Lafnitz-Boss Dellenbach: "Ich wollte nie einen Klub"
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Lafnitz-Boss Dellenbach: "Ich wollte nie einen Klub"

Martin Dellenbach hat mit Auto-Waschstraßen ein Vermögen gemacht. Dann hat er sich über den FC Basel geärgert und will jetzt aus Nachwuchsspielern Vollprofis machen - mit Lafnitz, Hartberg und Pilsen. Was treibt ihn an?

"Ich bin diese Woche in Spanien (Europaliga mit Victoria Pilsen)", schreibt Martin Dellenbach. "Freitag am Abend", könnte er telefonieren. Hintergrund sind ein paar von seinen Ideen, die er im Zuge des möglichen Lafnitz-Abstiegs mitteilte. Es liegt ihm wirklich am Herzen, Talente auszubilden.

Um seine Vision umzusetzen, sicherte er sich den Einfluss über drei Klubs: Europacup-Stammgast Viktoria Pilsen, den heimischen Bundesligisten TSV Hartberg (wo er rund 20 Prozent hält) und 2. Liga-Klub SV Lafnitz.

Eigentlich ist der 1966 geborene Schweizer gelernter Mechaniker und war im Motorsport tätig, als Waschstraßen-Zampano war er aber auch VIP-Gast bei "seinem" FC Basel. Dort hat sein Fußballengagement 2019 seinen Ausgangspunkt genommen. Zwar ein Jammern auf hohem Niveau, aber damals waren es die Young Boys Bern, die seinem Klub den Rang abliefen. Doch nicht nur das regte ihn auf.

Zu wenig Bewegung

Was ihm damals und zuletzt vermehrt auffiel: Die Stars des FC Basel stammten zeitweilig kaum aus Europa. Das ist per se kein Problem, kommen die doch als junge Burschen nach Europa und sind "hungriger, sie investieren mehr in den Fußball. Dadurch setzen sie sich eher durch."

Lafnitz ist nicht gerade das Mekka der Fußballwelt, in Dellenbachs Welt ist der Standort aber wichtig
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Lafnitz ist nicht gerade das Mekka der Fußballwelt, in Dellenbachs Welt ist der Standort aber wichtig

Er schätzt, dass diese Kicker aus ärmeren Regionen von Afrika und Südamerika, mit 18 Jahren bis zu 10.000 Stunden mehr Fußball gespielt haben als ihre Alterskollegen aus (Zentral-)Europa: "Das macht sie automatisch besser, vollkommen unabhängig vom Talent."

In wohlhabenden Ländern wie der Schweiz oder Österreich liege das wohl auch zu einem Gutteil am Schul(sport)system. Das Ziel in wohlhabenden Ländern ist auch eher ein Bürojob, davon lässt sich gut leben. Für die Buben aus ärmeren Gegenden ist eine Zukunft als Profi eine Fahrkarte aus dem Slum, wenn man es zugespitzt formulieren will. Wer das Ziel hat, einen gut bezahlten Bürojob zu ergattern, will sich dann nicht die Beine beim Straßen- oder Käfigkick brechen lassen.

Aber das ist noch nicht alles, wie Dellenbach befand: "Heute sitzen sie zu Hause und spielen Fußball auf der Playstation." Wenn Klubs nur noch auf 18-jährige Glücksritter setzen, verliert man letztlich das Wissen, die Kids von hier in die erste Mannschaft zu führen.

Kein Gehör in Basel

Zurück in den VIP-Klub. Er kontaktierte den damaligen Basel-Präsidenten und Medienunternehmer Bernhard Burgener per E-Mail. Der zeigte sich interessiert, man traf sich. Dellenbach tigerte sich in das Klubgeschehen hinein, erstellte eine Analyse und legte dar, wo die Probleme sind. Man brauche nun jemanden, der Ausbildung "kann". Daraufhin wurde Percy van Lierop verpflichtet. Dieser hatte bekanntlich die Red Bull Salzburg-Philosophie im Nachwuchs mitgestaltet und bei Ajax Amsterdam gewerkt. Somit verfügt er über viel Know-how.

Ich wollte nie einen Klub, sondern ein Nachwuchskonzept. Ich bin auch erst seit fünf Jahren im Fußball, maße mir auch nicht an, alles besser zu wissen.

Martin Dellenbach

Eineinhalb Jahre arbeitet er, dann verkündet Burgener 2020 seinen Abschied und damit stirbt auch Dellenbachs Plan, seinen Klub umzubauen. Die Idee blieb jedoch am Leben. Auf Umwegen kam man zum TSV Hartberg, dort gab es noch keine Akademie, man kann auf der grünen Wiese anfangen.

