"Ciao Fußball, ich mach was ganz anderes"

"Ciao Fußball, ich mach was ganz anderes"

Im Fußball gibt es viele Betätigungsfelder nach der aktiven Karriere. Das ist aber nicht für alle etwas. 90minuten lässt bekannte Namen erzählen, wie sie zur Entscheidung kamen, das Geld nicht mehr mit dem runden Leder zu verdienen.

Nicht jeder will sein ganzes Leben dem Fußball widmen, auch wenn er jungen Männern ansonsten viel ermöglicht. Der eine wird Physiotherapeut, der nächste Künstler und wieder ein anderer hat überhaupt ein Hotel.

Die Gründe, warum sie dem Fußball als Spieler, Trainer oder Funktionär den Rücken kehren, sind sehr unterschiedlich.

Und auch die Bewertung, ob es dieses Kribbeln, den Kick, alle paar Tage gefordert zu sein, auch braucht, fällt differenziert aus.

90minuten hat mit ehemaligen Fußballern gesprochen und lässt sie aus Ihrer Sicht erzählen, wie sie auf die Karriere zurückblicken und wann sie wussten, dass sie etwas anderes machen wollen.

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Florian Metz – 39

u.a. Austria Wien, LASK - heute Physiotherapeut

Florian Metz arbeitet als Physiotherapeut, hat mit dem Fußball noch ein bisschen etwas zu tun
Foto © GEPA
Florian Metz arbeitet als Physiotherapeut, hat mit dem Fußball noch ein bisschen etwas zu tun

"Leider musste ich meine Profikarriere bereits mit 27 beenden. Dennoch habe ich viele schöne Erinnerungen gesammelt – auch wenn es einige Rückschläge gab. Ich bin mit 13 Jahren vom SC Zwettl zur Austria gegangen. Hätte mir da jemand gesagt, dass ich über 100 Bundesliga-Spiele bestreiten, österreichischer Meister werden und dreimal den Cup gewinnen würde, hätte ich das sofort unterschrieben."

"Medizin und Sport waren durch mein Elternhaus schon immer ein Teil meines Lebens. Durch meine eigenen Verletzungen und die damit verbundene Physiotherapie ist mein Interesse daran weiter gewachsen. Deshalb habe ich in Wien Physiotherapie studiert, danach bei Austria Wien gearbeitet und bin nun seit fast vier Jahren selbstständig im Team Sporttherapie Wien."

"Mittlerweile bin ich seit fast zehn Jahren als Physiotherapeut tätig und habe erneut meine Leidenschaft zum Beruf gemacht. Fußball bleibt meine große Passion, und zum Glück kann ich weiterhin eng mit vielen Fußballern zusammenarbeiten – sei es in der individuellen Betreuung in der Praxis oder im Teamsetting beim ÖFB Nachwuchs."

"Ich genieße aber definitiv die freie Zeiteinteilung – nicht mehr an Trainings- und Spielpläne gebunden zu sein, ist für das Familienleben ein großer Vorteil. Außerdem stehe ich nicht mehr unter dem öffentlichen Druck, der mich während meiner Karriere phasenweise stark belastet hat."


György „Gyuri“ Garics – 41

u.a. Rapid, Napoli, Darmstadt - heute Hotelier und Geschäftsführer von Padbol Österreich

György Garics mit Bezirkspolitiker Alexander Nikolai und Heinz Palme bei der Eröffnung eines Padbol-Platzes
Foto ©
György Garics mit Bezirkspolitiker Alexander Nikolai und Heinz Palme bei der Eröffnung eines Padbol-Platzes

"Ich bin 1984 in Ungarn unter dem Kommunismus auf die Welt gekommen. Es macht mich stolz, dass ich mit Rapid Meister und Champions-League-Teilnehmer war, Österreich aus Staatsinteresse eingebürgert hat. Ich habe über Jahre in Topligen gegen Weltmeister gespielt, in meinem Lieblingsland Italien und auch in Deutschland."

