seiner Trainerkarriere arbeitete Marek in Monaco, ehe er mit nur 49 Jahren verstarb.
Karl Decker - Der Spätberufene, der zum Cherie der Französinnen wurde
1945 brach für Karl Decker eine Welt zusammen. Beim Bankett dem ersten Länderspiel Österreichs in Wien nach Kriegsende hatte ihm ein französischer Offizier angebote, in Frankreich für Racing Club Paris zu spielen. Doch der damalige ÖFB-Präsident Josef Gerö lehnte ab, Wechsel ins Ausland seien erst mit 30 Jahren erlaubt, Vienna-Kicker Decker war aber erst 24.
Neun Jahre später klappte es dann doch mit dem Wechsel nach Frankreich. Decker hatte seine Spielerkarriere eigentlich schon beendet, war ein Jahr davor bei Sturm Graz vom Spielertrainer zum Trainer geworden.
Doch bei der WM 1954, wo er als Co-Kommentator seine Expertisen zum Besten gab, offerierte ihm ein Manager die Möglichkeit, in Montbéllard zu kicken. Decker sagte sofort zu, die Cote d’Azur war doch zu verlockend. Dumm nur, dass er das elsässische Montbéllard mit der Südküstenstadt Montpellier verwechselt hatte.
Doch auch in Sochaux gefiel es Dem damals schon 33-Jährigen bestens. Er blühte als Kicker unverhofft noch einmal auf, ich jeglicher Hinsicht. „Ich war nicht nur der Liebling der fußballbegeisterten Männer, ich war genauso der Cherie der Damen“, erinnert er sich in seiner Autobiografie.
1957 verließ er Frankreich dann aber wieder, um noch ein Jahr in der Schweiz als Spielertrainer tätig zu sein. Decker blieb dem Fußball treu, war von 1958 bis 1964 ÖFB-Teamchef, sein „neues Wunderteam“ galt als eines der besten der Welt, konnte es aber bei der WM 1962 nicht beweisen, weil der ÖFB aus finanziellen Gründen auf die Teilnahme in Chile verzichtete.
August Jordan - Der Linzer, der 16 Mal für Frankreich spielte
Die ersten 24 Jahre seines Lebens verbrachte Jordan in Österreich – lange Zeit in Linz, wo er mit dem LASK große Erfolge feierte, danach in der Hauptstadt, wo er für den FAC kickte. Gestorben ist der Gustl 1990 als Auguste Jordan und praktisch waschechter Franzose.
1933 heuerte der Offensivspieler bei Racing Paris an, feierte mit dem Traditionsverein vier Siege im Coupe de France. Fünf Jahre nach seiner Ankunft in Paris wurde Jordan französischer Staatsbürger. In weiterer Folge lief er 16 Mal für das französische Nationalteam auf, unter anderem gegen Belgien und Italien bei der WM 1938. Sein letztes Länderspiel bestritt er 1945 ausgerechnet im Wiener Prater gegen Österreich.
Davor diente er in der französischen Armee und geriet im Elsass auch in deutsche Kriegsgefangenschaft. Nach Ende seiner aktiven Karriere verdingte sich Jordan als Trainer, coachte nicht nur seinen Ex-Klub Racing, sondern auch Red Star, Marseille und Caen. Erfolgreicher war er als Coach im Ausland, mit Saarbrücken erreichte er 1952 das Endspiel um die deutsche Meisterschaft, mit Standard Lüttich wurde er belgischer Meister.
Heinrich Hiltl - Der Goalgetter, der zum Nachwuchsförderer wurde
Wer in der kleinen Gemeinde Cocheren an der Grenze zum Saarland vorbeikommt, wird sich wundern. Der Fußballplatz des ansässigen Vereins heißt nämlich „Terrain Henri Hiltl“.
Das hätte 1933 wohl niemand für möglich gehalten, als der Wiener Heinrich Hiltl vom WAC nach Roubaix wechselte. Ihm wurde schon rasch Heimweh nachgesagt. Doch Hiltl, der 1931 unter Hugo Meisl sein einziges Länderspiel für Österreich absolviert hat, blieb in Frankreich, wo er auch eine Saison lang mit dem legendären Catenaccio-Erfinder Helenio Herrera in einem Team kickte.
1940 gewann er mit Racing Paris – gemeinsam mit Rudi Hiden und Gustl Jordan – den Coupe de France, 1947 wurde er im stolzen Alter von 36 Jahren mit Roubaix Meister. Zu diesem Zeitpunkt war er längst Franzose, 1938 nahm er die Staatsbürgerschaft an, bestritt auch zwei Länderspiele für die Equipe Tricolore. Als Hiltl 1948 seine Karriere beendete, hatte er über 130 Tore in Frankreichs höchster Spielklasse bejubelt und genoss Kultstatus.
Seine anschließende Trainerkarriere führte ihn auch nach Belgien, war aber nicht sonderlich erfolgreich. Allerdings baute Hiltl in Nordfrankreich bei Merlebach eine der ersten Fußballschulen Frankreichs auf. In Roubaix führte er zudem lange ein Café mit dem Namen „Le Penalty“.