Im letzten Drittel zu hektisch: Rapid scheitert an konzentriert umschaltendem WAC [Spiel-Analyse]
Rapid Wien kann seine Dominanz im Ballbesitz nicht richtig ausspielen und verliert nach einem gegnerischen Strafstoß und einem Ausschluss von Mateo Barac mit 2:1 gegen den WAC. Die Analye zeigt: Rapid war im letzten Drittel zu hektisch.
+ + 90minuten.at Exklusiv + + Eine Spielanalyse von Simon Goigitzer
In der 29. Runde der österreichischen Bundesliga trag der SK Rapid Wien auf den Wolfsberger AC. Die expected Goals-Werte lagen bei 0.98 zu 1.99, welches dem Endergebnis von 1:2 beinahe punktgenau traf. Die Gastgeber hatten zwar mehr Ballbesitz und strahlten auch viel mehr Dominanz im Ballbesitz in der gegnerischen Hälfte aus, waren im letzten Drittel viel zu hektisch um sich richtige Torchancen zu erspielen. Die Gäste aus Wolfsberg starteten in der gewohnten 4-1-2-1-2-Formation und hatten ihren Fokus vor allem auf die Umschaltphasen gelegt.
Bei den Wolfsbergern war auch das Pressing wieder ein wichtiger Bestandteil des Matchplanes. Rapid baute im Ballbesitz - durch das Abkippen von Dejan Ljubicic - mit einer Dreierkette auf. Um diese Unterzahl in der ersten Pressinglinie zu lösen, versuchten die Gäste aus Kärnten den Spielaufbau auf eine Seite zu leiten. Da Ljubicic hauptsächlich auf die rechte Seite abkippte, leiteten die Wolfsberger den Spielaufbau von Rapid auf Mateo Barac, der die linke Innenverteidigerposition einnahm. Den Aufbau der Grün-Weißen begann meistens Maximilian Hofmann. Daher lief Dejan Joveljic im Pressing mit einem Bogenlauf den Innenverteidiger an. Mit dieser Anlaufart konnte der Stürmer Ljubicic in den Deckungsschatten stellen und einen Pass von Hofmann auf Barac provozieren. Der Pass auf den äußeren Innenverteidiger war auch der Pressingauslöser der Wolfsberger. Barac wurde von den Gästen als Pressingopfer ausgewählt, da er zwar sehr gute diagonale Seitenwechsel spielen konnte, jedoch unter hohen Druck sehr anfällig war und ungern in 1-gegen-1-Situationen ging.
Neben dem hohen Pressing legten die Wolfsberger auch einen hohen Wert auf die Umschaltsituationen. Sowohl in die Offensive als auch in die Defensive gab es besondere Merkmale. Verlor der WAC den Ball, gingen sie sofort ins Gegenpressing über. Dabei war es jedoch wichtig, dass der näheste Spieler den ballführenden Gegenspieler sofort attackierte. Da im Gegenpressing meist mehr Spieler involviert waren, deckten die weiteren Spieler die kurzen vertikalen Pässe in die Tiefe ab, sodass diese Abgefangen werden konnten.
Wurde der Ball erobert, so wurde meist so schnell wie möglich nach vorne gespielt. Dabei war es jedoch wichtig, wo die Balleroberung stattgefunden hat und wer den ersten Pass spielen konnte beziehungsweise wer den ersten Pass erhielt. Bekam der Stürmer den ersten vertikalen Pass nach der Balleroberung zugespielt, so liefen meistens die beiden Achter noch in die Tiefe. War jedoch einer der zentralen Mittelfeldspieler der Ballführende, so war es wichtig, dass die beiden Stürmer einen Lauf in die Tiefe machten.
Rapids Entscheidungsfindung im letzten Drittel
Der SK Rapid Wien startete wiederum in einer 4-2-3-1 Formation, wobei im Ballbesitz die erste Aufbaulinie zu einer Dreierkette wurde und die erste Ebene bzw. der Sechserraum hauptsächlich von Dejan Petrovic besetzt wurde. Ljubicic kippte im Aufbau mehrmals rechts neben den beiden Innenverteidiger ab. Durch das Hochschieben von Filip Stojkovic kam es auf der rechten Seite mit Kelvin Arase zu einer Überzahl, die die Hausherren vor allem in der ersten Halbzeit einige Male gut ausspielen konnten. Rapid zeigte überhaupt sein sehr flügellastiges Spiel. Vor allem im mittleren Drittel wurde immer wieder die Außenspieler angespielt. Zudem hatten sie viel Ballbesitz im Mittelfeld und konnten sich einige Male aus engen Räum sehr gut herauskombinieren. Zwar konnte Rapid das Pressing der Wolfsberger oft mit hohen Bällen aus der ersten Aufbaulinie oder flachen Lösungen über das Mittelfeld überbrücken, jedoch gab es viel zu viele Probleme in der Entscheidungsfindung mit dem Ball. Hier ein Beispiel. (Abbildung 2)
Rapid hat wieder eine Umschaltsituation in die Offensive gehabt und sich aus dem Gegenpressing lösen können. Ljubicic spielte auf Ercan Kara, der den Ball kurz vor dem Strafraum auf Christoph Knasmüllner spielen wollte, jedoch Ljubicic dabei komplett übersehen hatte. In dieser Situation hat er sich mit seinem Umschauverhalten ein wenig selber ausgetrickst. Kurz vor der Ballmitnahme blickte er in die Richtung des Tores und sah höchstwahrscheinlich, dass sich nur ein einziger Verteidiger zwischen ihm und dem Tor befand. Nun musste Kara theoretisch nur noch den Verteidiger überwinden, dadurch hätte Knasmüllner alleine vor dem Tor gestanden. Jedoch konnte Dominik Baumgartner den Passweg sehr gut zustellen, sodass Kara nicht an ihm vorbeipassen konnte.
