Jetzt klopft ein grün-weißer Verein aus dem Osten des Landes an die Tür zum überregionalen Fußball. Es ist der Mattersburger Sportverein, Nachfolger der vor knapp fünf Jahren zu Grabe getragenen Sportvereinigung Mattersburg.
Die Neugründung kickt nun mittlerweile schon wieder in der vierten Liga und könnte bereits 2025/26 Regionalliga spielen. Offen ist aktuell, wie das geschehen soll, überschlugen sich doch zuletzt die Ereignisse. 90minuten hat recherchiert.
Es wäre das nächste Märchen an einer an Wunderlichkeiten kaum armen Vereinsgeschichte. Bereits 1922 gegründet, fristete der Klub lange Jahre ein eher gemächliches Dasein. 1963 spielte man erstmals zweitklassig, wäre 1964/65 beinahe in die höchste Liga aufgestiegen. Den vermasselt just Lokalrivale ASV Siegendorf, am vorletzten Spieltag. Simmering stieg auf.
Es ging mit der Zeit zurück ins Fußballunterhaus. Ein fragwürdiges Highlight: 1968 steckten Rohrbacher die Sitzbänke im Pappelstadion in Brand. In dem Eck zwischen Wien und Sopron sind die Rivalitäten groß. Aber der Rest ist heimische Fußballgeschichte: Martin Pucher führte den Klub bis auf den dritten Rang der Bundesliga - wie man später erfuhr, mit erfundenem Geld. Diese Blase platzte im Sommer 2020.
Konkurs und Neuanfang
Das burgenländische Flaggschiff hatte nicht nur Schiffbruch erlitten, es hat den Verein regelrecht zerrissen. Am 15. Juli untersagte die Finanzmarktaufsicht dem Hauptsponsor, Puchers Commerzialbank, mit sofortiger Wirkung den Geschäftsbetrieb. Das Land übernahm die Akademie, alle Rettungsversuche, den Tabellenzehnten der Bundesliga am Leben zu erhalten, waren gescheitert.
Ich wurde angerufen, ob ich helfen kann. Eine Stunde später war ich im Stadion, um den 150 Kindern aus dem Nachwuchs eine Zukunft zu ermöglichen.
Am 5. August gingen die Lichter über dem Pappelstadion endgültig aus – vorerst. Bereits am selben Abend, so Manfred Strodl, wurde er angerufen, ob "ich helfen kann. Eine Stunde später war ich im Stadion, um den 150 Kindern aus dem Nachwuchs eine Zukunft zu ermöglichen", wie er heute gegenüber 90minuten zurückblickt.
Der 71-Jährige ist ein Ur-Mattersburger. 2005 gründete er, damals 52 Jahre alt, die MS Bau. Das Unternehmen hatte er an die deutsche Geiger-Gruppe verkauft und betreibt die HMCA Immo GmbH. Der Fußballklub ist nicht die einzige Firma, die er rettete. Die infolge des Commerzialbank-Skandals insolvente Baufirma Zimmermann führte er mit Landeshilfe ebenfalls weiter – knapp 100 Mitarbeiter der zu diesem Zwecke neu gegründeten DFT Dach- und Fassadentechnik GmbH danken es ihm, genauso wie der Mattersburger Sportverein 2020.
Große Pläne
Strodl war selbst Fußballer, mit 14 Landesschülermeister. Er beendete seine Karriere mit 22 Jahren und wurde eben erfolgreicher Unternehmer. Im VIP-Bereich des Pappelstadions ging er ein und aus: "Ich bin hier geboren und verwurzelt, war bei jedem Spiel", erklärt er sein Engagement.
Die Kinder konnten weiter kicken, 2021 nahm der MSV schließlich den Kampfmannschaftsbetrieb auf. Drei Jahre dauerte es, bis man von der untersten Klasse nun im Titelkampf in der burgenländischen Landesliga angekommen war.

Und schon denkt man weiter. "Wir sind Zweiter hinter Spitzenreiter Parndorf – und das, obwohl sich im Herbst drei Spitzenspieler schwer verletzt haben", freut er sich, auch wenn der Rückstand sechs Zähler beträgt. "Vor einigen Wochen haben wir dann bei einer Klausur einen Fünfjahresplan vorgestellt. Der MSV soll 2030 wieder 2. Liga spielen."
