Bregenzer Neuausrichtung: Plötzlich planbar?
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Bregenzer Neuausrichtung: Plötzlich planbar?

Jahrelang herrschte in Bregenz Trubel – nun wird von Ruhe und Weiterentwicklung gesprochen. Wieso man von einer "Mission Aufstieg" aber nichts wissen will:

Am Bodensee sehnt man sich nach Ruhe.

Das spiegelt sich im Wintertransferfenster wider, bei SW Bregenz verlief dieses fast schon bieder. Ein Abgang, zwei Neuzugänge, das ist alles. Mindestens elf Spieler haben Verträge bis 2026, Schnellschüsse braucht es nicht.

Mit dem Auswärtsspiel bei Aufsteiger ASK Voitsberg startet am Freitag (18:00 Uhr, zum LIVE-Stream >>>) das Frühjahr in der 2. Liga. Im Cup durfte man bereits ran, gegen Bundesligist WAC zog man den Kürzeren. "Ein Highlight", nannte Predrag Zivanovic, den ohnehin alle nur "Predi" nennen, das Viertelfinalspiel schon vor dessen Austragung. In gewisser Weise ist es auch eine Bestätigung.

Zivanovic will Kontinuität, in Bregenz wirkt das ungewohnt
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Zivanovic will Kontinuität, in Bregenz wirkt das ungewohnt

Zivanovic ist Sportdirektor und Geschäftsführer bei SW Bregenz, und sein Ziel ist es, die angesprochene Ruhe in einen Verein zu bringen, der in den vergangenen 20 Jahren nur selten ruhig war.

Bregenz schlitterte 2005 in den Konkurs und gründete sich neu, versumpfte daraufhin im Vorarlberger Unterhaus. Erst 2023 kehrte man in den Profifußball zurück, spielt nun die zweite Saison in der ADMIRAL 2. Liga.

Stein um Stein

Beim Telefonat mit 90 Minuten Ende Jänner steht Zivanovic am Spielfeldrand. Im Hintergrund läuft das Nachmittagstraining, Trainer Regi Van Acker gibt Anweisungen. In Vorarlberg ist es kalt geworden, nach 16 Grad am Wochenende hat sich der Winter zurückgemeldet. "Am Pfänder hat es Schnee", meint Zivanovic mit Blick auf den Bregenzer Hausberg. Mit Blick zurück auf den Herbst meint er: "Wir können glücklich sein."

Gleich 18 Neue wurden im Sommer verpflichtet, der Umbruch war groß. Doch die Rädchen griffen ineinander. Bregenz war deutlich besser, als manche Experten das vor der Saison erwartet hatten. In Bregenz hingegen hatte man die Top-Fünf stets im Blick, und hat das auch weiterhin.

"Wir haben im Herbst einen schönen, offensiven Fußball gespielt. Die Mannschaft funktioniert", sagt Zivanovic. Er lobt "geile Typen" in der Mannschaft, und betont, dass er auch nach dem Training eine harmonierende Truppe vorfinde. Ein Mosaikstein dafür: eine Vorarlberger Achse rund um Spieler wie Florian Prirsch, Daniel Tiefenbach, Lars Nussbaumer, Johannes Tartarotti oder Raul Marte.

Zwei der neuen "Typen": Lars Nussbaumer und Marcel Monsberger
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Zwei der neuen "Typen": Lars Nussbaumer und Marcel Monsberger

Ein weiterer Mosaikstein dafür: Neuzugänge wie Sebastian Dirnberger und Marcel Monsberger, die sich bereits vor dem Engagement am Bodensee aus Amstetten kannten.

Auch nicht unwesentlich: Ligakonkurrent Dornbirn erhielt aufgrund von finanziellen Problemen die Zweitliga-Zulassung nicht mehr, talentierte Spieler waren auf Vereinssuche. "Man muss da schon fair sein und sagen, dass das zum Teil auch Glückssache war", sagt Zivanovic. Auch unabhängig von einem Dornbirner Abstieg hätte man aber probiert, Spieler für sich zu gewinnen.

