Schon mit dem VfL Wolfsburg hätte man beim SKN St. Pölten Großes vorgehabt. Nach drei Jahren Kooperation und letztendlich ausbleibendem Erfolg war im Frühjahr 2024 aber endgültig Schluss - für die Niederösterreicher keine einfache Situation, eine Lösung und vor allem Geld musste her.
So kam "FC32" ins Spiel: Seit Ende Mai hält das Unternehmen um den Australier Paul Francis - inzwischen auch Vizepräsident der "Wölfe" - 49 Prozent des Vereins. Im Fußball ist der 49-Jährige ein unbeschriebenes Blatt, hat sich aber unter anderem als Manager für Produktentwicklung bei Nike und leitender Sportwissenschaftler bei Adidas ein finanziell gut aufgestelltes Netzwerk erarbeitet, das seine Pläne mitträgt.
Europacup in St. Pölten
Und die sind groß: Erst vor wenigen Tagen attestierte er St. Pölten die Kapazität für ein Spitzenteam in Österreich, mit der richtigen Einstellung könne man langfristig auch in Europa mitspielen. Mithelfen sollen dabei auch andere Vereine aus dem derzeit noch kleinen FC32-Portfolio. Kolportierte Übernahmen der Newcastle Jets (Australien), der AC Bellinzona (Schweiz) oder Salernitana (Italien) kamen nicht zustande, über mehrere Monate war der SKN überhaupt alleine.
Ende Oktober war es dann aber soweit: Mit dem Cobh Ramblers FC aus Irland hat St. Pölten eine Art Schwesterklub. 90minuten hat nachgefragt, was man sich auf der Insel von der Partnerschaft erwartet.
Für den Aufstieg gerüstet
Der Verein aus dem Süden des Landes wurde 1922 gegründet. Große Erfolge hat man nicht vorzuweisen - Roy Keane hat seine Karriere hier begonnen, darauf ist man schon stolz. Mit wenigen Ausnahmen war Cobh über die letzten Jahrzehnte ein Zweitligist, das soll sich jetzt ändern.
"Bis jetzt war das alles eigentlich wirklich positiv, Cobh hat sich von einem optimistischen zu einem wirklich ernstzunehmenden Aufstiegskandidaten entwickelt", berichtet der irische Journalist Dylan O’Connell. Mitte Februar startet die Ganzjahresmeisterschaft, einige Verstärkungen sind schon eingetroffen. Shane Griffin kam von Irlands Meister Shelbourne, dazu der Kapitän des Zweitligasiegers Cork City, Cian Coleman. "Der Klub hat die Stimmung enorm gehoben, weil mehrere Neuzugänge von angesehenen Teams verpflichtet wurden", meint O'Connell.
Über die letzten Jahre wurden fünf Profivereine von Investoren übernommen. Finanzielle Unterstützung war notwendig, das hat Cobh offen kommuniziert.
Volle Übernahme
Anders als in St. Pölten gehört der Verein nicht mehr mehrheitlich den Mitgliedern, sondern voll und ganz FC32. Was in Österreich gar nicht möglich ist, lässt sich in Irland fast nicht mehr vermeiden: "Die Kosten, um einen Verein zu betreiben, sind gestiegen, deshalb gab es einen Domino-Effekt. Über die letzten vier Jahre wurden fünf Profivereine von Investoren übernommen. Finanzielle Unterstützung war notwendig, das hat Cobh auch offen kommuniziert", erklärt O’Connell.
Trotzdem - das wurde über die letzten Monate immer wieder betont - soll die Identität des Vereins erhalten bleiben. Bis dato gibt es an den neuen Eigentümern nichts auszusetzen: "Sie haben sichergestellt, dass das Team auf ein starkes Fundament aus Spielern aus der Gegend setzt."
Wie steht es um Spielertransfers?
Sportlich bleiben noch Fragen offen. Die "Pipeline", die sich Paul Francis und Co. für die Entwicklung junger Talente vorstellen, braucht wohl noch den einen oder anderen Baustein.
"Ich kann mir ein Szenario vorstellen, in dem Spieler nach dem Aufstieg an Cobh verliehen werden, um sich an die physische Intensität zu gewöhnen. Das kann man hier recht gut, deswegen gelingt vielen Spielern auch der Wechsel in das Vereinigte Königreich", meint O'Connell gegenüber 90minuten.
Beispiele für Transfers zwischen Irland und Österreich gibt es kaum - Tobias Kainz, Lukas Schubert und Alexander Kogler sind einige Ausnahmen. Umgekehrt gibt es im Cobh-Kader aktuell wohl keinen Spieler, der St. Pölten verstärken kann. Auch in der Jugendarbeit wäre noch Luft nach oben: Gabriel Otegbayo, aktuell bei Sheffield Wednesday unter Vertrag, ist das größte Talent der letzten Jahre.
Viel Potenzial nach oben
In diesem Bereich hinkt St. Pöltens Kooperationspartner klar dem Nachbarn Cork City hinterher, aus dessen Nachwuchs England-Legionäre wie Jake O'Brien, Mark O'Mahony und Franco Umeh-Chibueze stammen.
Sollte Cobh Cork hier mittelfristig den Rang ablaufen können, wird das Projekt erst richtig interessant. Vorgezeigt, welches Niveau irische Vereine erreichen können, haben 2024/25 die Shamrock Rovers in der Conference League, die Rapid ein Remis abgerungen und auf einem Playoff-Platz überwintert haben.
Auch Dylan O'Connell sieht die Zukunft der Ramblers positiv: "Wenn sie es gut anlegen, können sie aufsteigen und sich in der Premier Division etablieren. Im Süden Irlands ergibt sich gerade die Gelegenheit für einen Verein, einen großen Schritt nach vorne zu machen. Cork City ist in vier Jahren zweimal abgestiegen. Cobh steht unter viel weniger Druck, kann Dinge ausprobieren und etwas wirklich Besonderes aufbauen."
Davon würde dann auch der SKN St. Pölten - in welcher Form auch immer - mit Sicherheit profitieren.