Sturm gewinnt mit klarem Plan gegen schwaches Rapid Wien [Spiel-Analyse]

Sturm Graz gewann klar gegen den SK Rapid Wien und lässt somit die Vizemeisterschaft noch offen. Mit einem Aufbau über die Außenverteidiger und effektives Umschaltspiel gaben sie den Grün-Weißen nur wenige Chancen.

+ + 90minuten.at Exklusiv + + Eine Spielanalyse von Simon Goigitzer

 

Nach einem 4:1 Sieg vom SK Sturm Graz über den SK Rapid Wien haben die Schwarz-Weißen noch alle Chancen auf den zweiten Platz in der Meistergruppe. Auch in diesem Spiel setzten die Spieler die Prinzipien von Cheftrainer Christian Ilzer sehr gut um. In der ersten Halbzeit lag der Fokus, vor allem nach dem 0:1-Rückstand, auf dem Ballbesitz. Besonders nach dem Treffer von Ercan Kara zogen sich die Gäste aus Hütteldorf mehr zurück und attackieren nur noch ab der Höhe der Mittellinie. Somit hatten die Grazer in der ersten Aufbaulinie weniger Druck in der eigenen Hälfte und mussten versuchen tieferen Block der Gäste zu überspielen. Dazu nahmen sie aber nicht wie gewohnt immer den hohen Ball nach vorne.

 

Der Grazer Plan im Ballbesitz

Wie auch in den Spielen davor blieb Ilzer seiner Formation treu. Sowohl mit als auch ohne Ball agierten die Gastgeber in einer 4-1-2-1-2-Formation. Im Ballbesitz versuchten sie den Spielaufbau besonders über die Außenverteidiger zu gestalten. Vor allem Amadou Dante spielte auf der linken Außenverteidigerposition eine wichtige Rolle, da in der ersten Hälfte sehr viele Angriffe über seine Seite eingeleitet worden sind. Dante versuchte auch, im Gegensatz zu Jusuf Gazibegovic, immer wieder den Weg oder den Pass nach vorne zu finden. Gab es keine Möglichkeit für einen Pass, so ging er in 1 gegen 1 Situationen und dribbelte diagonal in die Mitte hinein. Daraufhin spielte er einen Wechselpass auf die andere Seite oder versuchte einen vertikalen Pass in den Zwischenlinienraum. Gazibegovic hingegen wählte immer die sichere Passoption und spielte dadurch auch mehrmals nach hinten.

Kam Dante im Spielaufbau zum Ball, so wurde er von Rapid angelaufen. Zudem versuchten die Gäste den Raum auf den Flügel so eng wie möglich zu machen und auf der Seite den Ball zu erobern. Dies gelang den Hütteldorfern aber kaum, da sich Sturm immer wieder über Dante und den zentralen Mittelfeldspieler aus der Pressingsituation der Grün-Weißen lösen konnte. Hier ein Beispiel aus der ersten Hälfte (Abbildung 1)

Dante bekam im Spielaufbau auf der linken Außenverteidigerposition den Ball und wurde von Kara angelaufen. Bevor Dante den Ball zugespielt bekam, dribbelte Jon Gorenc-Stankovic die erste Pressinglinie an und spielte erst kurz vor Christoph Knasmüllner auf den Flügel. Durch das Andribbeln kamen Andreas Kuen und Otar Kiteishvili für einen vertikalen Pass entgegen. Kuen zog zwei Gegenspieler mit und sah nach einem Schulterblick, dass hinter den Gegnern sich Raum öffneten. In diesen sprintete er wieder hinein und zog die beiden Gegenspieler wieder mit. Kiteishvili blieb auf seiner Position und war, nachdem Kuen zudem den Passweg geöffnet hatte,  mit einem diagonalen Pass anspielbar. In der Anschlussaktion konnte der Zehner der Grazer auf Ivan Ljubic spielen und die Gastgeber konnten sich aus der Pressingsituation der Hütteldorfer und dem engen Raum am linken Flügel lösen. Allerdings war dies nicht die einzige Situation. Hier ein weiteres Beispiel. (Abbildung 2)

Auch hier bekam Dante den Ball, wurde jedoch diesmal von Thorsten Schick angelaufen. Rapid verschob wieder sehr stark auf eine Seite und versuchte den Raum am linken Flügel so eng wie möglich für Sturm Graz zu machen. Allerdings hatte Sturm auch zu dieser Situation wieder eine kluge Lösung. Sobald Dante den Ball bekam, sprintete Kuen in den freien Raum hinter Schick hinein und nahm diesmal auch wieder einen zentralen Mittelfeldspieler der Hütteldorfer mit. Zeitgleich mit der Bewegung von Kuen positionierte sich Kiteishvili im Halbraum und war für einen flachen diagonalen Pass anspielbar. Sturm Graz verwendet das Prinzip „Spiel über den Dritten“ sehr oft. Auch in dieser Situation kam nach dem diagonalen Pass auf Kiteishvili sofort der tiefe Pass auf Kuen, der zuerst den Passweg öffnete und daraufhin den Ball in die Tiefe bekam.

