Lars Kornetka ist das, was man in der Welt von Red Bull einen Überzeugungstäter nennt.
2007 hat der Deutsche als Videoanalyst bei Hoffenheim erstmals mit Ralf Rangnick zusammengearbeitet, er folgte ihm zum FC Schalke, arbeitete nach einem kurzen Ausflug zu Guardiolas FC Bayern unter Rangnicks Ex-Schüler Roger Schmidt in Leverkusen und dann wieder mit Rangnick in Leipzig. PSV Eindhoven unter Schmidt, Lok Moskau mit Rangnick, seit 2022 im ÖFB-Team.
Kurzum, ÖFB-Assistenzcoach Kornetka ist bis auf kurze Ausnahmen 17 Jahre an seiner Seite. Das ist mehr als nur ein Arbeitsverhältnis, das ist Freundschaft. Das ist dieselbe Idee von Fußball.
Und so spricht er dann auch davon: "Ich finde die Art des Fußballs, wie wir ihn spielen, die schönste Art des Fußballs. Diese Proaktivität, den Ball immer wieder zu bewegen, dem Ball immer wieder Stress zu geben, indem wir ihn haben und nach vorne pushen, oder ihn dem Gegner abjagen zu wollen. Das macht mir am meisten Spaß. Man merkt, dass das den Zuschauern viel Spaß macht, weil sich auf dem Platz etwas bewegt. Das ist unsere Handschrift, unsere Identität."
Die hohe Kunst des Verteidigens
Es ist das Spiel gegen den Ball, das im Mittelpunkt steht. Kritiker mögen es destruktiv nennen, Anhänger sehen darin einfach den schnellsten Weg zum Ziel. Wer die Entwicklung des Fußballs in den vergangenen beiden Jahrzehnten verfolgt hat, dem ist aufgefallen, dass Erstere immer weniger, Zweitere immer mehr werden.
"Für viele ist das Verteidigen das Einfachste, weil man nur dem Ball – oder manche auch dem Gegner – hinterherrennt. Wir sehen das anders. Verteidigen ist eine Fußball-Art, die sehr viel Verstand und Training abverlangt. Wenn man das gemeinsam macht, im Schwarm-Gedanken, kann das eine außergewöhnliche Waffe sein", sagt Kornetka.
"Da sind Fachleute am Werk. Es wäre total verrückt, nicht auf diese Expertise zurückzugreifen!"
Der Schwarm-Gedanke, das Kollektiv im Vordergrund, hohe Intensität, viel Vertikalität. Rangnick schart Menschen um sich, die den Fußball sehen wie er.
Und er vertraut ihnen, wie Kornetka erzählt: "Wir haben einen extrem eloquenten, intelligenten und professionellen Trainerstab. Da sind Fachleute am Werk. Es wäre total verrückt, nicht auf diese Expertise zurückzugreifen. Ralf macht das, indem er uns alle einbezieht. Es gibt da keine Hierarchie, wir sind alle gleichgestellt."
Die Entscheidungsfindung
Die Letztentscheidung trifft dann natürlich der Teamchef, manchmal auch im Alleingang. Von der Aktion mit der Handy-Nachricht an Christoph Baumgartner bei der Busfahrt zum Spiel gegen Polen habe er nichts gewusst, sagt der 46-Jährige.
"Er ist der Cheftrainer, kann Entscheidungen selbst fällen, nimmt uns bei bestimmten Dingen aber alle mit. Es macht ihn besonders stark, dass er Leute, die um ihn herum sind, schätzt. Er nimmt die Einflüsse und Ideen mit auf. Es kann zu Kooperationen kommen, es kann sein, dass er selbst Entscheidungen trifft. Da gibt es keine klare Linie, es geht darum, immer die richtige Entscheidung zu treffen." Wie es halt gerade passt.
Während Kornetka ein Rangnick-Schüler von Tag eins an ist, verhält es sich beim restlichen Trainerstab anders. Die beiden anderen Assistenten haben andere Schulen hinter sich – Onur Cinel war ein Jahrzehnt im Nachwuchs des FC Schalke tätig, Peter Perchtold hat länger in Mainz, danach auf Schalke und in Stuttgart gearbeitet. Spielanalyst Stefan Oesen war vor und nach einem Abstecher zum FC Liefering beim SK Rapid.
Kommunikation ist Trumpf
In der Idee vereint, in der Herangehensweise verschieden. Auch das ist eine Stärke, wie Kornetka erklärt, wenn er über die Vorbereitung auf einen Gegner spricht.
"Wir haben Scouts, die für unsere Gegner verantwortlich sind, die beobachten und Informationen sammeln. Wir kommen alle aus verschiedenen Vereinen, haben verschiedene Ausbildungen genossen und können alle mit dem Computer umgehen. Wir versuchen, alle alles zu sehen und alles zu wissen, um dann eine konkrete Meinung herstellen zu können."
Auch während des Spiels ist Kommunikation innerhalb des Staffs Trumpf. "Wir sind als Co-Trainer auf der Bank, auf der Tribüne ist unser Analyst Stefan Oesen, mit dem wir verbunden und permanent im Austausch sind. Da bringen alle ihre Ideen ein. Wir versuchen, so vorbereitet zu sein, dass wir in der Halbzeit schon alle Punkte auf dem Schirm haben und uns dann nur noch kurz beratschlagen, wie wir sie präsentieren – per Video, per Taktiktafel oder einfach nur verbal. Wir wollen relativ viel Zeit mit der Mannschaft verbringen", sagt Kornetka.
Der Deutsche nennt als Beispiel den 3:1-Sieg gegen Polen. Das ÖFB-Team startete ausgezeichnet, verlor nach rund 20 Minuten aber den Faden, gab das Spiel durch viele leichtfertige Fehler aus der Hand.
In der Pause ging es darum, Christoph Baumgartner und Co. davon zu überzeugen, dass der Weg trotzdem der richtige ist.
"Die Art und Weise, wie wir das Spiel präsentiert haben, war eigentlich das, was wir sehen wollten. Wir haben in der Halbzeit ein paar Szenen gezeigt, die widergespiegelt haben, dass der Matchplan stimmt, wir nur die Sachen richtig machen müssen", sagt Kornetka, der früher als Sportjournalist gearbeitet hat.
Glücklich über die Bayern-Absage
Rund um die Absage Rangnicks an den FC Bayern wurde in deutschen Medien berichtet, dass auch Kornetka eine Rolle gespielt haben soll, weil er keine Lust gehabt hätte, erneut in München zu arbeiten.
Der Co-Trainer sagt nur so viel: "Ralf hat sich für den ÖFB entschieden, was wir alle, ich ganz besonders, für eine sehr gute Entscheidung halten."
Und so darf der 46-Jährige, der gemeinsam mit dem Teamchef die "Rangnick Kornetka Consulting GmbH" mit Sitz in Düsseldorf betreibt, erstmals bei einer Endrunde dabei sein. Eine besondere Erfahrung.
"So ein Turnier ist etwas total Außergewöhnliches, es ist etwas anderes als ein Champions-League-Turnier, weil es auf kurze Zeit komprimiert ist. Man ist zusammen im Hotel, blendet alles andere komplett aus. Die Stimmung und die Atmosphäre nach dem Polen-Spiel waren außergewöhnlich. So etwas habe ich vorher noch nie erlebt", schwärmt er.