Durch die Wahrnehmung, dass nur noch ein Verteidiger und ein Pass zwischen einer Vorlage für Kara und ein Tor stand, konzentrierte sich der Stürmer noch auf diesen Passweg und blendete dabei Ljubicic auf der rechten Seite komplett aus. Mit einem Pass auf den Flügel und der schlechten Körperposition von Tarik Muharemovic, hätte der Rapid-Kapitän mit einem Querpass Knasmüllner in eine sehr gute Abschlussposition gebracht. Allerdings waren kurze und flache Optionen nicht immer das Problem bei den Hütteldörfer.
Flanken, Flanken, Flanken
In diesem Spiel und besonders in der zweiten Hälfte war es auffällig, dass der SK Rapid sehr oft versuchte, mit Flanken oder Chipbällen aus dem Halbfeld Torchancen zu kreieren. Jedoch gäbe es optimalere Entscheidungen oder Optionen, die die Spieler in den Situationen treffen könnten. Mehrere Statistik-Webseiten, wie zum Beispiel Statsperform.com sagen, dass nur rund alle 50 Flanken zu einem Tor führen. Dabei ist jedoch auch der zweite und der dritte Ball mit einberechnet. Das heißt, wenn die Flanke vom Abwehrspieler nicht richtig geklärt wurde und wieder beim Stürmer landet und dieser dann zum Abschluss kam. Berechnet man nicht den zweiten oder dritten Ball ein, so resultierte höchsten jede 100. Flanke in einem Tor. Ein sehr schlechter Wert für eine Entscheidung, die sehr oft getroffen wurde. Vor allem die Flankenpositionen, die Rapid in diesem Spiel hatte, waren nicht optimal, um zu einer Torchance zu kommen. Hier zwei Beispiele. (Abbildung 3)
Nachdem sich Rapid Wien am linken Flügel aus der Pressingsituation der Wolfsberger lösen konnte, bekam Ljubicic den Ball im rechten Halbraum und konnte von der eigenen Hälfte bis kurz vor den Strafraum dribbeln. Daraufhin versuchte er einen Chipball auf die zweite Stange zu Kara zu spielen. Der Flankenversuch war jedoch viel zu kurz und der Abwehrspieler konnte den Ball klären. Ljubicic hatte zwei bessere Optionen, mit Stojkovic am rechten Flügel und Fountas, der in die Lücken zwischen den beiden Innenverteidiger rannte. Mit Stojkovic käme Rapid zwar wieder in eine Flankenposition, jedoch wäre durch das hineinlaufen von Fountas und Arase der Strafraum besser besetzt worden und es gäbe eine größere Chance ein Tor zu erzielen.
Allerdings war dies nicht die einzige Situation, in der sich Rapid eine mögliche Torchance selber verhinderte beziehungsweise den Ball hergab. Allgemein wurden viel zu früh Flanken in den Strafraum geschlagen, obwohl die Spieler nicht bereit für den hohen Ball waren oder der Sechzehner nicht optimal besetzt wurde. Ein weiteres Beispiel gab es in der 64. Minute. (Abbildung 4)
Rapid war in einer offensiven Umschaltsituation und vom rechten Halbraum versuchte Petrovic einen Chipball auf die andere Seite zu spielen. Der Ball war daraufhin viel zu ungenau und landete beim Schlussmann der Wolfsberger. Auch hier hatte Petrovic wieder zwei weitere Optionen, die den Angriff besser gestalten hätten können. Hätte er nach Ballgewinn direkt auf Arase in die Mitte gespielt, so hätte der Mittelfeldspieler wieder auf die Abwehrkette dribbeln und durch die mitlaufenden Spieler wäre Rapid in Überzahl gewesen. Auch Kara in wäre eine Option gewesen, der sich auch bewusst nicht direkt in die letzte Linie bewegte, sondern auch als Anspielstation in der Mitte. Mit einem Pass zu Kara hätte auch der Stürmer auf die letzte Abwehrlinie zu dribbeln können. Durch den Chipball von Petrovic kam der WAC wieder in den Ballbesitz. Allgemein kamen nur circa 14 Prozent der gesamten Flanken von Rapid überhaupt zum Mitspieler.
Fazit
Der SK Rapid Wien strahlte im Ballbesitz viel mehr Dominanz aus wie in den letzten Spielen. In einigen Bereichen ist hier eine Entwicklung zu sehen, jedoch sah man, dass sie noch viel zu oft auf den hohen Ball zurückgreifen. Dabei haben sie jedoch immer wieder flache und bessere Optionen und auch Spieler, die sich in engen Räumen optimal lösen können. Der WAC konzentrierte sich wieder vor allem auf das Pressing und die Umschaltphasen in die Offensive und Defensive. Dabei gelang auch mit einem Spieler mehr der Siegtreffer und können somit noch um Platz 3 mitspielen.