Raul Florucz erlebt Tage, die er sich vor gar nicht allzu langer Zeit nicht einmal erträumt hat.
Einberufung ins österreichische Nationalteam, Debüt beim 1:1 gegen Serbien. Das Fußballerleben des 23-Jährigen hat ordentlich Fahrt aufgenommen.
Am Tag nachdem er zum ersten Mal das Trikot des A-Teams getragen hat, sitzt Raul Florucz in einem Hotel in der Wiener Innenstadt und gibt einer Journalistenrunde sichtlich nervös, aber sehr sympathisch mit ruhiger Stimme einen Einblick in sein Seelenleben.
"Ich realisiere das noch gar nicht"
"Meine Gefühle existieren gerade nicht, ich realisiere das noch gar nicht. Ich glaube, das wird erst nächste Woche passieren", sagt er.
Nein, er hätte bisher noch gar nicht die Zeit gefunden, um alle Glückwünsche auf seinem Handy zu beantworten.
Die Nervosität bei seiner Einwechslung in der zweiten Hälfte habe sich in Grenzen gehalten: "Es war nicht so schlimm, ich bin ziemlich spontan reingekommen, hatte keine Zeit, um nachzudenken."
Ich habe nicht darüber nachgedacht, dass das überhaupt möglich ist. Vor zwei Jahren habe ich noch in der zweiten kroatischen Liga gespielt.
Das war die Tage davor noch anders. Alles fing an mit einem Anruf von Ralf Rangnick, der ihn von seiner erstmaligen Einberufung unterrichtete.
"Ich habe nicht darüber nachgedacht, dass das überhaupt möglich ist. Vor zwei Jahren habe ich noch in der zweiten kroatischen Liga gespielt, jetzt bin ich hier. Als mich Herr Rangnick dann angerufen hat, war ich sprachlos. Er hat mich dann gefragt: 'Ich hoffe, du freust dich, oder?' Ich habe geantwortet: 'Ja, ich weiß nur nicht, was ich sagen soll'", berichtet der Offensivspieler lachend.
Ein Lied für das Team
Die nächste Prüfung erfolgte bei der Zusammenkunft. Wie alle Team-Neulinge musste auch Florucz vor versammelter Mannschaft singen.
"Ich habe 'Ein Stern' von DJ Ötzi gesungen. Das war eine stabile Mutprobe", stöhnt er.

Der Teamchef wiederum erzählte nach der Partie, dass Florucz bei seinem ersten Training sehr nervös gewesen sei. "Es ist doch normal, dass man da nervös ist. Das ist alles neu für mich. Es ist eine Ehre, mit so Klassespielern trainieren und spielen zu dürfen", sagt der Profi von Olimpija Ljubljana.
David Alaba habe sich als Kapitän gut um ihn gekümmert. Auf einen anderen hat er sich im Vorfeld aber am meisten gefreut: "Tobias Lawal! Wir waren gemeinsam in der Schule und beim LASK, ich habe ihn lange nicht mehr gesehen."
Als Kind nach Kroatien
Mit 17 Jahren wechselte der Oberösterreicher aus der Linzer Akademie zu Lok Zagreb. Ein ungewöhnlicher Schritt.
"Ich war eigentlich noch ein Kind. Eine fremde Sprache, neue Menschen, ein neues Team. Das hat mich sehr geprägt, auch als Mensch. Ich konnte meinen Charakter stärken. Mir hat das sehr geholfen", meint er.
Ob sich danach jemals wieder ein österreichischer Klub bei ihm gemeldet habe? "Ich wüsste nicht."
In Ljubljana läuft's
Nach einigen Leihen innerhalb Kroatiens ging es im Sommer 2023 nach Ljubljana. Dort ist er inzwischen die mit Abstand effektivste Offensivkraft, in 68 Pflichtspielen hat er 24 Tore und 16 Assists geliefert. Am liebsten spiele er am rechten Flügel, als zweite Spitze oder Zehner.
Und jetzt? "Ich bin keiner, der viel über die Zukunft nachdenkt. Ich versuche eher im Moment zu leben. Aber es hat sicher einen sehr großen Einfluss, dass ich jetzt im österreichischen Nationalteam spiele. Wenn man Teamspieler ist, erfährt man mehr Anerkennung", sagt er.
Das wird ein unvorstellbares Spiel. Ich kann mir noch gar nicht vorstellen, was da in mir passieren wird.
Auch der rumänische Verband hat sich zuletzt um ihn bemüht. Das Thema ist nun erledigt. "Ich bin extrem glücklich, hier zu sein. Ich bin in Österreich geboren und aufgewachsen, identifiziere mich viel mehr mit Österreich als mit Rumänien, aber ich respektiere meine rumänischen Wurzeln natürlich", so Florucz.
Sein Ausblick auf die beiden Duelle mit Rumänien in der WM-Quali: "Ich kann beide Hymnen. Das wird ein unvorstellbares Spiel. Ich kann mir noch gar nicht vorstellen, was da in mir passieren wird."
Die schwere Nummer 9
Bei seinem Debüt trug er das rot-weiß-rote Trikot mit der Nummer 9. Legenden wie Hans Krankl und Toni Polster sind damit aufgelaufen. "Das ist eine schwere Nummer. Aber ich versuche, da nicht viel drüber nachzudenken. Dann macht man sich nur selber Druck", sagt er. Das Trikot von seinem Debüt bekommt "die Mama".
Die hat sich auch für den Vornamen Raul entschieden. Nicht wegen der spanischen Legende, sondern einfach, weil ihr der Name gefallen habe. Nun trägt der Angreifer seinen Vor-, nicht seinen Nachnamen am Rücken.
Warum? "Die Leute wissen nicht, wie man den Nachnamen ausspricht. Und Raul ist ein Fußballername", grinst er. Korrekt ausgesprochen wird sein Nachname übrigens "Florutz".