Österreich mit Qualität im Spielaufbau, aber passivem Pressing [Spiel-Analyse]
Die österreichische Nationalmannschaft gewann beide Nations League-Partien mit einem knappen 1:0. Auch bei diesem Lehrgang stellte sich wieder heraus, dass Passivität und defensiv-orientiertes Pressing das Herren-Nationalteam Punkte kosten könnten.
+ + 90minuten.at Exklusiv + + Eine Spielanalyse von Simon Goigitzer
Österreich spielte in der Länderspielpause zunächst ein Freundschaftsspiel gegen Griechenland, welches mit 2:1 gewonnen wurde. Zwar hatte das Nationalteam eine ähnliche Ausrichtung, allerdings gab es in den Nations League-Partien gegen Nordirland und Rumänien einige Veränderungen im Kader und bei der Startformation. Nur Aleksandar Dragovic, Martin Hinteregger, Pavao Pervan, Stefan Ilsanker und Julian Baumgartlinger spielten alle drei Länderspiele von Beginn an.
Die Ausrichtung im Ballbesitz
In den Partien gegen Nordirland und Rumänien spielte Österreich eine 4-2-3-1-Grundformation, wobei die Spieler sehr oft die Positionen wechselten. Besonders im Mittelfeld mit Baumgartlinger, Ilsanker und Xaver Schlager kam es immer wieder zu Rotationen, sodass sich im Zentrum eine 1-2 Staffelung bildete. Das heißt, dass einer vor der Viererkette den Sechserraum besetzte und die beiden anderen Zentralen als Achter agierten. Dazu kam noch, dass sich beide Außenmittelfeldspieler auch noch in den Halbraum fallen ließen. So können beide Außenverteidiger, die auch so schon sehr offensiv-orientiert sind, nach vorne rücken. Vor allem Christoph Baumgartner bewegte sich sehr oft aus der linken Mittelfeldposition ins Zentrum hinein und ließ sich sogar einige Male neben den Sechsern fallen. Dort wurde er auch einige Male angespielt und konnte mit dem ersten Kontakt David Alaba anspielen. Dadurch überbrückten sie nicht nur die erste Pressinglinie des Gegners, sondern der linke Verteidiger konnte daraufhin in das letzte Drittel dribbeln.
Das heißt, dass es nicht fixe Positionen gab, sondern dass Österreich versuchte, freie Räume in der gegnerischen Formation zu bilden und die sofort zu bespielen. Durch diese Rotationen ergaben sich immer wieder Räume zwischen den Linien der gegnerischen Abwehr und dem Mittelfeld. Der Zwischenlinienraum wurde daraufhin sehr schnell besetzt und auch bespielt. Wie zum Beispiel in dieser Szene gegen Nordirland. (Abbildung 1)
Schlager bewegte sich von der Zehnerposition neben Ilsanker und bekam von Baumgartner den Ball, der sich auch im Halbraum weiter hinten anbot. Da Schlager von zwei Gegenspielern attackiert wurde, entstand ein großes Loch im Raum zwischen der Abwehr und dem Mittelfeld. Der Wolfsburg-Legionär spielte zurück auf Dragovic, der mit dem zweiten Kontakt Baumgartlinger in dem freien Zwischenlinienraum anspielen konnte. Durch mehrere Schulterblicke konnte sich der Kapitän direkt nach vorne orientieren und daraufhin einen tiefen Pass auf den Flügel spielen.
Vertikale Pässe sind unser Markenzeichen
Das Besondere im österreichischen Spielaufbau sind auf jeden Fall die beiden Innenverteidiger. Sowohl Hinteregger als auch Dragovic können sehr gute Pässe nach vorne spielen und treffen oft situationsgerechte Entscheidungen. Bei beiden stechen – neben der Robustheit im Zweikampf – die vertikalen Pässe in die Tiefe hervor. So können beide immer wieder mehrere Linien überspielen und mit einem Pass auch gleich den Stürmer in eine gefährliche Situation für den Gegner bringen.
Diese vertikalen Pässe des Frankfurt-Legionärs konnten schon oft beobachtet werde. Er hat ein sehr gutes Auge für seine Mitspieler im Raum zwischen der Abwehr und dem Mittelfeld. In dieser Szene (Abbildung 2) spielte er einen vertikalen Pass von der 1. Aufbaulinie zu Baumgartner in die Sturmspitze und überspielte dabei das ganze Mittelfeld der Nordiren. Zudem sind solche vertikalen Pässe oft gegen die Laufrichtung des Gegners und dadurch noch schwerer zu verteidigen.
Auch im Spiel gegen Rumänien spielten beide Innverteidiger situationsgerechte Pässe nach vorne. In der nächsten Situation ist es ein flacher diagonaler Ball in die Spitze. (Abbildung 3)
Hinteregger bekam auf der Mittellinie im Spielaufbau den Ball. Er spielte mit Ilsanker einen Doppelpass und während er den Ball spielte, machte er sofort einen Blick nach vorne, um sich nach der erneuten Ballannahme nach vorne orientieren zu können. Mit dem zweiten Kontakt spielte er seinen diagonalen Pass auf Schöpf der sich in den Zehnerraum zwischen der Abwehr und dem Mittelfeld bewegte. Bei diesem Pass von Hinteregger kam auch noch die Blicktäuschung dazu. Das heißt, dass er seinen Blick auf Alaba oder Baumgartner richtete, um den Gegner zu signalisieren, dass der Pass auf den linken Flügel gespielt wird. Durch diesen Blick täuschte er seine Gegner und spielte auch hier wieder gegen die Laufrichtung in die Mitte. In der darauffolgenden Aktion bekam Lainer den Ball am Flügel gespielt, da die Abwehr durch den diagonalen Pass vom Abwehrspieler eng zusammenrückte und am Flügel Raum für den Außenverteidiger machte. Lainer spielte einen flachen Querpass und Michael Gregoritsch traf jedoch nur die Querlatte.
Auch Dragovic hatte gegen Nordirland ein paar situationsgerechte vertikale Pässe nach vorne. (Abbildung 4)
Der Leverkusen-Legionär bekam den Ball von Hinteregger und spielte daraufhin mit dem zweiten Kontakt einen vertikalen Pass auf Reinhold Ranftl, der sich gut im Halbraum positionierte. Zudem machte Ranftl viele Schulterblicke und konnte sich gut positionieren. Allerdings war die Ausführung des Linzers nach dem vertikalen Pass nicht situationsgerecht, da er mit dem ersten Kontakt in die Mitte prallen lassen wollte, obwohl keiner der Mittelfeldspieler nachrückte. Jedoch wurde auch hier wieder durch den vertikalen Pass das ganze Mittelfeld überspielt.
Noch ein weiteres Beispiel, um die Qualität der beiden Innenverteidiger hervorzuheben und wieso beide sehr wichtig im Spielaufbau sind. (Abbildung 5)
Dragovic bekam im Spielaufbau den Ball auf der Mittellinie. Kurz vor der Annahme machte er einen Blick nach vorne. Nach einem zweiten Kontakt spielte er einen vertikalen Pass auf Alaba, der in den Halbraum hineingerückt ist. Der Bayern-Legionär schaute sich – bevor er den Ball forderte – mit mehreren Schulterblicken um und positioniert sich so, dass er sich gleich mit der Ballmitnahme nach vorne orientieren konnte. So konnte Dragovic wieder das ganze Mittelfeld der Gastgeber überspielen.