"So war es für uns zumindest in der Hinsicht einfacher, weil wir dem Verein nicht in den Nacken gefallen sind", sagt er. Er weist aber auch darauf hin, dass ja noch ein Nachbarverein (Lustenau, Anm.) existiere, mit dem man sich aktuell das Stadion teile, und der auch Interesse am einen oder anderen Ex-Dornbirner signalisiert habe. "Unsere Idee und unsere Einstellung ihnen gegenüber war in dem Fall die richtige, sonst hätten sie sich nicht für uns entschieden", ist sich Zivanovic sicher.

Vertrauen in Regi

Und noch ein Mosaikstein, der eher ein großer Brocken ist: Der Trainer und sein Trainerteam.

"Das hat natürlich auch mit der Erfahrung eines Regi Van Acker zu tun, dass das alles schneller funktioniert hat", sagt Zivanovic angesprochen auf den sommerlichen Umbruch. Der 69-Jährige Belgier kam als kurzfristiger Lizenzbringer an den Bodensee, er und sein Trainerteam verlängerten mittlerweile bis 2026.

Das Trainerteam um Regi Van Acker (links Co-Trainer Murad Gerdi) soll längerfristig arbeiten
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Das Trainerteam um Regi Van Acker (links Co-Trainer Murad Gerdi) soll längerfristig arbeiten

"Regi liegt dieser Verein sehr am Herzen. Ich glaube, dass er durch seine Erfahrung auch ohne Druck arbeiten kann. Probieren kann, diesen Verein weiterzuentwickeln", so der Sportdirektor. "Er lässt seine Erfahrung mit einfließen, ich bin froh, dass ich so mit ihm zusammenarbeiten kann", sagt Zivanovic.

Dass es Sinn mache, dem Trainer das Vertrauen zu schenken, sei recht schnell deutlich geworden. "Wenn es ergebnistechnisch mal in die andere Richtung gehen sollte, weiß ich einfach, dass dieses Trainerteam damit umgehen kann", begründet Zivanovic. Er habe mit der frühzeitigen Verlängerung auch den Spielern und dem ganzen Drumherum ein bisschen Ruhe geben wollen, erklärt er.

Ruhe? In Bregenz ganz ungewohnt.

Ein Verein in Aufregung

Über Jahre hinweg war bei Schwarz-Weiß nämlich immer etwas los, und das war nicht immer nur positiv.

Transferfenster verkamen halbjährlich zu Umbrüchen, die auf Umbrüche folgten; Trainerentlassungen zu den ungewöhnlichsten Zeitpunkten passierten. Die Träume waren meist größer als die gezeigten Leistungen, Nebengeräusche begleiteten das Sportliche verlässlich.

In der vergangenen Saison gab es einen Punkteabzug, weil drei brasilianische Spieler nicht korrekt angemeldet waren (alle Hintergründe >>>), in der aktuellen Saison hat man als einziges Zweitligateam die Finanzkennzahlen der vergangenen Spielzeit nicht rechtzeitig der Bundesliga gemeldet.

Im Statement dazu verwies der Verein auf die aufwändige Ausgliederung des Profispielbetriebs sowie eine Mandatsrücklegung des bisherigen Steuerberatungsbüros, was zu einer Verzögerung geführt habe – weshalb ein von der Bundesliga zugelassener Wirtschaftsprüfer den konsolidierten Abschluss nicht rechtzeitig prüfen konnte.

Man stehe diesbezüglich kurz vor dem Abschluss, erklärt Zivanovic im Gespräch mit 90 Minuten, alle Unterlagen für die Lizenzierungen sollen zudem fristgerecht bis zum Abgabetermin am 3. März eingereicht werden.

"Das ist mein Anreiz"

Ruhe? In Bregenz das neue Credo. "Das wichtigste war, dass nicht jedes halbe Jahr ein extremer Umbruch stattfinden soll, sondern eine Planbarkeit da sein soll", erklärt Zivanovic.