"Die meisten werden ja abserviert. Das wollte ich nicht. Man weiß ja nicht, wann man den letzten Vertrag unterschreibt. Und ich bin so erzogen worden, dass es ein Leben nach dem Fußball gibt. Ich habe also schon früh in Immobilien investiert, das geht gut neben der Karriere. 2012 war ein Sportzentrum in Neapel mein erstes Projekt, 2016 habe ich ein kleines Boutique-Hotel an der Amalfiküste gekauft. Heute bin ich zudem Geschäftsführer von Padbol Österreich."

"Mit dem Fußball habe ich schon lange abgeschlossen, ich spüre da eine traurige Nostalgie wegen meines Vaters. Beim Abschiedsspiel von Steffen Hofmann und bei einem Legendenspiel von Bologna gegen Real Madrid habe ich noch gespielt, aber das Kribbeln ist weg."

"Mit 32 Jahren habe ich nach dem Tod meines Vaters nach meiner zweiten Europameisterschaft 2016 einen Schlussstrich gezogen. Ich habe seitdem beim Abschiedsspiel von Steffen Hofmann gespielt und einmal habe ich mit Bologna gespielt, mit einem Allstarspiel, gegen Real. Ich verfolge meine Ex-Klubs, aber das Kribbeln ist weg. Das habe ich, wenn ich mit großen Konzernen über Verträge verhandle."

Florian Sturm - 42

u.a. Rapid, Innsbruck, Ried - heute mit eigener Agentur Allianz Partner

Florian Sturm, hier mit Ex-Kollege Markus Pürk, ist in die Versicherungsbranche "reingerutscht"
Foto © GEPA
Florian Sturm, hier mit Ex-Kollege Markus Pürk, ist in die Versicherungsbranche "reingerutscht"

"Im Nachhinein gesehen hatte ich eine spannende Karriere. Ich habe mit 16 in der Bundesliga debütiert, das Highlight war der Meistertitel mit Rapid. Ich wäre lieber länger wo geblieben, sesshaft geworden. Am Ende kamen dann einige Verletzungen dazu. Es hätte erfolgreicher sein können, aber wie viele Junge wünschen sich Profi oder gar Meister zu werden?"

"Meine Karriere habe ich dann mit 30 Jahren bei der Vienna beendet. Ich bin das erste Mal Papa geworden und meine Motivation war weg. Wenn du bei Rapid erfolgreich warst und dann spielst du vor 300 Leuten in Lustenau, ist es Zeit, aufzuhören. Welche Ziele hat man denn da noch?"

"Während der Karriere glaubt jeder, dass er im Fußball bleibt. Aber so viele Jobs gibt’s da gar nicht, vor allem nicht die, von denen man leben kann oder mit denen man wirklich glücklich wird. Trainer wollte ich nicht sein. Durch Zufall bin ich in die Versicherungsbranche reingerutscht. Man beginnt ohne Ausbildung, dann wird man Versicherungskaufmann und heute bin ich auch Vermögensberater."

"Aber es ist schon nicht einfach, wenn du als junger Spieler mehr verdienst als die eigenen Lehrer. Die Fußballwelt ist schon eigen. Man wird angehimmelt, aber man darf nicht denken, dass das ewig so dahin gehen wird. Viele ehemalige Profis finden nach der Karriere nicht gleich den perfekten Job und verdienen nicht mehr das, was sie vorher gewohnt waren. Im Optimalfall hat man ein bisschen vorgesorgt, davon kann man aber auch nicht ewig zehren. Jetzt kann ich wieder durch Leistung mein Einkommen bestimmen, das taugt mir. Ich bin sehr erfolgreich."


Wolfgang Mair – 45

u.a. Tirol Innsbruck, Pasching, Salzburg, Austria - heute Künstler und Designer

Als "Kowalski" ist Wolfi Mair heute Künstler
Foto © LAOLA1
Als "Kowalski" ist Wolfi Mair heute Künstler

"Meine Karriere war, glaube ich, ganz ok. Ohne meine zwei Kreuzband-Operationen hätte ich wahrscheinlich mehr Bundesligaspiele, aber Verletzungen sind nun mal 'part of the game'. Ich durfte in den höchsten drei Ligen Österreichs Titel gewinnen, war dreimal Bundesliga-Meister mit dem FC Tirol, habe mit Wacker die zweite Leistungsstufe gewonnen, war Westliga.Meister mit Liefering - auch die Relegationsspiele um den Klassenerhalt (mit der Vienna) und dem Aufstieg (mit Lieferung) gingen positiv aus. Darüber hinaus durfte ich einige internationale Spiele gegen interessante Vereine spielen und im Nationalteam auflaufen."

