Barisic reagiert schlecht: Rapid bekommt Holzhauser nicht in den Griff

Durch den Wechsel von Raphael Holzhauser konnte Gerald Baumgartner die Wiener Austria gegen Rapid auf die Siegerstraße bringen. Die Hütteldorfer unter der Führung von Zoran Barisic hingegen fanden kein adäquates Mittel, auf die Umstellung der Veilchen in

 

(Hinweis in eigener Sache: die Screenshots für die taktische Analyse wurden uns vom ORF freundlicherweise zu Verfügung gestellt)

 

Der Fußball schreibt scheinbar immer die gleichen Geschichten. Zumindest am Verteilerkreis scheint dies in jüngerer Vergangenheit der Fall zu sein. Nach zwei Niederlagen in Serie war Austria-Trainer Gerald Baumgartner wieder unter maximalem Beschuss. Da kommt das Wiener Derby genau zum richtigen Zeitpunkt, um dem Ganzen die Extraportion Brisanz zu geben.

 

Austria beginnt in 4-1-4-1-Spiegelformation

Beide Mannschaften starten sehr unruhig in die Partie wobei die Austria nominell in einer 4-1-4-1-Spiegelformation begann, in der Holland, Serbest und Grünwald im Mittelfeld das klassische 4-2-3-1 der Gäste „spiegelten". Einem Sechser und zwei Achter/Zehner bei der Austria standen zwei Sechser und ein Achter/Zehner bei Rapid gegenüber. Dem jungen Serbest schien dabei eine besondere Rolle zuzukommen, da er potenziell Überzahl im Mittelfeld herstellen hätte können. Jedoch kam der 20-jährige nie so wirklich in die Partie hinein und obwohl er ein paar gute Szenen hatte, waren diese meist unter Bedrängnis. Eine dieser Szenen konnte das Eigengewächs der Akademie dann nicht gut genug lösen und leitete dadurch den Führungstreffer der Gäste ein. Baumgartner reagierte und brachte nach 28 Minuten Raphael Holzhauser und stellte Rapid dadurch vor große Probleme.

 

Doch alles der Reihe nach: Es ist bei der Austria kein Geheimnis mehr, dass die Mannschaft von Gerald Baumgartner sehr ballorientiert verschiebt und dadurch in Ballnähe immer sehr kompakt steht. Dadurch zwingt man aber auch zwangsläufig den Gegner dazu, mehr Spieler in Ballnähe zu beordern. Andererseits möchte die Mannschaft von Zoran Barisic gar nicht gerne kompakt stehen, sondern beackert am liebsten die Flügel. Dadurch entstanden beim Derby sehr komische Staffelungen, die das Mittelfeld der Wiener Austria, allen voran Raphael Holzhauser gut bespielte, wie auf Bild 1 & 2 zu sehen ist:

 

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Bild 1 & 2: Hier kann die Austria das Spiel schnell und einfach verlagern und findet auf der anderen Seite ein auseinandergezogenes Mittelfeld, bei dem vor allem der Raum zwischen den Linien leicht zu bespielen ist.

 


Ein paar Beispiele für die Freiheiten von Raphael Holzhauser, die das Spiel mitentschieden haben:

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Rapids Probleme vergleichbar mit jenen von Marcel Koller

Rapids Probleme waren bis zu einem gewissen Punkt vergleichbar mit denen von Marcel Koller im Spiel gegen Russland, auch dort konnten sich die Russen ein Übergewicht im Mittelfeld erspielen, doch Teamchef Koller wusste hervorragend zu reagieren und konnte dem Ganzen durch Abkipp-Verbot für Ilsanker und einrückende Bewegungen in eben jenes Zentrum durch die beiden Außen Arnautovic/Harnik entgegenwirken. Es hätte auch durchaus andere Wege gegeben, das Mittelfeld der Austria zu neutralisieren: beispielsweise lose Manndeckungen oder eine tiefere Postionierung von Steffen Hofmann. Doch Rapid konnte das Problem zu keinem Zeitpunkt in den Griff bekommen. Eine Situation die das veranschaulicht ist folgende:

 