Jedoch waren Dante und die linke Seite nicht nur für den Spielaufbau der Grazer zuständig. Auch David Nemeth, der sich in den letzten Monaten, sehr stark weiterentwickelte, hatte in diesem Spiel wieder hervorragende Aufbauszenen. Bereits in den Partien davor zeigte er, wie gut er bei freiem Raum andribbeln kann und daraufhin einen vertikalen Pass hinter die Mittelfeldreihe spielen konnte. Auch in diesem Spiele zeigte seine Fähigkeiten wieder. Dazu ein Beispiel. (Abbildung 3)

Nemeth bekam im Spielaufbau von Gorenc-Stankovic den Ball und wurde von Taxiarchis Fountas angelaufen. Mit dem zweiten Kontakt spielte er einen vertikalen Pass auf Kiteishvili, der sich aus den Deckungsschatten von Knasmüllner befreite. Zudem bewegte sich Stefan Hierländer in den linken Halbraum und somit dem Innenverteidiger entgegen. So zog er Lion Schuster aus dem zentralen Mittelfeld und verschaffte seinem Mitspieler mehr Platz. In der Anschlussaktion konnte Kiteishvili auf Hierländer prallen lassen, um daraufhin die Seite zu wechseln. Damit konnte Sturm die erste Pressinglinie Rapids überspielen. Auch zu diesen Situationen ein weiteres Beispiel aus der ersten Hälfte. (Abbildung 4)

Nemeth bekam im Spielaufbau den Ball und dribbelte sofort den freien Raum vor sich an. Daraufhin spielte er einen vertikalen Pass auf Kelvin Yeboah, der einen tiefen Lauf Richtung Flügel machte. Mit diesem Pass konnte Nemeth auch gleich das Mittelfeld von Rapid überbrücken. Zwar verlor Yeboah den Ball, jedoch konnte Sturm nach erfolgreichem Gegenpressing wieder in Ballbesitz kommen.

Im Ballbesitz und in den Umschaltsituationen hatten die Grazer einen klaren Plan, konnten jedoch in den ersten 45 Minuten keine ihrer Chancen nutzen. Besonders Yeboah hatte zu Beginn gute Tormöglichkeiten, verfehlte jedoch mehrmals das Tor. Bereits in der ersten Hälfte hatte Sturm acht Schüsse und von denen ging nur einer auf das gegnerische Tor. Nicht nur im Abschluss, sondern auch in den ersten 15 Minuten der zweiten Halbzeit, gab es einige Probleme im Umschalten in die Offensive. Hier agierten die Grazer viel zu hektisch und trafen kaum eine situationsgerechte Entscheidung. In mehreren Situationen wurde der hohe Ball gewählt, obwohl die flache Passoption die bessere gewesen wäre. Erst nach dem Ausgleichstreffer gab es bessere Entscheidungen im offensiven Umschaltspiel. Alle drei Tore nach dem 1:1 folgten nach einer Balleroberung im Mittelfeld.

 

Verliert Rapid noch den zweiten Platz?

Rapid begann das Spiel in einer 5-2-1-2-Formation, wodurch sie auch im Pressing die spielaufbauenden Gegner mannorientiert attackieren konnten. Im Spielaufbau kamen, nicht wie in den vergangenen Spielen, kaum längere Ballbesitzphasen zustande. Viel zu früh wurde der hohe Ball zu den Stürmern gespielt und auch der zweite Ball wurde nicht immer optimal abgefangen. Auch die Statistiken zu diesem Spiel sind bei Rapid klar unter dem Durchschnitt. Beispielweise spielte Rapid um 100 weniger Pässe als sie im Durchschnitt spielen. Auch die Genauigkeit der Pässe lag weit unter dem Durchschnitt. Beispielsweise waren nur 65 Prozent der Vorwärtspässe bei Rapid angekommen. Der Durchschnitt liegt bei circa 70 Prozent. Auch die durchschnittlichen Pässe pro Ballbesitzphase zeigen, dass Rapid kaum etwas im Spielaufbau probierte. Nur 2,89 Pässe pro Phase wurden gegen Graz gespielt. Der Durchschnittswert liegt zurzeit bei 3,66 und zeigt einen klaren Unterschied. (Statistiken von Wyscout-Plattform)

Zwar konnte Rapid in Führung gehen, jedoch blieb nach dem Treffer sofort das hohe Pressing aus und auch Torchancen gab es danach nur wenige. Insgesamt hatten die Grün-Weißen nur drei Schüsse aufs Tor. Zudem gab es nur wenige Versuche das Pressing der Grazer spielerisch zu überbrücken. In den letzten Monaten verbesserte sich Rapid im Ballbesitz und konnte auch aus dem Spieler heraus einige Chancen kreieren. Das war in diesem Spiel nicht der Fall.

 

Fazit

Die Mannschaft von Christian Ilzer konnte dessen Prinzipien klar umsetzen und diesmal gab es einen klar erkennbaren Plan. Der Spielaufbau sollte besonders in der ersten Ebene über die Außenverteidiger geschehen und die Umschaltsituationen waren ein großer Fokus. Rapid Wien ging zwar in Führung, brachte jedoch kaum Intensität auf dem Platz und auch spielerisch gab es, im Vergleich zu den letzten Wochen keine guten Ansätze. Die Grazer halten durch den Sieg das Rennen um Platz 2 noch spannend.

 

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