"Als Schüler war mein Ziel Interieurdesign zu studieren. Dann kam coolerweise der Fußball dazwischen, aber ich habe mich auch während meiner Sportkarriere gerne kreativ beschäftigt. 2014 habe ich eine Lehre als Grafiker und Medien-Designer gemacht und seit Ende 2016 bin ich selbstständig."

"Auch wenn es auf den ersten Blick sehr konträr wirkt, gibt es aus meiner Sicht nicht viel Unterschied zu den Tugenden, die auch als Profi wichtig waren. Talent ist nett, aber nur eine gute Arbeitsmoral, Konsequenz und stetiger Weiterentwicklung bringt einen auch wirklich weiter."

"Am jetzigen Leben schätze ich die selbstbestimmte Zeiteinteilung. Das ist sicher ein großer Luxus, genauso wie, dass ich von meiner Kunst leben kann. Das ist sehr erfüllend."


Rene Aufhauser – 48

u.a. GAK, Salzburg, dann Trainer - heute Akupunkturmasseur

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"Ich war sowas wie ein Spätstarter oder Quereinsteiger, weil ich nicht in einem Leistungszentrum war, sondern von einem Regionalligaverein in die Bundesliga kam. So hatte ich als Spieler 18 wunderschöne und erfolgreiche Jahre, für die ich extrem dankbar bin. Ich kann wertschätzen, dass ich mein Hobby zum Beruf machen konnte."

"Danach war ich Co- und später Cheftrainer. Das Ende kam überraschend und ich musste mich erst zurechtfinden. Der Entschluss, das zu machen, was ich jetzt mache, ist erst in dieser Zeit gereift und ich bereue es überhaupt nicht. Es ist wichtig, etwas zu finden, das einem Spaß macht, mit dem man sich identifizieren kann und dass das locker von der Hand läuft. Mit der Akkupunkturmassage habe ich dasselbe Gefühl wie beim Fußball und empfinde eine innere Zufriedenheit."

"Jetzt habe ich auch mehr Zeit für die Familie, der Rhythmus ist weniger intensiv, die Taktung mit zwei Spieltagen pro Woche ist weg. Die Freizeit ist schon super, man ist jedes Wochenende frei, das war früher nicht der Fall. Ob das jetzt besser oder schlechte ist, will ich gar nicht beurteilten."

"Ich habe es damals genossen und geliebt, dass man so viel spielt, dass die Schlagzahl hoch ist und man alle paar Tage gefordert ist. Früher war ich auf dem Highway, heute auf der Landstraße. Es hat beides seinen Reiz."


Ewald Brenner – 49

u.a. GAK, LASK, Ried - heute Projektbetreuer in der Baubranche

Ewald Brenner als Co-Trainer von Oliver Glasner. Heute ist er in der Baubranche
Foto © GEPA
Ewald Brenner als Co-Trainer von Oliver Glasner. Heute ist er in der Baubranche

"Ich war in der glücklichen Lage keine schweren Verletzungen erlitten zu haben, deshalb durfte ich ca. 15 Jahre meinem 'Hobby' nachgehen. Dabei habe ich viele tolle Menschen und Persönlichkeiten auf und abseits des Platzes kennengelernt. Es war schon ein Highlight mit Weltstars wie Hugo Sanchez oder Thomas Häßler zu trainieren und zu spielen.  Dazu kamen noch internationale Auftritte, wie bei der AS Monaco. Das war immer etwas Besonderes. Außerdem durfte ich mit zwei verschiedenen Vereinen den Aufstieg feiern, den Vizemeistertitel erringen und als krönenden Abschluss mit dem Cupsieg meine aktive Profikarriere beenden."

