Das waren Salzburgs Gamechanger gegen Sturm
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Das waren Salzburgs Gamechanger gegen Sturm

Die "Bullen" waren in Halbzeit eins noch unterlegen, zogen die Begegnung nach Seitenwechsel dank eines taktischen Kniffs auf ihre Seite. Die 90minuten-Taktik-Analyse zum Kracher der 20. Bundesliga-Runde:

Als Fußball-Fan sitzt man oft in einem Stadion, vor einem Fernseher oder wo auch immer und denkt sich: Wie können sich zwei Halbzeiten eines einzigen Fußball-Spiels so dermaßen unterschiedlich gestalten?

Ein aktuelles Beispiel aus der ADMIRAL Bundesliga: Beim Kracher der 20. Runde in der Red Bull Arena drückte der SK Sturm dem FC Red Bull Salzburg in Durchgang eins sein Spiel auf, nur um nach Seitenwechsel völlig überrumpelt von den "Bullen" zu werden und die Partie noch zu verlieren.

90minuten beleuchtet in der aktuellen Ausgabe der 90minuten-Taktik-Analyse, die wir gemeinsam mit unserem Spielanalyse-Partner, dem Internationalen Fußball Institut (IFI), präsentieren, die Gründe für den Salzburger Gesichtswechsel nach der Pause aus taktischer, aber auch aus personeller Sicht.

Deswegen gehörte Halbzeit eins noch Sturm

Was machte Sturm also in Halbzeit eins richtig, bzw. woran scheiterte Salzburg?

Generell hing am Sonntag vieles an den Spielsystemen der jeweiligen Teams:

Salzburg spielt seit der Trainerstuhl-Übernahme von Thomas Letsch wieder in einem 4-4-2, welches in ähnlicher Form bereits von seinen erfolgreichen Vorgängern wie Roger Schmidt oder Jesse Marsch präferiert wurde. Sturm ist seit vergangener Woche wieder mit Raute unterwegs, die Jürgen Säumel zwischenzeitlich mit einem 4-2-3-1 ersetzt hatte.

In dieser Raute gelang es den "Blackies" am Sonntag, das Salzburger Spiel immer dorthin zu lenken, wo vermeintlich die Schwachstellen der "Bullen" zu finden sind: Auf der Außenverteidigung. Rechts verteidigte mit Leandro Morgalla ein gelernter Innenverteidiger, der seine Stärken nicht zwingend im Spiel mit dem Ball hat, links Tim Trummer, der Rechtsfuß ist und so im Spielaufbau immer den Schritt zur Mitte machen musste, um einen progressiven Pass zu spielen.

Die hoch agierenden Grazer Achter, Malick Yalcouye (links) und Tomi Horvat (rechts), übten jeweils viel Druck auf den jeweiligen Salzburger Außenverteidiger in Ballbesitz aus, die beiden Grazer Stürmer liefen die beiden Mozartstädter Innenverteidiger an und der momentan jeweils nicht pressende Achter schob zentral zur Mitte, so dass kaum Anspielstationen übrig blieben; für eine Spielverlagerung auf die durch dieses Pressingmuster jeweils verwaiste Grazer Seite war der Druck zu hoch.

Die "Blackies" legten in Halbzeit ein viele jener Tugenden hin, die sie in der Vorsaison zum Doublesieger machten: Hohe körperliche Präsenz und klare Überzeugung in den Zweikämpfen, die stets entweder mit Ballgewinnen, oder - falls nötig - mit Fouls beendet wurden.

Doch dann kam der Halbzeitpfiff von Schiedsrichter Walter Altmann.

VIDEO: Ist Salzburg wieder Titelkandidat Nr. 1?

Der Sieg in den Halbräumen

In der Pause bewies "Bullen"-Coach Letsch in doppelter Hinsicht ein goldenes Händchen.

Zum einen, indem er ebenfalls auf Raute umstellte und das Grazer System dadurch spiegelte, zum anderen, indem er den an diesem Tag etwas überforderten Tim Trummer durch den gelernten Linksverteidiger Aleksa Terzic ersetzte und mit Adam Daghim statt Moussa Yeo einen weiteren Stürmer einwechselte.

Daghim bildete dann gemeinsam mit Karim Onisiwo die Doppelspitze, wobei der junge Däne deutlich mehr Freiheiten als sein eher zentral orientierter Sturmpartner hatte und sich oft auf Höhe von Yorbe Vertessen, der nun den auf Tiefenläufe lauernden Zehner gab, zurückfallen ließ. Die beiden Achter hießen zunächst Oscar Gloukh und Nicolas Capaldo, Mads Bidstrup agierte als Solo-Sechser.

