Austria-Trainer Baumgartner deckt Rapids Schwächen gnadenlos auf
Der Druck vor dem Derby auf Gerald Baumgartner und die Wiener Austria war groß. Der Austria-Trainer brachte jedoch die Veilchen mit einer interessanten Taktik auf die Siegerstraße. Zoran Barisic fand darauf im gesamten Spiel keine Antwort. Eine Taktik-Ana
Lenkendes Mittelfeldpressing gegen stures Flügelspiel
Es ist allseits bekannt, dass Rapid am liebsten über die Flügel kommt und vor allem die Außenverteidiger müssen unter Barisic ein enormes Pensum abspulen. Im Vergleich zu den Austria Außenverteidigern kommen dabei beeindruckende Daten hervor:
Bild 1 und 2: Im direkten Vergleich sieht man die Rapidler Außenverteidiger nicht nur mehr Platz beackern sondern diesen auch intensiver als Salamon und Stryger.
Trainer Baumgartner nütze diese Konstellation der Grün-Weißen und spielte mit seiner Austria ein geordnetes Mittelfeldpressing, das weniger aggressiv war als man es bisher meistens in dieser Saison sehen konnte. Dabei wurde auf ein bewährtes 4-4-2 gegen den Ball gesetzt, bei dem Grünwald und Damari knapp 10-20 Meter vor der Mittellinie den Gegner erwarteten und den Ball gezielt zu einem der beiden grün-weißen Außenverteidiger lenkten.
Bild 3: Klassisches Mittelfeldpressing im 4-4-2, die Intention der Austria ist klar: man will den Ball auf Pavelic lenken.
Rapid fiel ziemlich blauäugig darauf rein und verlor so vor allem in der 1. Hälfte Ball um Ball, wie diese Grafik zeigt:
Bild 4: Ballgewinne und gewonnene Zweikämpfe der Wiener Austria
Die Wiener Austria kam dadurch nicht nur zu sehr vielen Ballgewinnen. Rapid verzeichnete in der 1. Halbzeit keinen einzigen Schuss auf das Tor von Heinz Lindner. Als Reaktion schoss die Mannschaft von Zoran Barisic die Bälle weit nach vorne, womit der Cheftrainer der Rapidler auch nicht zufrieden war. Das lag dann auch nicht daran, dass seine Mannschaft „die Anfangsphase verschlafen hatte", wie der Trainer auf der anschließenden Pressekonferenz den Journalisten vermitteln wollte. Seine Mannschaft verstand es einfach nicht, gegen den kompakten Block der Wiener Austria Antworten zu finden. Dabei hätte es durchaus welche gegeben: Wie bei jedem kompakten Block aus zwei Viererketten hatte sich auch bei der Wiener Austria Platz zwischen den besagten Linien aufgetan. Dieser wurde von den Rapidlern aber über 90 Minuten fast konsequent ignoriert:
Bild 5: Der Platz zwischen den Linien wäre hier offensichtlich vorhanden gewesen, stattdessen wurde der Ball auf Schrammel verlagert, was wiederum der Austria in die Hände spielte und so erneut in einem Ballverlust mündete.
Die Mannschaft von „Zoki" Barisic versuchte es mit Offensivfluidität gegen die kompakte Formation der Austria. Dadurch gelangte Louis Schaub immer öfters in die zentrale Position. Dabei ließ sich Steffen Hofmann auch gerne mal auf rechts fallen, mit der Intention, für Schaub ein wenig Platz zu schaffen (siehe Bild):
Bild 6: Hofmann weicht aus
Was hier außerdem auffiel: Salamon geriet zwar in Versuchung, Hofmann bei seinem ausweichenden Lauf nach außen zu verfolgen und dadurch lose in Manndeckung zu nehmen. Dennoch hielt er seine Position sorgte dafür, dass die Austria trotz Offensivrochaden des Gegners defensiv so gut stand.
Durch Louis Schaub's einschneidende Läufe eröffnete sich vor allem auch für Außenverteidiger Pavelic Platz. Generell stand der rechte Außenverteidiger der Rapidler immer ein wenig höher als sein Pendant auf der linken Seite, Thomas Schrammel.
