1985: Austria erkämpft ein 3:3 gegen Bayern München [Spiel-Analyse]

Nach einer starken Anfangsphase mit hohen Pressing und schnellem Umschaltspiel musste die Wiener Austria mit einem 1:1 in die Pause. Zwar konnten sie in der zweiten Hälfte nach einem Rückstand noch den Ausgleich erzielen, schieden jedoch nach dem verlorenen Hinspiel aus dem Europapokal der Landesmeister aus.

+ + 90minuten.at Exklusiv + + Eine Spielanalyse von Simon Goigitzer

 

Austria Wien wurde in der Saison 1984/85 österreichischer Meister. Somit spielten sie in der darauffolgenden Spielzeit im Europapokal der Landesmeister. In der ersten Runde trafen die Wiener auf BFC Dynamo, ein Berliner Fußballklub, der in den 1980 mehrere Jahre hintereinander Meister der DDR-Oberliga wurde. Heute spielt BFC Dynamo in der Regionalliga Nordost. Nachdem die Austria die ostdeutsche Mannschaft mit einem Gesamtscore von 4:1 aus dem Bewerb warfen, trafen sie im Achtelfinale auf den FC Bayern München. Das Hinspiel verlor die Wiener Austria mit 4:2 und musste im Rückspiel im Gerhard-Hanappi-Stadion mit mindestens zwei Toren unterschied gewinnen.

In der Startelf der Wiener standen bekannte Spieler, wie zum Beispiel Tormann Franz Wohlfahrt, Mittelfeldspieler Herbert Prohaska und Tibor Nyilasi. Zudem stürmte zu dieser Zeit Toni Polster für die Violetten. Auf der Seite des FC Bayern spielten Jean-Marie Pfaff, Klaus Augenthaler und Michael Rummenigge.

 

Austria Wien mit einer starken Anfangsphase

Die Violetten starteten das Spiel in einer 4-3-3-Formation. Da sie im Hinspiel verloren versuchten sie schon von Beginn die Münchner früh unter Druck zu setzen. Auch im Pressing agierten die Wiener in einem 4-3-3 und konnten die gegnerischen Verteidiger oft zu einem Rückpass zum Tormann zwingen. (Abbildung 1)

Damals gab es noch eine andere Rückpassregel. Das heißt, dass die Austria im Pressing den FC Bayern zurückdrängte, die Gäste jedoch zum Tormann zurückspielt konnten, Pfaff den Ball in die Hand nehmen und hoch nach vorne ausschießen konnte.

Allerdings kam die Wiener Austria immer wieder zu hohen Balleroberungen. Bayern machte besonders am Anfang des Spieles viel Aufbaufehler und die Gastgeber konnten so immer wieder in offensive Umschaltsituationen kommen. Zum hohen Pressing kamen auch immer wieder aggressives „Forechecking“ der defensiven Mittelfeldspieler oder Verteidiger, um vertikale Pässe abzufangen. Das heißt, sie ließen oft den Gegenspieler frei und für die Ballführenden schien es, als ob man den Spieler anspielen konnte. Jedoch warteten die Profis der Austria auf diesen Pass, antizipierten und konnten den Ball oft abfangen. In den Anschlussaktionen folgte meistens ein Konter. Dieses Spiel war sehr zweikampfbetont und vor allem in der ersten Hälfte gab es viele Unterbrechungen durch Fouls. Daher kam auf beiden Seiten auch wenig Spielfluss zustande. Doch wie tat sich die Wiener Austria im Spielaufbau?

Die Gastgeber bauten mit einer Viererkette auf. Die Violetten versuchten auch kaum lange Ballbesitzphasen zu haben. Immer wieder wurde versucht schnell mit flachen vertikalen Pässen nach vorne zu spielen. Auffällig war sofort, dass die beiden Innenverteidiger sehr wenig mit dem Spielaufbau selbst zu tun haben. Mittelfeldspieler Prohaska kam nämlich aus dem Mittelfeld immer weit nach hinten und holte sich beinahe direkt von den Verteidigern den Ball und versuchte den Spielaufbau zu gestalten. (Abbildung 2)

In dieser Situation holte sich Prohaska den Ball sogar vor der ersten Pressinglinie des FC Bayern. Durch das nahe Entgegenkommen konnte er sich auf sich aufdrehen und zudem gab es keinen der den Pass auf Prohaska abfangen konnte. Auch zu sehen war, dass er sich sich mit Schulterblicken umschaute, um zu wissen ob er attackiert wurde oder nicht.

