Starke Austria und Rapids unpassende Spielidee [Spiel-Analyse]
Das Wiener Derby in der 11. Runde der Österreichischen Bundesliga konnte die Wiener Austria für sich entscheiden. Nach der frühen 2:0 -Führung konnte Rapid zwar noch den Anschlusstreffer erzielen, doch mit Ungenauigkeit im Passspiel und Abstimmungsproblemen im Ballbesitz stand man sich lange selbst im Weg.
+ + 90minuten.at PLUS - Eine Spielanalyse von Simon Goigitzer + +
Eigentlich konnten die Vorzeichen für den SK Rapid Wien ergebnistechnisch nicht besser sein. Gegen den Serienmeister FC Red Bull Salzburg erkämpften sich die Hütteldorfer ein Remis und gegen die WSG Tirol gab es einen klaren 5:0-Auswärtssieg. Zudem glänzte die Wiener Austria in ihren beiden letzten Spielen überhaupt nicht. In der Liga verlor man 0:3 gegen den SK Sturm Graz und gegen den FC Villarreal gab es eine 0:5-Blamage. Außerdem muss erwähnt werden, dass die Austria unter Doppelbelastung steht und es nur zwei Veränderungen im Vergleich zur Europa League-Partie gab. Die kürzere Regenerations- und Vorbereitungszeit war jedoch in der ersten Halbzeit kaum zu erkennen.
Austrias Matchplan
Die Wiener Austria spielte in einer 4-3-3-Formation. Vor allem in den Ballbesitzphasen war diese Grundordnung klar zu erkennen. Aus dieser Formation gab es verschiedene Bewegungen, um das Pressing der Hütteldorfer zu überspielen. Einer dieser Bewegungsabläufe, der von Beginn an auffällig war, war das Abkippen des Sechsers in die Innenverteidigung.
Manfred Fischer besetzte die Position des Sechsers und bewegte sich einige Male zwischen die beiden Innenverteidiger. So war es für die Außenverteidiger möglich höher zu schieben, die beiden Achter besetzten das Mittelfeldzentrum. Somit agierte die Austria situativ in einem 3-4-3. Die vorderen drei Stürmer versuchten die Viererkette der Gastgeber zu binden.
Durch das Abkippen des Sechsers konnte die Austria Rapid Wien auch immer wieder herauslocken und Räume im Zwischenlinienraum provozieren. Das heißt: Durch die Bewegung von Fischer kam Guido Burgstaller aus seiner gestaffelten Zehnerposition heraus und es bildete sich eine 4-4-2-Formation bei Rapid, wobei jedoch die Abstände der Ketten sehr groß waren und dadurch leicht durchspielt werden konnten. Zudem war Marco Grüll oft zu nah am ballfernen Innenverteidiger, sodass mit einem Pass auf die Außenverteidiger das Pressing und bis zu vier Spieler überspielt werden konnten.
Wurde der Außenverteidiger überspielt, so wurde der diagonale Ball ins Sturmzentrum gesucht und auch mehrmals angebracht. Besonders Muharem Huskovic konnte immer wieder die richtige Entscheidung treffen, entweder ließ er den Ball direkt auf den tieflaufenden Spieler (in der Abbildung 2 Jukic) prallen, oder verlagerte das Spiel mit einem Rückpass wieder auf die andere Seite.
Ein weiteres Beispiel für das Rauslocken von Rapid im Pressing gab es in der 40. Minute. Lucas Galvao bekam im Aufbau den Ball und wurde von Bernhard Zimmermann angelaufen. Durch eine Passfinte löste er sich vom Druck und konnte in den freien Raum hinter dem Offensivspieler hineinlaufen. Wichtig war dabei auch, dass Dominik Fitz aus der situativen Sechserposition einen Lauf in die Tiefe startete und somit seinen Gegenspieler aus der Mittelfeldkette zog und Platz hinter den Rapid-Stürmern machte.
In der Anschlussaktion konnte Galvao durch sein Dribbling den direkten Gegenspieler von Fitz binden. Dies ermöglichte dem Mittelfeldspieler sich aus dem Deckungsschatten im Zwischenlinienraum zu bewegen und dort auch ein Zuspiel des Innenverteidigers zu erhalten.
Auch im Pressing agierten die Gäste in einem 4-3-3, wobei sich die Grundordnung nur bei einem hohen Pressing bildete. Ging es in ein Mittelfeldpressing oder einen tieferen Block in der eigenen Hälfte, so ergab sich eine 4-1-4-1-Formation mit klarem Nach-außen-lenken des Gegners.