Als Morgalla im Verlauf der zweiten Halbzeit verletzt ausgewechselt werden musste, rückte Capaldo auf die Rechtsverteidigung und Nene Dorgeles nahm die Position des rechten Achters ein. Salzburg agierte jetzt mit fünf gelernten Offensivspielern auf dem Feld - eine durchaus riskante Auslegung der Raute, aber eine, die sich bezahlt machte.

Salzburg schaffte es plötzlich, Überzahl in den ominösen Halbräumen - sprich, jener Zone zwischen den Außenverteidigern der "Blackies" und ihrem Sechser, Jon Gorenc-Stankovic - herzustellen. Gorenc-Stankovic hatte mit Vertessen und Daghim plötzlich zwei schnelle direkte Gegenspieler, die ihm sprichwörtlich um die Ohren flogen; nicht nur einmal wirkte der Slowene während der zweiten Halbzeit orientierungslos.

Speziell in der Situation vor dem 1:1 war dies gut ersichtlich. Nach einem Abschlag von Torhüter Kjell Scherpen köpfte Bidstrup auf Onisiwo, der auf Daghim ablegte und der Däne spielte mit seinem ersten Kontakt einen perfekt getimten Lochpass auf den späteren Torschützen Vertessen.

Gorenc-Stankovic kam aufgrund seiner Positionierung weder mit Vertessen noch mit Daghim in einen Zweikampf, deckte eher den Raum zwischen den beiden. Mit einem zweiten Sechser an seiner Seite, der in Form von Tochi Chukwuani zu diesem Zeitpunkt bereits im Spiel war, aber als Achter eingesetzt wurde, hätte der Grazer Kapitän in dieser Situation nicht so hilflos ausgesehen und Sturm hätte sich das 1:1 in dieser Form wohl nicht eingefangen.

Die beschrieben Szene vor dem 1:1 in der Spielanalyse-Grafik:

Der Faktor Adam Daghim

Die Systemumstellung Thomas Letschs und die daraus deutlich bessere Besetzung der Halbräume war einer der Gamechanger in dieser Partie.

Der andere Gamechanger lässt sich personifizieren: Adam Daghim.

Der 19-Jährige lieferte nämlich nicht nur den Assist zum 1:1, sondern auch jene Vorlagen zu den weiteren beiden Treffern. Vor dem 2:1 schalteten die "Bullen" erneut nach einem Abstoß der Grazer blitzschnell um, Gloukh spielte einen sensationellen Außenristpass auf Daghim, der über links allen davonlief und einen perfekten Stangler auf Nene zur Mitte gab.

Beim 3:1 dann derselbe Ablauf: Gloukh links raus auf Daghim, wieder ein scharfer Querpass und diesmal bedankte sich Onisiwo.

"Ich habe schon viele Spieler in der Deutschen Bundesliga gesehen, aber Adam hat schon richtig Speed", staunt der Torschütze zum 3:1.

Adam Daghim gelang am Sonntag ein Assist-Hattrick
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Adam Daghim gelang am Sonntag ein Assist-Hattrick

Auch der selbst pfeilschnelle Vertessen zog den Hut: "In den Trainings und den anderen bisherigen Spielen habe ich nicht mitbekommen, wie schnell er ist. Aber heute: Wow, was für ein schneller Spieler."

Daghim gilt grundsätzlich als einer der Gewinner des Trainerwechsels auf Thomas Letsch, musste beim Spiel gegen Sturm zunächst allerdings auf der Bank Platz nehmen, "weil er zuletzt unglücklich im letzten Pass und im Torabschluss war", wie Letsch erklärt.

Oder anders ausgedrückt: Daghim wirkte in seinen Aktionen der letzten Wochen teilweise noch recht roh und machte aus sehr vielversprechenden Situationen oftmals sehr wenig. Am Sonntag ging ihm hingegen fast alles auf.

Das sei nicht selbstverständlich, findet Sportchef Rouven Schröder: "Er hat sich in den Dienst der Mannschaft gestellt. Wenn ich überlege, was er für Sprints angezogen hat, was er für Lücken gerissen hat - er war so wichtig! Er hätte genau so auch bockig sein können, weil er nicht angefangen hat."

Persönliche Befindlichkeiten nahmen in dieser Saison schon zur Genüge Einfluss auf die Salzburger Leistungen. Am Sonntag war ersichtlich, dass dieses Team auch ein solches sein kann, sich von Rückschlägen nicht aus der Bahn bringen lässt und außerdem einen Trainer an der Seitenlinie hat, der den ein oder anderen taktischen Kniff in petto hat.

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