Er war einer der Wichtigsten im zentralen Mittelfeld und spielte eine große Rolle. Vor allem durch seine flachen vertikalen und diagonalen Pässe nach vorne konnte die Austria immer wieder das Pressing der Münchner überbrücken und in die gegnerische Hälfte kommen. Besonders kurze vertikale Pässe hinter die erste Pressinglinie waren von Prohaska sehr effektiv. (Abbildung 3)

In dieser Situation sieht man, wie Prohaska nur mit einem kurzen diagonalen Pass hinter die erste Pressinglinie fünf Gegner überbrückt.

Der FC Bayern hatte große Probleme einen kleinen Abstand zwischen den Linien zu halten. So kam es zum Beispiel, dass die Abwehr und ein Sechser über 20 Meter von der ersten Pressinglinie entfernt war und die Austria immer wieder Pässe in diesem Zwischenlinienraum spielte. Das lag auch daran, dass die weiteren Mittelfeldspieler oft weit nach vorne rückten und damit die Abwehr auch noch nach hinten drängt, damit sich dieser freie Raum in der Mitte bildete.

Nach einer starken Anfangsphase mit mehreren Chancen ging die Austria jedoch, nach einem Tormannfehler, mit einem 1:1 in die Halbzeitpause. In der zweiten Halbzeit stellte Trainer Hermann Stessl die Formation um, damit die Austria noch offensiver agieren konnte und möglicherweise den Rückstand aufzuholen. Besonders im Ballbesitz agierte die Austria nur mehr in einer Dreierkette. Einer der beiden Außenverteidiger, meistens Hans Dihanich, rückte entweder am Flügel weiter nach vorne und der Flügelspieler rückte in eine extra Stürmerposition oder Dihanich bewegte sich auf der Sechserposition. Dadurch konnte ein weiterer Mittelfeldspieler nach vorne rücken. Somit ergaben sich Formationsstrukturen, wie ein 3-3-4 oder auch ein 4-2-4. Auch im Pressing wurde daraufhin eher im 4-2-4 attackiert. Allerdings zeigten sich besonders in der zweiten Hälfte einige Probleme in der Offensive (vor allem im letzten Drittel) und in der Defensive.

 

Wieso schaffte es die Austria nicht in die nächste Runde?

Zwar konnte Austria Wien sehr früh im Spiel nach einer Ecke in Führung gehen und in den ersten 20 Minuten mehrere Abschlussmöglichkeiten erspielen, allerdings ließ sie auch schnell nach. Bayern kam immer öfter in längere Ballbesitzphasen und kamen daraufhin auch zu einigen Chancen. Die Austria jedoch tat sich nun schwerer Chancen überhaupt zu erspielen. Sie konnten zwar Bälle erobern und die Umschaltsituation ausnutzen, um nach vorne zu kommen, allerdings passierten viel zu viele Fehler um den gegnerischen Strafraum. Vor allem die Entscheidungsfindung der Ballführenden war zu oft nicht situationsgerecht. Beispielsweise wurde zu oft außerhalb des Sechzehners geschossen, obwohl einige Spieler davor standen. In solchen Situation wäre es besser gewesen den Ball noch einmal mit einem horizontalen Pass weiterzuspielen.

Ein weiteres Problem war die Manndeckung in der Defensive. Der FC Bayern übte auch Manndeckung aus, machte dies aber um einiges besser. Bei der Wiener Austria gab es mehrmals Unstimmigkeiten, wer welchen Gegenspieler nun hat und so öffneten sich Räume, in denen die gegnerischen Stürmer hineinliefen. (Abbildung 4)

Wie zum Beispiel in dieser Situation. Beide Innenverteidiger deckten einen Gegenspieler gemeinsam. Da der Abstand zwischen rechten Innenverteidiger und rechten Außenverteidiger schon zu groß war, hätte der rechte Innenverteidiger auf seiner Position bleiben sollen und den Gegenspieler übergeben müssen. So ergab sich in der Abwehr eine große Lücke, die Bayern auch versuchte auszunützen. Jedoch war der Ball in die Tiefe aus dem Mittelfeld zu weit und der gegnerische Stürmer kam nicht zu einer Ballannahme.

 

Fazit

Nach einer starken Anfangsphase und einer frühen Führung ließ die Wiener Austria immer mehr nach. Kurz vor der Pause bekamen sie noch dazu das 1:1. Für die zweite Hälfte stellte Stessl die Formation um, was vor allem in den ersten beiden Aufbaulinien half. So kamen sie öfter in das letzte Drittel, hatten jedoch zu viele Fehler in der Entscheidungsfindung. Zweimal gingen sie noch in Rückstand und konnten immer wieder den Ausgleich erzielen. Dennoch reichte es, aufgrund des Hinspieles, nicht für das Weiterkommen in der Champions League. Allerdings sah man, so wie bei den Spielanalysen vom SK Rapid im Jahr 1996 oder vom GAK im Jahr 2004, dass österreichische Mannschaften schon früher im internationalen Bereich mithalten konnte.

 

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