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Bild 3 – Kainz hält Breite

 

Holzhauser macht sich klar bemerkbar und steht tatsächlich ziemlich frei. Florian Kainz müsste hier durch ballorientiertes Verschieben in den Dunstkreis von Holzhauser kommen und ihn dadurch aus dem Spiel nehmen. Stattdessen scheint es so, als wären die Außen bei Rapid immer ein wenig verängstigt davor, die Außenbahn zu verlassen, weil diese im System von Barisic scheinbar immer besetzt sein müssen. Im Laufe der zweiten Halbzeit näherte sich Kainz zwar immer weiter Holzhauser an, doch erreichte ihn nie (siehe Bild 4).

 

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Bild 4 – Kainz nähert sich, Holzhauser hat jedoch weiterhin genug Platz zum Drehen.

 


Kein Interesse am Spielaufbau
Ansonsten schien es, als ob keine der beiden Mannschaften Interesse daran hatten, einen gepflegten, kontinuierlichen Spielaufbau zu pflegen. Bei der ersten Gelegenheit wurde der Ball sofort nach vorne gebolzt, weshalb auch beide Teams auf eine unterirdische Passquote von 65% kamen. Doch das schien keinen zu stören. Für Rapid und Austria war das Risiko den Ball zu verlieren anscheinend zu groß. Wenn beide Mannschaften dann das Spiel machen mussten, konnte man beobachten, wieso sie es in erster Instanz ablehnten.

 

Die Austria hatte zunächst die bereits sehr bekannte Problematik mit den schlecht eingebundenen Außenverteidigern. Durch die breite Positionierung der Innenverteidiger Rotpuller und Shikov, sind die beiden Außenverteidiger eigentlich in einem sehr günstigen Winkel anzuspielen. Doch das Ganze ist wertlos, wenn diese leicht anspielbaren Außenverteidiger dann wenig bis gar nicht ins Spiel eingebunden sind. Dieses Problem hatte man vor allem gegen den WAC schon zum Frühjahrsauftakt, als Shikov unzählige Male Koch anspielte, dieser aber komplett isoliert den Ball gegen zwei, drei Gegenspieler behaupten musste.

 

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Bild 5 – Suttner isoliert im Spielaufbau

 

Während zu Beginn Serbest noch rechts diagonal auskippte und Sikov dadurch in eine angenehmere, zentrale Position brachte, so änderte sich dies mit der Hereinnahme von Holzhauser ebenfalls. Dieser kippte nämlich entweder zwischen die Innenverteidiger oder nach links diagonal. So landete der langsame Vance Shikov immer auf der rechten Seite, was dem Spielaufbau nur bedingt gut tat.

 

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Bild 6 – Shikov auf im rechten Halbraum

 

Was das eigene Pressing anging, so scheint der Austria in den Krisenwochen vieles an Abstimmung abhanden gekommen zu sein. Wie schon gegen den WAC konnte man schlecht abgestimmtes Anlaufen der Innenverteidiger sehen, die wie in der Szene von Grünwald ins Zentrum gelenkt werden, dort aber wiederum wenig Druck bekommen.

 

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Bild 7 – Schlechtes Pressing der Austria

 

Rapid fühlte sich selber aber auch sehr unwohl bei eigenem Spielaufbau und spielte sofort den langen Ball, wenn auch nur die geringste Gefahr bestand, gepresst zu werden.

 

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Bild 8 – Angst vor Pressing führt zu vielen langen Bällen wie in der Szene von Sonneleitner.


Das führte wahrscheinlich auch dazu,dass die Wiener Austria in der zweiten Halbzeit dann nicht mehr vorne presste, sondern immer öfter den Gegner in einer passiveren Staffelung erwartete:

 

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Bild 9 – Austria abwartend im 4-1-4-1 in der 2. Halbzeit.

