Technische Fehler und suboptimale Entscheidungen prägen das Wiener Derby [Spiel-Analyse]
Im 333. Wiener Derby trennen sich die Austria und der SK Rapid Wien mit einem 1:1. Viele technische Fehler bei beiden Mannschaften sorgten für eine unansehnliche Partie, bei der es immer wieder zu Umschaltsituationen kam, jedoch nur zu wenigen Torchancen.
+ + 90minuten.at Exklusiv + + Eine Spielanalyse von Simon Goigitzer
FK Austria Wien hatte einen schlechten Start in die Saison und wartet auch nach dem Wiener Derby gegen den SK Rapid Wien weiterhin auf den ersten Sieg. Die Hütteldorfer sind nach sechs Partien nur auf Platz vier und haben bereits zehn Punkte Rückstand auf den Meister Red Bull Salzburg. Zudem zeigten die Leistungen beider Mannschaften im 333. Derby, dass sie sich um einige steigern müssten, um wieder in die Nähe der Bullen zu kommen..
Statistik lügt nicht
Der reine Anblick auf eine Statistik sagt nicht immer gleich aus, wie das Spiel verlaufen ist oder wie die Leistungen der Mannschaft beziehungsweise einzelner Spieler war. Allerdings stellt in diesem Fall die Statistik den Verlauf sehr gut dar. Ein Blick auf die Ballbesitzstatistik etwa zeigt, dass gegen Ende des Spieles der Anteil ausgeglichen war. In der ersten Halbzeit hatten die Austrianer jedoch ein klares Plus und konnten sich vor allem in den ersten Minuten immer wieder gegen die erste Pressinglinie der Hütteldorfer mit flachen Zuspielen befreien. Im Ballbesitz bauten die Veilchen in einer Viererkette mit Eric Martel als Sechser auf. Zudem hatte Patrick Pentz als Schlussmann im Spielaufbau eine wichtige Rolle. Der Tormann positionierte sich immer sehr gut und war für seine Mitspieler konstant anspielbar. Dazu kam noch, dass er situationsgerechte Entscheidungen getroffen hat. Das bedeutet, dass er im Aufbau seine freien Mitspieler anspielen konnte und mit Seitenverlagerungen mehrmals die erste Pressinglinie überspielte.
Allerdings hatte die Austria im Ballbesitz auch ein paar große Probleme. Neben technischen Fehlern kam es zu suboptimalen Entscheidungen und schlechten Positionierungen. Das heißt, dass die erste Aufbaulinie kaum flache Anspielstationen nach vorne in die zweiten Ebene oder in die Sturmspitze hatten, da die Gegenspieler immer wieder im Deckungsschatten von Rapid-Spielern standen. Dadurch mussten sie immer wieder Pentz miteinbinden, der daraufhin den Ball hoch nach vorne schlug.
Des Weiteren zeigte auch die detailreichere Ballstatistik, dass diese Partie auf keinem hochklassigem Niveau war. Nach 20 Spielminuten wurde von 'Sky' eine Statistik eingeblendet, dass die Veilchen eine Passgenauigkeit von 70 Prozent hatten und die Gäste sogar nur 53 Prozent. Das bedeutet, dass durch die ganzen Ballverluste der beiden Mannschaften immer wieder zu Umschaltsituationen gekommen war und das Spiel so auch sehr chaotisch wirkte.
Mangelnde Torchancen auf beiden Seiten
In der ersten Halbzeit kam auch Rapid durch diese Umschaltsituationen immer wieder in das letzte Drittel. Vor allem Taxiarchis Fountas und Marco Grüll konnten durch ihre Schnelligkeit und ihre Fähigkeit 1-gegen-1-Situationen aufzulösen häufig in die Nähe des gegnerischen Strafraumes kommen. In der Nähe des Tore fehlte es allerdings wieder an der situationsgerechten Entscheidungsfindung und technische Fehler sorgten dafür, dass Rapid kaum zu Großchancen kam. Zwar hatten die Hütteldorfer mehr Schüsse auf das Tor, allerdings hatten beide gleich viele Großchancen.
Dies zeigte auch der expectedGoals-Wert, der bei der Austria nur bei 0,89 lag und bei Rapid bei 1,08. Würde man einen Blick auf die verschiedenen Werte der beiden Halbzeiten, so war auch hier ein Spielverlauf erkennbar. Die Veilchen hatten bereits in der ersten Halbzeit einen Wert von 0,72, welches eine dominantere Halbzeit und klares Chancenplus darstellt. In den zweiten 45 Minuten hatten die Gastgeber nur 0,17 und die Hütteldorfer 0,67. Auch das wäre ein Indiz dafür, dass die Gäste, wie auch in der Ballbesitz-Statistik zu sehen, in der zweiten Hälfte besser waren.
xG timeline and network for #fakscr.
— Fußball Quantitativ (@fussballquant) August 29, 2021
Almost nothing from the hosts after the break, so actually a bit lucky to get away with a point. pic.twitter.com/CL89kOcDwh
Im Twitter-Beitrag wurde eine Graphik zu den expected Goals-Werten des Spiels erstellt und soll den Verlauf der Werte zeigen. Jede Steigung eines Wertes soll eine Torchance darstellen.
