Rapid Wien nützte Austria-Fehler nicht [Spiel-Analyse]
Im 332. Wiener Derby trennen sich die beiden Mannschaften mit einem torlosen Remis. Die Wiener Austria hatte, wie schon im Herbst, große Probleme gegen den Ball. Der SK Rapid hatte zwar mehr Ballbesitz und konnte auch mehr Chancen kreieren, jedoch war die Entscheidungsfindung oft nicht optimal.
+ + 90minuten.at Exklusiv + + Eine Spielanalyse von Simon Goigitzer
FK Austria Wien begann das Spiel mit einer Startelf-Überraschung. Patrick Wimmer startete auf der linken Außenverteidigerposition. Zudem gab es mit Marco Djuricin einen Startelf-Debütanten bei der Wiener Austria. Wie gewohnt spielten die Gastgeber in einer 4-4-2-Formation. In diesem Spiel war wieder ein klares Mittelfeldpressing zu erkennen. Allerdings hatte die Mannschaft aus Favoriten gegen den Ball in der bisherigen Saison große Probleme. Sowie auch wieder in der Partie gegen den SK Rapid Wien.
Austrias Probleme gegen den Ball
Die Violetten attackierten hauptsächlich erst ab der Höhe der Mittellinie. Durch das enge und kompakte 4-4-2 versuchten sie Wege zuszustellen und das Spiel auf den Flügel zu leiten. Dies gelang der Wiener Austria jedoch nur selten. Vor allem der Zwischenlinienraum der Abwehr und dem Mittelfeld sorgte immer wieder für Probleme für die Heimmannschaft. Der Abstand zwischen der Abwehr und der Mittelfeldreihe war oft viel zu groß. Zusätzlich bewegten sich beide Sechser häufiger auf einer Linie, sodass sich eine Raute mit sehr breiten Achter bildete. So hatte Rapid immer wieder Chancen durch die Mitte zu spielen.
Hier ein paar Beispiele, um den ungedeckten Zwischenlinienraum der Wiener Austria zu veranschaulichen. (Abbildung 1)
Die Austria verlor nach einem Einwurf den Ball im Mittelfeld. Daraufhin schalteten nur einige Spieler in das Gegenpressing um. So waren einige Rapid-Spieler immer anspielbar und der Ballführende hatte keine großen Probleme, sich aus der Drucksituation zu lösen. Da die gesamte Mannschaft sich weder gemeinsam fallen ließ, noch alle in das Gegenpressing umschalteten, erzeugten sie sehr viel Platz im Zwischenlinienraum. Dejan Ljubicic erkannte dies auch und spielte sofort dort hinein. Yusuf Demir konnte den Ball zwar nicht kontrollieren, jedoch wäre Rapid in eine 4-gegen-4 Situation gegen die Austria-Abwehr gelaufen.
Es gab auch Szenen, in denen der Abstand zwischen Abwehr und Mittelfeld groß war, obwohl es keine Umschaltsituation war.
Rapid war im Spielaufbau und Maximilian Hofmann dribbelte auf die Stürmer zu. Daraufhin spielte er einen vertikalen Pass, der nach der Reaktion vom Innenverteidiger und der Schärfe vom Pass eigentlich auf Demir hätte gehen sollen. Wäre das Zuspiel zu Demir auf den rechten Fuß gekommen, so hätte er sich wieder aufdrehen und auf die Abwehr zudribbeln können. In dieser Situation sah man sehr gut, wie beide Sechser in einer Linie standen und somit Platz im Zwischenlinienraum für Rapid erzeugten. Zudem rückte Christoph Schösswendter aus seiner Innenverteidigerposition heraus, um Taxiarchis Fountas zuzustellen. Allerdings versuchte auch Eric Martel den Griechen abzudecken und somit war Demir zwischen dem Mittelfeld und der Abwehr komplett frei.
Jedoch war der Zwischenlinienraum nicht das einzige Problem bei der Austria. Auch das Anlaufen einzelner Spieler war selten optimal und für den Gegenspieler wurden nur selten Passwege zugemacht. Besonders die beiden Stürmer hatten es sehr schwer, hohe Balleroberungen zu schaffen. Wie zum Beispiel in der 29. Minute. Richard Strebinger bekam den Ball und wurde von Djuricin mit einem Bogenlauf angelaufen. Djuricin versuchte Filip Stojkovic zuzustellen, stellte den Abwehrspieler aber nicht richtig in den Deckungsschatten. Strebinger hatte zwar nur wenige Passoptionen, da die anderen Innenverteidiger bereits zugestellt wurden. Stojkovic konnte sich allerdings aus dem Deckungsschatten befreien – auch weil sich Djuricin beim Anlaufen kaum umschaute. Strebinger passte auf Stojkovic. Diese Probleme wurden bereits in der Mannschaftsanalyse zur Wiener Austria nach der Herbst-Runde angesprochen. (Austria Wien unter Peter Stöger: Fehlerhaftes Pressing, viele technische Fehler und keine Rückwärtsbewegung [Mannschafts-Analyse]) Zwar machte die Austria viele Fehler gegen den Ball, aber Rapid konnte diese nur selten ausnutzen.