Rapid Wiens Idee und Probleme
Die Hütteldorfer starteten in einer 4-2-3-1-Formation, sowohl im Pressing als auch im Ballbesitz. Wie bei den Gästen ergaben sich auch bei Rapid einige Bewegungsmuster aus der eigenen Grundordnung. Durch das Abkippen des Sechsers der Austria ergab sich ein 4-4-2, was durchaus Sinn ergeben könnte. Die Zentrumsspieler der Gäste konnten mannorientiert zugestellt werden und bei Ausweichversuchen des Gegners auf den Flügel wurden - mit den beiden Stürmern - ballnah die Passwege nach hinten geschlossen. In der Theorie könnte der ballführende Flügelspiel stark unter Druck gesetzt werden, jedoch funktionierte es bei Rapid in der Praxis nicht so wie gewünscht. Das größte Problem waren dabei die Abstände der Linie sowie die der Spieler zueinander. Wie in der Abbildung 3 oder 4 zu sehen ist, hatte die Wiener Austria viel Platz zwischen den Ketten und konnten diesen Raum auch ohne Probleme mehrmals in dieser Partie bespielen. Auch Cheftrainer Ferdinand Feldhofer erkannte dies und erwähnte es im Interview nach dem Spiel: „Im Positionsspiel gegen den Ball und mit dem Ball waren wir etwas zu weit auseinander.“
Wie von Feldhofer angesprochen gab es auch einige Probleme mit dem Ball, die allerdings nicht nur am Positionsspiel lagen. Mit dem Ball versuchte Rapid entweder mit Seitenverlagerungen oder Chipbällen von der Außenverteidigerposition in das letzte Drittel zu kommen. Besonders die Seitenverlagerungen sorgten immer wieder dafür, dass die Gastgeber in die Nähe des gegnerischen Strafraumes kamen.
Zwar gab es im Ballbesitz einen Plan, jedoch sorgten zahlreiche Ungenauigkeiten im Passspiel oder Abstimmungsprobleme immer wieder für Ballverluste. Ein Beispiel:
Ferdy Druijf bekam in der offensiven Umschaltsituation ein vertikales Zuspiel und wollte den Ball direkt prallen lassen. Jedoch war das Zuspiel so ungenau, dass es beinahe wieder zu einem Ballverlust kam. Jonas Auer konnte gerade noch den Ball nach vorne schießen. Nur eines der vielen Beispiele, bei denen die Rapid-Spieler ungenau Pässe spielten.
Zudem gibt es auch immer wieder Abstimmungsprobleme. Beispielweise sprintet ein Offensivspieler in die Tiefe, jedoch kommt das Zuspiel für ein Entgegenkommen. So häufen sich die Ballverluste und auch die möglichen Umschaltmomente für die Gegner. Nun ein Beispiel für das Positionsspiel:
Auer bekam den Ball im Spielaufbau. Durch seine geschlossene Körperposition zur Spielrichtung konnte er sich nicht gleich mit der Ballmitnahme nach vorne orientieren und wurde schnell unter Druck gesetzt. Da alle ballnahen Passoptionen zugestellt wurden, ging der Außenverteidiger ins Dribbling. Durch die Positionierungen der zentralen Mittelfeldspieler hatte Auer jedoch keine Chancen, um mit dem Dribbling Raumgewinn zu erreichen. Dabei war das Problem, dass beide Sechser von Rapid dem Ballführenden entgegenkamen und somit weder Staffelung im Ballbesitz, noch Raum für ein Dribbling vorhanden waren. In der Anschlussaktion musste sich der Abwehrspieler wieder eindrehen, einen Pass entlang der Linie spielen und Grüll konnte den Ball nicht gut verarbeiten. Zwar resultierte der Zweikampf in einem Einwurf für die Hütteldorfer, allerdings zeigte diese Szene einige Probleme im Ballbesitz.
Fazit
Bereits in der letzten Analyse (Rapid: Selbe Probleme gegen LASK wie im Europacup [Spiel-Analyse]) wurden ähnliche Probleme beschrieben. Nun stellen sich die Fragen: Gab es einen richtigen Matchplan? Setzten die Spieler ihn am Feld falsch um? Oder funktioniert diese Spielweise nicht mit diesem Kader? Vor allem Rapid-Fans kritisieren in den sozialen Medien immer wieder, dass keine klare Spielidee zu erkennen wäre und die Spieler selbst sich nicht genug bemühen. Eine allgemeine Antwort oder Lösungsvorschläge auf diese Fragen und Problemstellungen kann es nicht geben, jedoch tauchen bei Rapid seit Jahren immer wieder dieselben Schwierigkeiten auf, obwohl die Hütteldorfer einen Kader haben, der um die ersten drei Plätze mitspielen könnte.
Am auffälligsten ist jedoch, dass die Spielweise des Trainers nicht zum zusammengestellten Kader passt. Als Beispiel die Offensivspieler: Rapid hat mit Grüll, Nicolas Kühn und Ante Baijc (damals auch Yusuf Demir) Flügelspieler, die besonders in 1 gegen 1-Situationen hervorragende Lösungen parat haben und so auch immer wieder Torchancen kreieren können. Zudem hätte Rapid mit Burgstaller und Druijf zwei Stürmer, die ihre Stärken insbesondere in der Bewegung nach Flanken oder Querpässen im Strafraum haben oder im mittleren Drittel sehr gut hohe Bälle abschirmen und halten können. Bei diesen Offensivspielern werden nur selten die richtigen Stärken ausgespielt und somit auch das eigene Spiel limitiert.
Nach dem Sieg kann sich die Austria nun viel Selbstvertrauen für die nächsten beiden Spiele gegen Villarreal und RB Salzburg mitnehmen. Der SK Rapid Wien ist zurzeit nur auf dem siebten Tabellenplatz und muss nächste Woche auswärts gegen Ried ran.