Spielen alle Mannschaften nun mit Raute?
Sowohl im Ballbesitz als auch im Pressing war bei der Austria ein klares 4-4-2 mit einer Raute zu erkennen. Auch hohes Pressing wurde praktiziert, sodass die Hütteldorfer vor allem in der ersten Halbzeit den Ball immer wieder hoch nach vorne spielen mussten. Der Ballführende wurde meistens direkt angelaufen und der Pass auf den Außenverteidiger wurde provoziert. Der Achter in der Raute schob auf den gegnerischen Außenspieler und Dominik Fitz, der auf der Zehn spielte, stellte den ballnahen Sechser zu.
Auch bei Rapid gab es Ansätze von einer Raute. Vor allem Pressing agierten sie mit zwei Stürmern, einem Zehner und drei Mittelfeldspieler, wobei diese sich immer situationsabhängig positionierten, sodass sich eher eine asymmetrische Mittelfeld-Raute bildete. Besonders beim Abstoß der Wiener Austria war die Formation zu erkennen. Grüll bewegte sich aus der linken Mittelfeldposition in einem 4-2-3-1 neben Ercan Kara und war somit der linke Stürmer. Fountas war hinter den beiden Stürmern und stellte Martel zu, der bei der Wiener Austria sich im Sechserraum positionierte.
Was müssen beide Mannschaften besser machen?
Zunächst müsste erwähnt werden, dass Derbies schon von Beginn an eine gewisse Nervosität und Fehleranfälligkeit bei den Spielern mit sich bringen. Dennoch gab es zu viele technische Fehler bei den einzelnen Spieler, sodass der Spielfluss der eigenen Mannschaft immer wieder zerstört wurde und es kaum zu langen Ballbesitzphasen bei beiden Teams kam. Vor allem bei der Austria, die ja für „Ballbesitz“ stehen sollte, hatte nur ein paar Szenen, in denen sie sich aus dem Pressing der Gäste herausspielen können. Diese Aktionen waren jedoch im gesamten Spiel zu wenig.
Des Weiteren waren die Entscheidungsfindungen einzelner Spieler immer wieder fragwürdig. Damit sind allerding nicht nur die Entscheidungen mit dem Ball gemeint, sondern auch das Off-Ball-movement von Spielern. Beispielsweise musste die ersten Aufbaulinie beiden Mannschaften immer wieder einen hohen Ball nach vorne spielen, da sich die Spieler in den Ebenen weiter vorne nicht oder zu spät aus dem Deckungsschatten des Gegners bewegten.
Die Veilchen konnte sich mehrmals im mittleren Drittel befreien, spielte dann jedoch oft einen horizontalen Pass auf den Flügel statt in die Tiefe. Dabei startete Marco Djuricin immer wieder gut, nicht nur vom Laufweg, sondern aiuch vom Timing her. Allerdings gab es mehrere Situationen, in denen die Spieler nicht den Blick in die Tiefe machten und so wieder in eine 1-gegen-1-Situation kamen oder den Pass zurück oder quer spielten. Somit verpasste die Austria immer wieder einen Chipball über die gegnerische Abwehr zu Djuricin.
Allerdings gab es von Cheftrainer Didi Kühbauer vor allem bei den Aus- und Einwechslungen fragwürdige Entscheidungen. In der Halbzeit wurde Thorsten Schick für Kelvin Arase eingewechselt. Schick, der im Vergleich zu Arase eher breiter steht, geht nicht so häufig und einem anderen Tempo in 1-gegen-1-Situationen und der Flügelspieler spielt auch eher mehr hohe Flanken aus dem Halbfeld als bis zur Grundlinie zu gehen und einen flachen Querpass zu spielen. Kurz nach der Halbzeit kam es auch zum Ausgleichstreffer nach einer Flanke. Zehn Minuten in der zweiten Halbzeit wechselte er jedoch Kara aus und brachte Koya Kitagawa. Somit nahm Kühbauer einen seiner stärksten Kopfballspieler aus dem Spiel, obwohl er in der Halbzeit einen Spieler brachte, der gerne flankt. Vor allem bewegt sich viel im Raum zwischen dem Mittelfeld und der Abwehr und sehr ungern auf der letzten Linie.
Fazit eines fehlerhaften Derbies
Der SK Rapid und FK Austria Wien trennen sich in einem chaotischen und sehr fehlerhaften Derby mit 1:1. Bei beiden Mannschaften kam es zu vielen Fehlern, sodass auch kein richtiger Spielfluss entstehen konnte. Allerdings kann sich die Wiener Austria nach dieser zweiten Hälfte (Wie auch der expected Goals-Graph zeigt) mit diesem Punkt glücklich schätzen. Die Hütteldorfer konnten zwar eine schlechte erste Halbzeit ausbessern, jedoch sind sie mit dem Ball noch immer planlos und nun fehlen schon zehn Punkte auf Red Bull Salzburg.