Schlechte Entscheidungsfindung bei beiden Mannschaften
SK Rapid Wien spielte im Spielaufbau mit einer Dreierkette. Maximilian Ullman und Thorsten Schick besetzten die Flügel. Dejan Petrovic bewegte sich hauptsächlich auf der Sechser-Position. Ljubicic war zwar auch zentraler Mittelfeldspieler, positionierte sich jedoch sehr oft am rechten Flügel. Rapid Wien versuchte sehr oft die rechte Seite zu überladen. Der Grund dafür könnte Wimmer sein, der nicht auf seiner gewohnten Position spielte.
Durch die Bewegung von Ljubicic auf den Flügel konnte Schick bis auf die letzte Linie vorrücken. Demir bewegte daraufhin sich meistens in den rechten Halbraum. Hier ein Beispiel aus der 15. Minute. (Abbildung 3 und 4)
Stojkovic bekam im Spielaufbau den Ball und konnte einige Meter nach vorne andribbeln. Daraufhin wurde er von Djuricin angelaufen. Ljubicic bewegte sich vor dem Zuspiel zum Abwehrspieler auf den rechten Flügel. Auch Demir positionierte sich im rechten Halbraum. So versuchte Rapid die rechte Seite zu überladen. Stojkovic versuchte einen hohen Ball auf Ercan Kara zu spielen. Das Zuspiel wurde jedoch von Djuricin gerade noch abgefälscht, sodass der Ball bei einem Austria-Spieler landete. Zwar kam Rapid nach dem Ballverlust wieder zum Ball, jedoch hätte die Situation auch um einiges besser ausgespielt werden können.
Die Wiener Austria schob sehr weit auf den ballnahen Flügel und konnte auch das flache Zuspiel im Halbraum zustellen. So blieben für den Außenspieler nur die Option mit einem Chipball über das Mittelfeld oder der flache Pass auf Ljubicic. Ein hoher Pass auf Schick wäre möglich gewesen. Der Außenspieler hätte daraufhin auf den nachrückenden Demir ablegen können. Auch wäre der Pass auf Ljubicic eine Option gewesen, da sich der Mittelfeldspieler mit einer Mitnahme nach vorne orientieren könnte. Manprit Sarkaria hätte dabei auch nicht eine geringe Möglichkeit gehabt in den Zweikampf zu kommen. Zudem hätte Ljubicic dann mehrere Passoptionen mit Schick und Demir gehabt. Zwar kam der Pass von Stojkovic nicht an, jedoch konnte durch die Überzahl der Ball sofort wieder erobert und auf die ballferne Seite gespielt werden.
Diese Szene war auch ein gutes Beispiel für die Entscheidungsfindung mit dem Ball. In der ersten Aufbaulinie fehlte das Tempo und die Genauigkeit bei beiden Mannschaften. Bei der Wiener Austria gab es zu Beginn der ersten Hälfte gleich zwei Situationen, in denen der Innenverteidiger mit einem vertikalen Pass den Sechser anspielen wollte. Der Pass war jedoch so ungenau, dass das Zuspiel in einem Ballverlust resultierte. Zudem versuchte die Wiener Austria immer wieder, nach einer Balleroberung direkt in die Tiefe zu spielen. Das heißt, dass die Spieler viel zu früh versuchten den „finalen“ Pass zu spielen. Da solche Pässe mit sehr viel Risiko verbunden waren, kamen sie auch kaum an. Auch bei Rapid Wien gab es mehrere Entscheidungen, die nicht optimal zu der Situation passten. Vor allem bei Pässen im letzten Drittel oder auch bei möglichen Torabschlüssen.
Verbesserte 2. Halbzeit, schlechte Chancenverwertung
In der zweiten Spielhälfte wurde die Mannschaft aus Hütteldorf zum klar dominierenden Team. Die Grün-Weißen hatten mehr Ballbesitz und konnten sich auch viel mehr Chancen kreieren. Dabei war jedoch das Problem, dass sie merhmals in Abschlusssituationen kamen, aber häufig zu lange warteten. Das heißt, dass sie bei einer Torschussmöglichkeit nicht direkt abschlossen, sondern eine aussichtsreichere Situation abwarteten. Dies führte dann oft zu abgeblockten oder zu ungenauen Schüssen. Laut der Plattform Wyscout schoss Rapid Wien 18 Mal auf das Tor der Wiener Austria. Nur drei Abschlüsse gingen direkt auf das Tor. Das bedeutet, dass nur circa 17% aller Schüsse überhaupt auf das Tor von Patrick Pentz gingen. Rapid Wien kam sehr oft in das letzte Drittel, nutzen aber kaum ihre Chancen oder verloren in der Nähe vom Strafraum sehr schnell den Ball.
Fazit
Der SK Rapid Wien konnte die Fehler der Wiener Austria kaum ausnutzen. Zudem waren die Hütteldorfer schwach in ihrer Chancenverwertung. Dieser Punkteverlust ist für Rapid im Kampf um den Meistertitel sehr ärgerlich.
Austria Wien konnte sich zwar im Winter vereinzelt verstärken, jedoch tauchten wieder ähnliche Probleme wie im Herbst auf. Vor allem gegen den Ball hat die Mannschaft aus Favoriten viel zu tun. Zwar können die Veilchen die Top 6 noch erreichen, dafür benötigt es aber zwei Siege gegen Sturm Graz und den WAC.