Wer ist die interessanteste Personalie der ADMIRAL 2. Liga? Manprit Sarkaria hat ein Wort mitzureden, dann wären da auch noch die Talente in Wien, Graz und Salzburg.
Ein weiterer Vorschlag wäre Kemal Eren vom Kapfenberger SV. Wer jetzt fragend mit den Schultern zuckt, verbringt wahrscheinlich nicht allzu viel Zeit auf YouTube.
Der 20-jährige Deutsche kickt erst seit Ende August in der Steiermark, seine letzte Station davor war die U21 des Drittligisten Waldhof Mannheim. Auf dem Papier ist es eher keine außergewöhnliche Verpflichtung.
Die Besonderheit: Kemal ist - zumindest ein bisschen - berühmt. Dazu gleich mehr.
Probetraining vor Kameras
Seit Sommer kooperiert der KSV mit dem deutschen Unternehmen "RTC Management & Sports", im Zuge der Zusammenarbeit wurde unter anderem Trainer Ismail Atalan nach Kapfenberg gelotst. Bei einer Weiterentwicklung auf dem Platz soll es aber nicht bleiben, man wünscht sich eine neue Identität und insgesamt mehr Aufmerksamkeit.
Hier kommt Diyar Acar ins Spiel. Der YouTuber hat sich im Internet einen mit Namen mit verschiedenen Formaten rund um das Thema Fußball gemacht, seine Videos erreichen jeweils mehrere hunderttausend Aufrufe. Diyars Vorschlag für Kapfenberg: Zwei Spieler, mit denen er in der Vergangenheit Videos gedreht hat, dürfen ein Probetraining absolvieren. Im Idealfall empfiehlt sich einer von ihnen für einen Profivertrag. Für drei Tage laufen die Kameras mit, um den Prozess zu dokumentieren.
So durfte sich Kemal im Sommer in mehreren Trainingseinheiten und einem Testspiel gegen den SC Kalsdorf zeigen. Am 26. August wurde er als Neuzugang präsentiert.
Sportliche Rolle noch offen
Weil Kemal bisher keine Pflichtspielminute für den KSV absolviert hat, hält sich der sportliche Wert der Verpflichtung stand jetzt in Grenzen. Ismail Atalan berichtete zuletzt von Verletzungsproblemen, außerdem dürfte es Schwierigkeiten bei der Positionsfindung gegeben haben. Kemal kam als Zehner und Flügelspieler, dort ist der Konkurrenzdruck groß. Und dann wäre da noch der Österreichertopf, der nur sechs ausländische Spieler im Spieltagskader erlaubt. Insgesamt also eine ungünstige Konstellation.
Nicolas Zuschke, in Kapfenberg unter anderem für Öffentlichkeitsarbeit zuständig, macht gegenüber 90minuten Hoffnung für das Frühjahr: "Wenn die Rahmenbedingungen passen, werden wir ihn in der Rückrunde auf dem Platz sehen. Vom Trainerteam kommt das Feedback, dass Kemal mit großem Einsatz dabei ist."
Auch im Nachwuchs kommt er gut an: "Wenn er bei den Amateuren mitspielt, kommen 10 oder 15 Kinder und wollen ein Bild mit ihm haben. Er weiß schon, dass viele Leute seinen Weg verfolgen."
Wir werden ihn nicht in die Startelf stellen, nur um mehr Klicks oder Views zu bekommen.
War es vielleicht doch eher ein Marketing-Gag? Das wollen die Steirer so nicht stehen lassen: "Bei uns gilt das Leistungsprinzip. Wenn der Trainer sagt, dass es noch nicht reicht, werden wir ihn nicht in die Startelf stellen, nur um mehr Klicks oder Views zu bekommen."
Kemal habe sich seinen Platz erarbeitet, der Verein jedenfalls keinem der Trainingsgäste eine Garantie für einen Vertrag gegeben. Apropos Vertrag: Der Spieler verfügt über einen regulären Profivertrag bis 2025 und wohnt in der Akademie, das Gehalt zahlt der Verein.
Was hat der Verein von der Aktion?
Weil es sportlich eben noch nicht allzu viel Berichtenswertes gibt, rücken andere Themen in den Vordergrund. Auf Social Media - vor allem den Plattformen TikTok und Instagram - hat Kapfenberg schon jetzt eine weit größere Reichweite, als die Konkurrenz in der 2. Liga, auch in der Bundesliga läge man im Mittelfeld. Das Video aus dem Sommer steht bei über 400.000 Aufrufen - insgesamt ist das viel Wert.
Und: Man ist noch nicht fertig. Sollte Kemal in der Rückrunde Spielzeit bekommen, wird mit großer Wahrscheinlichkeit eine Kamera dabei sein. Garantien macht der Verein auch in diesem Punkt nicht, im Hintergrund wird man sich aber absprechen.
Darüber hinaus ist für nächsten Sommer ein Probetrainings-Camp geplant, bei dem andere Spieler eine Chance auf den Sprung in den Profifußball bekommen sollen. Beim KSV wirkt man derzeit jedenfalls zufrieden. "Uns haben viele positive Reaktionen erreicht. Ich denke, dass es ein innovativer Weg ist, um Spieler zu finden, die wir sonst nicht im Blick hätten", meint Zuschke.