2023 übernimmt das schweizerisch/niederländische Duo Lafnitz. Dann tut sich die Chance auf, mit Ex-Rapid-Finanzchef Raphael Landthaler und anderen Investoren selbiges bei Viktoria Pilsen in Tschechien zu tun. Aufsichtsratschef dieser FCVP GmbH ist Ex-Rapid-Präsident Martin Bruckner. Auch Ex-SCR-Keeper Raimund Hedl ist bei der GmbH an Bord. Gemeinsam geht es ja.

Er wollte nie

"Ich wollte nie einen Klub, sondern ein Nachwuchskonzept", erklärt er heute, "Ich bin auch erst seit fünf Jahren im Fußball, maße mir auch nicht an, alles besser zu wissen. Es gibt für mich nur Logiken, die oft nicht greifen." Der Fußball sei anders, sagen die einen. So ist es nicht, ist er überzeugt.

Und weil der Dellenbach eben kein Mateschitz ist, kann er sich auch keinen FC Basel oder Red Bull Salzburg leisten. "Der Grundgedanke war, dass die Leute, mit denen ich in Basel gearbeitet habe, gemeint haben, dass mein Weg gut ist", blickt er zurück. Via Percy van Lierop hat er nun ein Netzwerk von drei Vereinen: "Es ist ziemlich perfekt. Alles ist inhouse, man kommt von der U6 bis in den Europacup. Die Spieler müssen die Chancen selber nutzen."

Salah kickte dereinst bei Dellenbachs Lieblingsklub Basel. Dieser hat europäischen Talenten einiges voraus, denkt der Investor
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Salah kickte dereinst bei Dellenbachs Lieblingsklub Basel. Dieser hat europäischen Talenten einiges voraus, denkt der Investor

Lafnitz und Hartberg haben zweite Mannschaften in der viertklassigen Landesliga, Pilsen II spielt drittklassig und so weiter. So gibt es eine Vielzahl an Möglichkeiten, groß rauszukommen. Denn: "Wenn ich vor 30 Jahren ins Dorf gegangen wäre, wo Ronaldo aufgewachsen ist und ich sag’ denen, dass der beste von dort kommt, sagen alle: Das ist nicht möglich."

Aber Dellenbach möchte das möglich machen. Warum soll nicht ein Martin Huber aus Lafnitz der nächste GOAT werden?

MCO als Muss?

Eingebettet in das Multi-Club-Ownership (MCO) sei das leichter. Bzw. ist es umgekehrt fast unmöglich, einen 2. Liga-Klub wie Lafnitz mit seinen nicht einmal 300 Fans mit einer schwarzen Null zu führen. Auch nach Hartberg kommen nur etwas mehr als 3.000 im Schnitt. "Man muss die Gegebenheiten kennen", sagt Dellenbach dazu.

Aber auch: "Es gibt mehr Talente als Plätze." Es braucht diese Plattformen und in dem System ist das besser. Dass Hartberg nie Rapid wird, das sei klar, genauso wenig wie dass Pilsen mit Slavia und Sparta Prag finanziell konkurrieren kann. "Trotzdem ist es mein Ziel, dass die besten Nachwuchsspieler der Länder bei unseren Klubs kicken: Die besten Tschechen sollen nach Pilsen und so soll es auch in Hartberg/Lafnitz sein. Bevor man Ausländer holt, muss man die besten aus dem Land vorwärtsbringen."

Es ist ein Gesellschaftsthema, dass alle immer den leichten, bequemen Weg gehen wollen, aber es geht nur über tagtägliche Arbeit.

Martin Dellenbach

Dass man den Traditionsklubs etwas wegnimmt mit so einer Systematik, das denkt er nicht.

Träumen anfangen

In Lafnitz trainieren die Spieler zweimal am Tag, es gibt ein zusätzliches Spiel unter der Woche. Das mache sonst niemand in der 2. Liga, aber Dellenbach hat sich in den Kopf gesetzt, etwas zu erreichen. Man müsse die Spieler raus aus der Komfortzone locken, auch wenn es leichter ist, einen fertigen 18-Jährigen zu kaufen, als ihn auszubilden. Den Nachwuchs brauche ein Klub sowieso.

"Es ist ein Gesellschaftsthema, dass alle immer den leichten, bequemen Weg gehen wollen, aber es geht nur über tagtägliche Arbeit. Klar, bei Rapid geht es darum zu gewinnen, aber ich muss die Spieler besser machen", so der Schweizer.

Er habe die Ideen von Ajax nach Basel geholt, die Methoden haben aber niemanden interessiert. Auch in Österreich hätten alle von Red Bull geredet, er hat eben den genommen, der den Nachwuchs maßgeblich aufgebaut hat.

Vielleicht ist das ein guter Blick von außen auf eine doch eingefahrene Systematik. Klar, Sturm ist Meister geworden und hat die Red Bull-Dominanz gebrochen. Aber: "Haben sie die besten Österreicher? Heute nicht."

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