 

Dadurch kam ein anderes, altbekanntes Problem der Rapidler zum Vorschein: die extrem tiefe Positionierung der Verteidiger. Meist geben die Innenverteidiger nämlich den Ball an einen Sechser ab, der sich fallen lässt, um den Ball zu holen, nur um danach aufzudrehen. Die Innenverteidiger halten dabei konstant eine tiefe Positonierung. Bei gescheiterten Angriffen, kann der Gegner nicht nur die Abwehr im hohen Tempo anlaufen, sondern sich naturgemäß in einem sehr breiten Zwischenlinienraum austoben:

 

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Bild 10 – Zwischenlinienraum frei für klug spielenden Zulechner, dank tiefstehender Abwehr

Trainer Barisic sprach nach dem Spiel zwar von Pech, welches die Niederlage verschuldet hätte, doch neben der mangelnden Fähigkeit Holzhauser zu kontrollieren, schaltete seine Mannschaft so einige Male auch schlecht um, wenn man den Ball verlor.

 

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Bild 11 – Austria kann mit 4 Mann tiefe Rapid Abwehr anlaufen. Unterstützung nicht in Sicht.

 


Offensivfluidität als Schlüssel zum Austria-Erfolg
Das Spiel änderte sich aber auch stark nach der roten Karte gegen Ramsebner. Trainer Baumgartner stellte de Paula auf die Rechtsverteidigerposition und spielte fortan in einem 4-2-3, in der die offensiven Positionen sehr variabel besetzt wurden. Wenn Meilinger mit Zulechner und Grünwald vorne stand, wurde er von Holland und Holzhauser abgesichert. Wenn der sehr agile Holzhauser mal mit nach vorne ging, so ließ sich Meilinger klug fallen und man erreichte dadurch eine schwer zu verteidigende Offensivfluidität, die in der Endphase für die Veilchen in Unterzahl der Schlüssel zum Erfolg war.

 

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Bild 12 – Meilinger und Grünwald unterstützen Zulechner nach dem Ausschluss von Ramsebner.

 

Nach dem Führungstreffer von Vance Shikov stellte Baumgartner ein weiteres Mal um und brachte mit Stronati einen dritten Innenverteidiger und beorderte Zulechner auf die rechte Seite. Das war insofern interessant, weil dieser sehr oft rechts hinten verteidigte und dadurch nicht nur einmal ein extrem defensives 6-3-0 formierte. So konnte man den Sieg schließlich über die Zeit retten, wobei man vor allem beim Lattentreffer der Hütteldorfer noch viel Glück hatte.

 

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Bild 13 – 6-3-0 in der Schlussphase

 


FAZIT: Barisic ohne zündende Idee
Baumgartner konnte das nächste Schicksalsspiel für sich entscheiden. Nach dem leitenden Mittelfeldpressing im letzten Derby konnte er sein Gegenüber Barisic erneut auscoachen, ohne dass der Rapid-Coach adäquat darauf reagieren konnte, auch wenn es dieses Mal aufgrund der extremen Unruhe auf beiden Seiten weniger zur Geltung kam. Die Rapidler wurden wieder Opfer ihres breit angelegten Spiels und mussten dadurch Raphael Holzhauser ein ums andere Mal Zeit und Raum im Zentrum überlassen. Barisic fehlte in dieser Situation die zündende Idee, daran etwas zu ändern. Dazu kam die schlechte Reaktion auf das Überzahlspiel und ein suboptimaler Spielaufbau. Alles in allem war Rapid genau der richtige Aufbaugegner für die Austria: man konnte Selbstvertrauen tanken und durch das Prestige des Wiener Derbys auch viele Fans, die in den vergangenen Wochen leiden mussten, zurückgewinnen.

 

Die Mannschaft zeichnete vor allem ein unbedingter Siegeswille aus, der besonders nach dem Ausschluss von Verlegenheits-Rechtsverteidiger Ramsebner imponierte. Die Vorwürfe, dass Gerald Baumgartner die Mannschaft nicht erreiche oder nicht motivieren könne, dürften damit eindrucksvoll widerlegt sein. Ob dies jedoch für Gerald Baumgartner ausreichend sein wird, um auch in den kommenden Spielen als Austria-Trainer auf der Bank zu sitzen, ist mehr als unklar, denn ein richtiges Bekenntnis zu Baumgartner wollte man sich nach dem Derby-Sieg nicht entlocken lassen.

 

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