Kein Pucher 2.0
"Manfred-Strodl-Verein", nannte man den MSV schon, lachte er vor gut einer Woche noch beim Gespräch. Allerdings ist es nicht das Ziel, ein Pucher 2.0 zu werden. Der Verein sei breit aufgestellt, er stieß mit seinen Ideen "Dinge an. Dann muss man schauen, ob beziehungsweise wer mit dabei ist. Geld drucken wie früher, das kann ich nicht."
Dank der Vielzahl treuer Sponsoren war es möglich, ein Budget von knapp 450.000 Euro auf die Beine zu stellen. Damit finanziert man 25 Trainer. Strodl zeigte sich auch stolz, dass man die 15 Mannschaften ohne Nachwuchs-Spielgemeinschaften schafft, wie es bei vielen anderen der Fall ist. Der Klub muss von dem Geld auch die Stadionmiete berappen.
Seit 2021 gehört das Pappelstadion der Stadt. Steigt man auf, rechnet der Verein mit einem Budget von 700.000 Euro in der Ostliga: "Auf Dauer ist das aber auch mit den zehn bis 15 Topsponsoren, die wir in der Ostliga anpeilen, nicht zu finanzieren." In der 2. Liga brauche man wohl aktuell das Doppelte.
Er wollte ohnehin auf Kicker aus der Region, mit Verbundenheit zum Verein setzen. "Vor 150 Menschen für Stripfing in Wien spielen, das will doch kein Spieler", rutscht ihm raus, "Wir wollen aber keine alten Spieler kaufen, sondern unsere einsetzen", so der Obmann. Auch keine Legionäre - nicht einmal aus dem nur einen Steinwurf entfernten Ungarn, weil "unsere Spieler bringen ja auch die Zuschauer."
Plötzlich alles anders
Doch nun ist alles anders. Am vergangenen Montag warf Strodl hin. Noch am vergangenen Samstag nach dem Spiel gegen Bad Sauerbrunn hat er versichert, er bleibt. Laut 90minuten-Informationen wurde im Hintergrund an Größerem geplant. Das Wort "Putsch" fiel auf jeden Fall öffentlich. Das Lokalblatt 'BVZ' munkelte, dass Strodl sich mit dem Vorstand überworfen hatte, weil er an einem anderen Trainerteam gearbeitet hat.
Es wird eine Generalversammlung geben, wo dann neu gewählt wird. Ich werde als Obmann fungieren.
Der nun-Ex-Obmann wollte die Geschehnisse offiziell nicht kommentieren. Im Burgenland gibt es Vorwürfe von der einen und von der anderen Seite. Was auch immer wahr, ist oder als solches angesehen wird: Am Ende gab es eine Art Machtkampf, mit besserem Ende für Obmannstellvertreter Mauro Abdihodzic.
90minuten hat versucht, ihn zu kontaktieren, zu Redaktionsschluss gab es aber keine Antwort. Somit bleibt nur dieses Statement aus der 'BVZ' übrig: "Es wird eine Generalversammlung geben, wo dann neu gewählt wird. Ich werde als Obmann fungieren. Für einen neuen Vorstand haben wir schon ein 15-köpfiges Team zusammen, darunter auch Ex-Profis und Legenden des SVM wie Nedeljko Malic und Michael Mörz und auch engagierte Mattersburger mit Bezug zum Verein."
Auch Malic war übrigens noch vor den Turbulenzen kontaktiert worden - ohne sich je zurückzumelden.
Wie geht es weiter?
"Mattersburg ist eine Fußballstadt, die über die Grenzen des Burgenlandes hinaus bekannt ist. Hier ist jedes Spiel ein Volksfest", wäre der Schlusssatz gewesen, wäre es dabei geblieben, dass Strodl die Fäden zieht.
Was dieser in den letzten Jahren aufgebaut hatte, wirkte nach etwas mit Hand und Fuß - vielleicht auch ein wenig spleenig, so nah an der Grenze nur auf Kicker mit rot-weiß-rotem Pass zu setzen, aber was soll's.
Bleibt zu hoffen, dass der neue Vorstand zumindest wirtschaftlich eher auf Strodls Seite ist.