Vor den Mechanismen des Fußballs ist man freilich nicht gefeit, wenn man die Chance habe, junge, talentierte Spieler weiterzuverkaufen, müsse man das in der 2. Liga machen. Aber trotzdem: Sich rein als Ausbildungsstätte zu verkaufen, wie andere Teams das machen, das will man in Bregenz nicht. Ein Stamm soll bestehen bleiben, Transfers ermöglicht werden.

So wie im Fall von Renan, der in 16 Pflichtspielen in dieser Saison zehn Treffer beisteuerte und für kolportierte 300.000 Euro nach Brasilien transferiert wurde. Womit er zum zweitteuersten Abgang der Bregenzer Vereinsgeschichte avancierte.

Top-Transfer: Renan soll als Musterbeispiel gelten
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Top-Transfer: Renan soll als Musterbeispiel gelten

Wer langfristig plant, hat etwas vor. Das ist auch in Bregenz nicht anders. "Wer Regi Van Acker kennt, weiß: Er möchte immer zumindest eine Position besser werden", sagt Zivanovic über seinen Trainer. Und auch er selber habe immer gesagt, dass der Verein anstreben müsse, immer einen Schritt weiter zu kommen.

"In unserem Fall muss der Verein mittelfristig so denken, zumindest zu probieren, um den Aufstieg mitzuspielen", sagt der Sportvorstand. Ob das gelinge, stehe auf einem anderen Blatt Papier, "aber das ist mein Anreiz, unser Anreiz, dass wir sportlich dahin schauen."

Nach dem zweiten Jahr nach der Rückkehr in den Profifußball seien noch Schritte zu gehen, es gehe darum, sich stetig weiterzuentwickeln. "Aber für mich ist ganz klar, dass dieser Verein mittelfristig schon wieder um den Aufstieg mitspielen sollte."

Wieso Bregenz keine Mission hat

Träume vom Fußball-Oberhaus sind nicht nur am Bodensee vorhanden. In Leoben zerplatzten sie erst kürzlich (alle Infos >>>). Die ausgerufene #Mission2028 endete nicht im Jahr 2028 in der Bundesliga, sondern mit der Einleitung des Insolvenzverfahrens.

Auch die Vienna wandelte ihre "Vision 2026" erst vor wenigen Wochen in eine "Mission 2026" um. Die Admira, Ried, St. Pölten oder Lustenau wollen auch wieder rauf. Also, wann soll es denn in Bregenz so weit sein?

"'Mission', 'Zielsetzung'... Da ist der Hund drinnen. Sobald ein Verein sowas sagt, passiert etwas."

Predrag Zivanovic, hält wenig von gewissen Begriffen

Zivanovic lacht. "Davon möchte ich Abstand nehmen. Gerade diese Wörter – 'Mission', 'Zielsetzung' – da ist irgendwo der Hund drinnen. Sobald ein Verein sowas sagt, passiert irgendetwas. Ein Abstieg oder noch schlimmer."

Klar sei, dass man nicht in der zweiten Liga sei, um stets um den achten Platz zu spielen. Das Bregenzer Publikum habe höhere Ansprüche, das Umfeld wolle mehr, wenn man gut mitspiele. Die Vorstandsperiode dauere noch drei Jahre, in dieser Zeit wolle man noch einen Schritt besser werden. Die Lizenz erhielt man schon für diese Saison, dank Stadionuntermieter Austria Lustenau verfügt man über ein bundesligataugliches Stadion. Einiges dafür ist nur gemietet, wie die "Vorarlberger Nachrichten" berichten, ob die Lizenz auch heuer erteilt wird, ist noch unklar. Aber ein Grundgerüst steht.

"Deswegen sagen wir, dass wir ohne Druck arbeiten können, uns weiterentwickeln können", sagt Zivanovic. Bestenfalls in Ruhe.

VIDEO: Rückrunden-Vorschau zu SW Bregenz

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