"Nach Bekanntgabe, dass mein Vertrag in Ried (Anm.: 2015) nicht mehr verlängert wird, habe ich mir Gedanken gemacht, wie ich mein weiteres Leben gestalten will. Für mich war klar, dass ich noch weiter dem Fußball treu bleiben will, aber nebenbei einen beruflichen Weg einschlagen möchte. Dann hat es sich ergeben, dass ich beides verbinden konnte. Willi Prechtl (Geschäftsführer einer Bauträgerfirma und zugleich Hauptsponsor eines Vereines in der Oberösterreichliga) kam auf mich zu und bot mir an, in seiner Firma als Projektbetreuer zu arbeiten. Das war mein Einstieg in die Branche des Bauträgers, in der ich bis heute tätig bin."

"Am Anfang war es dann schon schwierig, da man sich in der Privatwirtschaft neu beweisen und sich etablieren muss. Es hilft natürlich, wenn die Leute einen erkennen, aber im Grunde zählt dann nur die Leistung und diese wird auch bewertet. Somit ist es ähnlich wie im Sport, dass du deine 'Leistung' bringen musst, damit du in der Firma eine Zukunft hast. Der Vorteil in der Privatwirtschaft ist aber, dass gemachte Fehler nicht am nächsten Tag in der Zeitung stehen und alle davon wissen."

"Jede Phase in meinem Leben hat seine guten und schlechten Zeiten gehabt. Es gab und gibt immer wieder neue Herausforderungen im Alltag, die bewältigt werden müssen. Seien es private oder berufliche. Der einzig große Vorteil ist, dass ich jetzt in den Urlaub fahren kann, wann ich will und nicht nur in der Sommer- und Winterpause. Ich würde nicht sagen, dass mein Leben jetzt besser ist als zuvor."


Franz Wohlfahrt – 60

u.a. Spieler bei Austria Wien, VfB Stuttgart, Sportchef FAK und Admira - heute selbstständig im Golfbereich

Franz Wohlfahrt fängt keine großen Bälle mehr, sondern schlägt auf kleine ein
Foto © GEPA
Franz Wohlfahrt fängt keine großen Bälle mehr, sondern schlägt auf kleine ein

"Die Funktionärskarriere war nicht so ultralang, ich war drei Jahre lang bei Austria Wien, ein Jahr bei der Admira und danach Berater in Oberwart. Die von mir selbst gesteckten Ziele habe ich erreicht. Die Austria war Vizemeister und in der Europa-League-Gruppenphase vertreten. Das haben wir geschafft. Aber es kommt im Fußball eben wie es kommt. Die Jobs sind natürlich nicht leicht, aber sowohl bei der Austria, als auch der Admira war es so, dass die Entscheidung von den Klubs ausging. Bei der Austria wurde es nach meinem Weggang wirtschaftlich schwierig, die Admira ist abgestiegen. Aber ich sage nicht, dass ich alles richtig gemacht habe."

"Im Fußball gibt es nur eine begrenze Anzahl an Jobs, ich bin 60 Jahre alt geworden, es kommen Jüngere nach, die übernehmen wollen. Ich war zuerst in der Spielerberatung tätig, das war nicht so mein Ding. Es war mir irgendwann klar, dass es außerhalb des Fußballs weitergehen soll. Derzeit baue ich mir ein Standbein im Golf auf, ich organisiere Turniere und arbeite mit Unternehmen zusammen. Man darf bis zur Pension arbeiten und ich bin keiner, der sich auf die Pension freut."

"Der Unterschied zwischen Fußball und Golf ist die Erwartungshaltung. Im Fußball gibt es Untergriffe, Eifersüchteleien, vor allem im eigenen Klub. Wenn 50 Leute auf der Tribüne reden und sie haben 50 Meinungen, wird es unlustig. So war das bei der Austria – aber nicht nur bei mir, sondern auch bei anderen, bei Prohaska, bei Toni Polster oder Peter Stöger: Menschen, die in der Wirtschaft erfolgreich sind, wollen einem den Fußball erklären."

"Für mich ist es jetzt ruhiger. Beim Golf sind alle Menschen glücklich, sie spielen für sich, wer einen Fehler macht, ist selber schuld. Es ist ein komplett anderes Leben, aber ich habe die Anspannung als Funktionär schon genossen."


VIDEO: Die Prognose zur Qualifikationsgruppe

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