"Wir verfolgen die Spiele sehr intensiv, auch wenn nicht mehr so viele Spieler für die A-Nationalmannschaft kommen, die in Österreich spielen", sagte Teamchef Ralf Rangnick vor kurzem über die ADMIRAL Bundesliga.
Ein paar Kandidaten für die Zukunft könnte er sich zwar anschauen, doch allzu viele, die sich tatsächlich aufdrängen, gibt es nicht.
Keine Jungen, aber Youth-League-Erfolge?
Im Gegensatz dazu läuft es für die rot-weiß-roten Klubs in der (aufgestockten) Youth League. Rapid scheiterte erst im Sechzehntelfinale an Atlético Madrid, Sturm im Achtelfinale an Vorjahres-Champion Olympiakos Piräus, auf den nun Salzburg im Viertelfinale trifft. Bullen-Kicker Tim Trummer spielte schon bei der ersten Mannschaft, ebenso Sturms Leon Grgić. Wie viele es aber am Ende nach oben schaffen, steht noch in den Sternen.
90minuten hat die Einsatzzeiten all jener für den ÖFB infrage kommenden Spieler ausgewertet, die mit Stichtag Saisonbeginn nicht älter als 21 Jahre waren. Ligaübergreifend zeigt sich jedenfalls ein deutlicher Rückgang der Einsatzzeiten von entsprechenden Spielern. Entfielen in der Spielzeit 2022/23 noch fast 15 Prozent der Einsatzminuten in Pflichtspielen auf U22-Akteure, sind es in der heurigen Saison (Stand 11.3.2025) nur noch 6,3.
Die Gründe dafür sind, so viel lässt sich vorwegnehmen, vielfältig und reichen laut den Verantwortlichen der Klubs vom gestiegenen Niveau der Liga, über Klub-Strategien und Geschäftsmodellen bis hin zu gesellschaftlichen Veränderungen.
"Guter Job in der Akademie"
"Wenn man sich anschaut, wie unsere Klubs in der Youth League abschneiden, wäre es nicht gerecht, zu sagen, wir haben keine gute Nachwuchsarbeit", meint etwa Blau-Weiß-Linz-Sportdirektor Christoph Schösswendter.
Rouven Schröder ist in Salzburg noch nicht so lange in Amt und Würden, er meint, man sehe anhand der Leistungen in der Youth League ja, dass es "richtig gute Talente" gebe. Für Rapids Markus Katzer macht der eigene Verein auch eine "tolle Arbeit", der WAC ist für Akademie-Boss Walter Kogler "gar nicht schlecht unterwegs".
Aber woran liegt der Rückgang an Spielminuten für junge Talente dann? Für Schösswendter ist das Niveau der Liga gestiegen, was den Step vom Nachwuchs in die Bundesliga größer macht. Die Ligateilung spiele auch eine Rolle: "Da ist man dann als Trainer oder Klub weniger bereit, Risiken einzugehen und vielleicht einmal einen 18-, 19- oder 20-Jährigen hineinzuhauen."

Für Kogler ist ohnehin klar, dass es immer auch auswärtige Spieler braucht. Junge, so Schröder, brauchen auch einen Profikader, der so strukturiert ist, "dass die Jungs auch ran kommen". "Wir werden nichts verändern", stellt auch Katzer klar.
Nicht alles eitel Wonne!
Das sind nicht die einzigen Meinungen zu dem Thema und nicht alle sind so positiv. Hartbergs Obmann Erich Korherr sieht die Ausbildung "zwiespältig" bzw. "kritisch und differenziert". Denn: "Ich sehe, was für Hartberg aus der eigenen Region übrig bleibt. Sollte man am Ende 26 Akademien haben, hat man letztendlich einfach nicht die Qualität." Die Struktur der heimischen Akademie-Meisterschaft wurde erst vor kurzem reformiert, eine zweite Spielklasse eingezogen.
Der ÖFB, von 90minuten mit diesen und weiteren angesprochenen Themen konfrontiert, lässt dazu ohne Angabe zum Zitatgeber wissen: "Wir haben die Anforderungen für eine Akademie-Lizenz entsprechend hoch angesetzt und die Teilnehmerzahl an der ÖFB-Jugendliga auf zwölf begrenzt."