Doch auch in dieser Konstellation konnte Rapid nicht wirklich die Lücke zwischen Verteidiger und Mittelfeldspieler der Austria ausnutzen. Hauptproblem hierbei war, dass jeder Spieler, der sich in diesem so vielgenannten Zwischenlinienraum positionieren hätte könnte, stattdessen oft den Weg in die Spitze suchte und sich an den Innenverteidiger der Veilchen bzw. der Abseitslinie orientierte. So wurde zwangsläufig der weite Ball in die Spitze erzwungen, der bekanntermaßen selten zum Erfolg führt. Vor allem Wydra und Petsos konnten einige Male aufrücken, weil sich Steffen Hofmann - in einem weiteren Versuch seiner Mannschaft Leben einzuhauchen - weit zurückfallen ließ. Doch statt dann im freien Raum zu lauern, orientierten sich beide immer wieder an der vordersten Front. Wenn dann mal ein Rapidler sich in den Zwischenlinienraum „verirrte" wurde dieser weiterhin ignoriert (siehe Bild 7).
Bild 7: Hier ist die Austria ein wenig unsortiert und 2-3 Rapidler konnten sich gefährlich in Position bringen.
Außerdem hat Dibon auch viel Platz, um mit dem Ball am Fuß die gegnerischen Stürmer anzulaufen. Stattdessen wird der Ball in dieser Situation zu Tormann Novota zurückgespielt und dann weit auf Kainz geschlagen. Dass dieser aber vereinzelt Platz auf der linken Seite vorfinden, konnte lag auch daran, dass Gegenspieler Gorgon trotz taktischer Ausrichtung ein Spieler ist, der gerne hoch steht und auf den Konter lauert (sogenanntes „Zocken"), dadurch fehlte vereinzelt die Unterstützung für Larsen.
Der erste Treffer fiel dann aber nach einem weiten Ball der Austria, den Rapid zwar erobern konnte, jedoch nur um ihn gleich wieder zu verlieren. Dann war es schließlich Dibon, der nicht mit dem ballnahen Innenverteidiger Stangl die Höhe hielt und ein eventuelles Abseits dadurch aufhob (siehe Bild 8).
Bild 8: Dibon hebt das Abseits auf
Danach kam es zu einer kritischen Phase im Spiel von Rapid, bei der die Arbeit gegen den Ball eine Zeit lang sehr wild wurde. Vor allem Beric schien wild entschlossen zu sein, sich den Ball alleine zu holen und sorgte so für große Abstände zwischen Angriff und Mittelfeld bei Rapid. Währenddessen konnte die Austria weiterhin jeden Angriff der Rapidler nach außen lenken und von dort aus dann leicht erobern:
Bild 9: Mehrere Spieler machen Druck. Rückpassoptionen sind verstellt. Der Ball ist weg.
Barisic reagiert mit risikoreichem 4-1-3-2
Barisic reagierte in der 2. Halbzeit, setzte alles auf eine Karte und brachte Alar für den unsichtbaren Wydra. Dadurch kam es zu einem enorm risikoreichen 4-1-3-2 mit Petsos als einzige Absicherung. Die Mannschaft von Gerald Baumgartner reagierte darauf scheinbar mit einem 4-3-3 gegen den Ball.
Bild 10: Austria mit einem 4-3-3 gegen den Ball
Dieses 4-3-3 wurde von Trainer Baumgartner nicht explizit so angeordnet, wie er 90minuten.at auf der Pressekonferenz verriet, dürfte aber der Erschöpfung von Marco Meilinger geschuldet sein. Rapid hielt weiterhin stur an seiner Flügeltaktik fest und konnte dadurch, dass Alar nicht immer konsequent in die Spitze ging, ein leichtes Übergewicht herausspielen.