Austria Klagenfurt-Sportchef Günther Gorenzel spricht von bewussten Entscheidungen, wie sich Vereine strategisch ausrichten: "Für uns ist es Fakt, dass wir eine Plattform für junge Spieler sein wollen. Warum sich nicht mehr Vereine generell so ausrichten, kann ich nicht beantworten."
Die Klagenfurter sind neben den Hartbergern auch der einzige Klub, bei dem die Einsatzzeiten von U22-Spielern in den letzten Jahren angewachsen sind. Speziell bei Hartberg ist der Zuwachs von 6,3 (2021/22) auf derzeit 20,4 deutlich.
Es ist eine Sache, jungen Österreichern Spielzeit zu gönnen, das in sie gesetzte Vertrauen ist aber eine andere. Es spielen zwar viele Talente, aber sind die alle nur Ergänzungsspieler oder etablieren sie sich in jungen Jahren schon als Stammkräfte?
90minuten hat sich angesehen, wie oft die Youngsters im Verhältnis zu ihrer Verfügbarkeit (also abzüglich Ausfällen durch Sperren und Verletzungen oder weil sie aus anderen Gründen nicht spielberechtigt waren) tatsächlich eingesetzt wurden. Die folgende Grafik zeigt also, wie viel Prozent der maximal möglichen Einsatzminuten die einzelnen Akteure bewerbsübergreifend in Pflichtspielen absolviert haben:
(Beim Klick auf einen Punkt öffnen sich Name, Alter und Spielzeit der jeweiligen Spieler)
Auch hier zeigt sich im Falle des TSV Hartberg ein Zuwachs. Gehörten in den Jahren zuvor Spieler wie Lukas Fadinger oder Michael Steinwender zumindest zum erweiterten Stamm, waren es in den letzten beiden Jahren Christoph Lang und Fabian Wilfinger, die im Prinzip zur ersten Elf gehör(t)en. Außerdem gewähren die Hartberger insgesamt mehr jungen Spielern mehr Einsatzzeit. Die Oststeirer profitieren aber auch von Leihspielern, insbesondere in der laufenden Saison, welche die Statistik nach oben schrauben. Aktuell zahlen mit Justin Omoregie, Raphael Hofer, Furkan Demir und Elias Havel deren vier auf das "Minuten-Konto" ein.
Wer setzt auf ÖFB-Talente? Die Einsatzzahlen aller Klubs im Detail >>>
Dass junge Spieler auch eingesetzt werden, muss der Klub auch wollen. "Möglicherweise fehlt bei manchen Entscheidungsträgern in den Vereinen ein wenig das Vertrauen in die eigenen Talente", heißt es vonseiten des ÖFB. In den Ausbildungsstätten selbst muss aber auch das Richtige gemacht werden.
Christian Gratzei, seit kurzem Head of Football Operations beim LASK, ist ganz nah an den Akademien dran: "Ich sehe sehr viele Spiele, weil mein Sohn selbst in der Akademie spielt. Dort ist es so, dass sehr viele einen sehr ähnlichen Spielstil praktizieren. Die Frage ist immer: Inwieweit braucht das dann die Kampfmannschaft oben raus und was bringt der Spieler dann mit?" Es sei da und dort dann einfacher, dass der Verein auf jemanden von außen zurückgreift.
Der Beste sein wollen
Sturm Graz' Michael Parensen ist zwar noch nicht so lange da, hat sich aber bereits ein erstes Bild gemacht. Er meint: "Durch internationale Transfers werden Talente möglicherweise in ihrer Weiterentwicklung ein wenig gehemmt." Damit spricht er auch schon die Gründe bei seinem eigenen Klub an. Denn sein Vorgänger Andreas Schicker hat dieses Modell in seiner Zeit in Graz erfolgreich etabliert und Sturm durch Transfers, zum Leidwesen junger Österreicher, einen Millionenregen beschert.
Im Vergleich zu Hartberg zeigt sich bei Sturm der genau umgekehrte Effekt. Dort nahmen die Anzahl wie auch die Einsatzzeiten unter 22-jähriger Österreicher in den letzten Jahren sukzessive ab. Mit Leon Grgić hat man in dieser Saison lediglich einen rot-weiß-roten Youngster, der zumindest ein wenig Spielzeit bekommt. Zwar wurde auch Konstantin Schopp eingesetzt, er absolvierte aber nur eine einzige Einsatzminute beim 0:2 in der Champions League gegen Sporting Lissabon.
Auswertung: So viel Einsatzzeit bekommen die ÖFB-Talente bei den Klubs >>>
Das sind einige strukturelle Gründe bei den Vereinen. Die Gesellschaft spielt, das merken mehrere Sportdirektoren an, auch eine Rolle. Weniger Bewegung, weniger Biss, das sind außerhalb Themen, die man jüngeren Generationen vorwirft.
Im Fußball hilft diese Erkenntnis wenig, geht es doch nur um Leistung, so wie es FAK-Sportdirektor Manuel Ortlechner formuliert: "Ich sage jedem jungen Spieler, egal auf welcher Ebene: Es reicht nicht, wenn du bei Austria Wien beispielsweise in der U16 nur spielst und am Ende des Tages in der Bewertung nur der Sechstbeste bist. Du wirst ja wohl nicht glauben, dass du dann Profi werden wirst."
Problemfelder erkennen....
Ganz aus der Verantwortung darf man die Kicker selbst nicht nehmen, wie auch der ÖFB sagt: "Es setzen sich nicht immer nur die durch, die das größte Talent haben, sondern die, die bereit sind, mehr zu investieren und Widerstände überwinden, die Extrameile zu gehen."
Und wie steht es um den heimischen "Biss" dabei? Sind Spieler aus anderen Ländern hungriger? "Natürlich gibt es Länder, wo der Fußball nahezu die einzige Möglichkeit darstellt, um wirtschaftlich erfolgreich zu sein und den gesellschaftlichen Aufstieg zu schaffen", so der ÖFB.
Eine Schlüsselrolle im Gesamtsystem hat der Trainer der Kampfmannschaft, der die talentiertesten jungen Spieler dann wirklich auch einsetzt.
Immerhin reagiert man auf die neuen Zeiten mit Ideen. Unter den Akademien gibt es nun die Nachwuchszentren, die auf regionaler Ebene spielen, wo es auch zu erfüllende Anforderungen gibt: "Besser ausgebildete Trainer und bessere Infrastruktur machen auch die Talente besser. Es braucht jetzt in allen Bereichen mehr Hauptberuflichkeit und eine größere Anzahl an Fachleuten."
… den Ball zurückspielen...
Bei einigen Punkten sieht der Verband die Vereine in der Verantwortung. Das Geschäftsmodell, Legionäre zu verkaufen, spiele dabei eine Rolle, genauso wie die Geduld der Spieler selbst. Natürlich gehen auch viele früh ins Ausland und wollen – wie Christoph Baumgartner – über eine U19 oder U23 in Deutschland Fuß fassen.
Gibt es eine Handhabe? "Die Transferpolitik der Klubs liegt nicht in unserer Hand", heißt es daraufhin logischerweise, dass es immer verschiedene Geschäftsmodelle geben wird, "liegt in der Natur der Sache." Dennoch gilt: "Eine Schlüsselrolle im Gesamtsystem hat der Trainer der Kampfmannschaft, der die talentiertesten jungen Spieler dann wirklich auch einsetzt."
… und Dinge vorantreiben
Der ÖFB hinterfragt dennoch selbstkritisch, wie die Talente vonseiten des Verbandes bestmöglich ausgebildet werden können, schreibt man zumindest abschließend. Ein Beispiel: "Um die Lücke zu den Top-Nationen weiter zu schließen, haben wir vor eineinhalb Jahren das ÖFB-Ausbildungskonzept für das Alterssegment von 10 bis 14 Jahren implementiert, damit unsere Spieler auch individuell-technisch noch besser werden."
Die Antwort auf die Ausgangsfrage ist keine einfache. Ein Lösungsansatz ist aber offenbar schon der Mut: Also dass sich die Vereine trauen, den jungen Kickern eine Chance zu geben und diese sich der Aufgabe stellen.
VIDEO: Trummers Vorgänger - Öst. Bundesliga-Debütanten im Salzburg-Trikot