Die Austria reagierte darauf und spielte ab der 55. Minute wieder im bewährten 4-4-2 und so verpuffte auch das erhoffte Ass von Trainer Barisic schnell wieder. In dieser flexibleren und vor allem enorm offensiven Formation konnten sie aber beispielsweise auch mit Kainz in die Mitte rücken und so die Lücken der Austria ein wenig besser als im 1. Durchgang beackern.
Bild 11: Die Austria wieder mit zwei sehr schönen Blöcken. Kainz rückt dazwischen.
Zwar bekam Kainz auch hier den Ball nicht zugespielt, doch er öffnete Raum für Beric, der dann eine gute Chance vorfand. Die Rapidler wurden im Lauf der zweiten Halbzeit immer mutiger und trauten sich auch immer mehr in die gefährliche Zone. Doch an diesem Nachmittag wurden alle Spieler, die sich in dieser aufhielten, ignoriert.
Bild 12: Rapid will auf Teufel komm raus über den Flügel durch, dabei steht Kapitän Hofmann so gut...
Doch auch wenn Rapid in der gegnerischen Hälfte weiterhin meistens die falschen Entscheidungen getroffen hat, konnten die Hütteldorfer immer mehr Druck aufbauen. Und auch Dibon traute sich plötzlich den Gegner aktiv anzulaufen, um so eine altbekannte Schwäche des Mittelfeldpressings aufzuzeigen.
Bild 13: Dibon ist an den beiden Stürmern vorbei, spätestens jetzt müssen die zwei Viererreihen der Austria dann reagieren und können nicht weiter im kompakten Block stehen.
Doch es war schließlich die Umstellung von Barisic, die seiner Mannschaft das Spiel kostete, denn der eingewechselte Deni Alar schien nicht so recht zu wissen, ob er bei gegnerischem Ballbesitz vorne mit Beric pressen oder neben Steffen Hofmann absichern sollte. Vor dem 3:0 wechselte der Ballbesitz schnell einige Male von Rapid zu Austria und wieder zurück, schon war Alar ein wenig verloren am Platz, was die Wr. Austria prompt ausnutzte.
Generell war es interessant zu beobachten, dass die Wiener Austria außer bei den drei Treffern nur einen weiteren Schuss auf das gegnerische Tor verzeichnen konnte während Rapid gar nur bei den beiden Toren aufs Gehäuse von Heinz Lindner schießen konnte.
Fazit: Barisic fand kein Gegenrezept
Rapids Stärken sind bekannt. Wenn der gegnerische Trainer diese jedoch so gnadenlos aufdecken kann wie Baumgartner am Sonntag mit seiner Austria, wird es sehr ungemütlich für Trainer Barisic und seine Männer. Barisic und sein Team waren 80 Minuten nicht in der Lage, zu erkennen, wie man das bemerkenswert kompakte und zugleich agile Mittelfeldpressing der Austria knacken könnte, sondern versuchte mit dem Kopf durch die Wand über die Flügel durchzukommen. Dabei wurden offensichtliche Lücken im Zwischenlinienraum ignoriert.
Dass das sture Festhalten an einer Ausrichtung nichts Schlechtes sein muss, konnte man zwei Jahre lang bei jedem Duell der Rapidler gegen Roger Schmidts' Red Bull Salzburg sehen. Denn wenn man in seiner Paradedisziplin so herausragend ist wie Rapid, und der Gegner mit einem ballorientieren Pressing genau da seine Schwachstelle hat, kann man jedem Gegner dadurch sehr wehtun. Wenn der gegnerische Trainer seine Mannschaft aber auf genau diese Paradedisziplin hinweist und sie dementsprechend einstellt, muss man als Trainer andere Lösungen finden.
Deshalb war das 311. Wr. Derby vor allem ein Triumph von Trainer Gerald Baumgartner, der von seiner eigentlichen Philosophie Abstand nahm und dem Erzrivalen aus Hütteldorf dadurch 80 Minuten lang den Schneid abkaufen konnte. Erst ein grober Patzer von Kapitän Lindner machte das Ganze kurz vor Schluss noch ein wenig spannend, doch am Ende war es ein verdienter Sieg der Favoritner.