Runderneuerte Austria braucht gegen Innsbruck lange um auf Touren zu kommen - eine Aspektanalyse

Trotz vier Neuzugängen in der Startelf gerät die Mannschaft von Thomas Letsch früh in Rückstand, vor allem die erste Halbzeit verläuft zäh. Erst mit zunehmender Spieldauer kann die Austria ihre Überlegenheit ausspielen und fährt schlussendlich einen verdienten Auftaktsieg ein.

Eine Spielanalyse von Momo Akhondi

 

Nach dem enttäuschenden 7. Platz in der Vorsaison nutzte die Wiener Austria den Sommer für den totalen Neustart. Spielgestalter Holzhauser und Sportdirektor Wohlfahrt verließen den Verein. Zum Auftakt gegen Innsbruck standen nicht weniger als sieben Neuzugänge im Kader der Veilchen. Mit Igor, Ebner, Matic und Turgeman brachte Thomas Letsch gleich vier davon in der Startelf. In den bisherigen Pflichtspielen setzten die Veilchen, wie schon zum Ende der Vorsaison, auf ein Rautensystem im 4-1-2-1-2 welches je nach Situation zu einem 4-1-3-2 (mit dem Ball) oder zu einem 4-3-3 (gegen den Ball) abgewandelt wurde. In dieser 4-Raute-2 Formation spielt Igor als linker Innenverteidiger und zeigt als spielstarker, athletischer Linksfuß eine Partie welche – trotz Teilschuld beim Gegentreffer – durchaus Hoffnungen weckt. Thomas Ebner kommt als alleiniger Sechser – auch „Ankersechser“ genannt – zum Einsatz und hat zuweilen noch Schwierigkeiten mit dieser anspruchsvollen Rolle. Uros Matic hingegen spielt als ausweichender linker Achter, tauscht hierbei jedoch immer wieder mit Prokop und vor allem Alex Grünwald die Position. Alon Turgeman kommt neben Kevin Friesenbichler im Doppelsturm zum Einsatz und muss vor allem oft auf die Seiten ausweichen um hinter die Abwehr der Innsbrucker zu kommen.

Die Innsbrucker haben sich ihrerseits einiges vorgenommen und überraschen die Gäste mit einem 5-4-1 gegen den Ball. Karl Daxbacher bringt mit Baumgartner, Meusburger und Maak gleich drei Innenverteidiger, welche von Vallci und Schimpelsberger flankiert werden. Davor hat man mit Kerschbaum und Henning zwei Sechser die ihrerseits von Durmus und Rakowitz auf den Seiten unterstützt werden. An vorderster Front stürmt Routinier Dedic.

 

Wir haben Probleme gehabt, Zugriff zu bekommen. Unsere Rechnung, wo wir Räume bekommen würden, ging nicht auf.

Thomas Letsch

Nach dem Spiel muss auch Austria-Trainer Letsch zugeben, dass ihn sein Trainerkollege in der Tat überrascht hatte:

Austrias Probleme in der ersten Halbzeit

Problem #1: die drei Innenverteidiger der Gäste

Das Offensivspiel der Austria ist unter Thomas Letsch zwar sowohl vertikaler, als auch geradliniger nach vorne als unter Thorsten Fink, doch auch unter dem Ex-Liefering Trainer suchen die Veilchen durchaus spielerische Lösungen im Aufbauspiel.

Um sauber hinten heraus zu spielen, lassen sich die Außenverteidiger Salamon und Klein weit zurückfallen und stehen oft auf der gleichen Höhe wie die Innenverteidiger Igor und Madl. Von dort aus versuchen sie das Spiel mitaufzubauen. Vor der Viererkette positionieren sich die vier Mittelfeldspieler der Austria in einer sehr engen Raute. Wenn die Innsbrucker erkennen, dass der Gegner im Zentrum so eng steht, antworten diese verständlicherweise ebenfalls mit einem Zusammenziehen im Zentrum.

Dadurch, dass sowohl die Gäste als auch die Austria das Zentrum verdichten, ist es nur natürlich, dass sich links und rechts davon Räume öffneten. In diese scheinbar (!) freien Räume seitlich des zentralen Ballungsraum wollen die Veilchen auch spielen, indem sie ihre beiden Mittelstürmer Turgeman und Friesenbichler auf die Außen ausweichen lassen. Immer wieder suchen die Innenverteidiger Igor und Madl, nicht selten auch Keeper Pentz, die beiden mit gelupften Bällen.

Mit ihren drei Innenverteidigern stehen die Innsbrucker jedoch ideal, um auf die Stürmer der Austria mannorientiert herausrücken zu können. Der Raumvorteil der Austria ist dadurch praktisch nicht mehr existent. Im Cup gegen das Team Wiener Linien ließ Karl Daxbacher sein Team noch mit einer Viererkette auflaufen. Wäre dies auch gegen die Austria der Fall, so hätte man gegen die ausweichenden Stürmer der Austria viel größere Probleme bekommen. Doch Trainer Daxbacher war nicht nur in diesem Aspekt sehr gut vorberietet.

Das Defensivsystem der Innbrucker hat jedoch auch Schwächen. Ob mit „echter“ Dreierkette, Fünferkette oder auch einer pendelnden Mischform: das Verteidigen mit drei Innenverteidigern kann sehr problematisch werden. Vor allem im Pressing ist die Rollenverteilung oft unklar: Wann darf der Flügelverteidiger pressen? Wann sichert der ballseitige Innenverteidiger ab? Wann sichert er durch? Wann hält er seine Position? Viele Defensivmechanismen sind in einer Viererkette schlichtweg intuitiver.

 

Die Austria versucht deshalb ihrerseits die Schnittstellen zwischen Innen- und Außenverteidiger bei den Gästen anzulaufen und so hinter die Tiroler Abwehr zu kommen. Die beiden Stürmer Turgeman und Friesenbichler starten in diese Schnittstellen und fordern den Ball in die Tiefe hinter die Abwehr der Gäste.

Die Außenverteidiger Salamon und Klein spielen dabei am Liebsten den Ball „longline“ – also die Seitenlinie entlang. Dort sprinten Turgeman und Friesenbichler hinter dem herausrückenden Innsbrucker Außenverteidiger (in diesem Fall Vallci) und kriegen den Ball im Idealfall an der Seitenlinie.

Doch dieses Manöver können die Innsbrucker – vor allem in der ersten Halbzeit – gut verteidigen, obwohl der Ansatz der Austria der Richtige ist. Kommt der Ball einmal tatsächlich an, wird der Austria-Stürmer nach außen gedrängt und ist in der Regel eher isoliert. Daher können die Gastgeber mit dem vermeintlichen Raumgewinn auch eher wenig anfangen. Wenn beide Stürmer auf die Seiten ausweichen, fehlt es außerdem klarerweise an Präsenz im Zentrum.

  

Problem #2: Spiel in die falschen Räume

Die Gäste boten in ihrem engen 5-4-1 den Veilchen wenig Platz. Der Zwischenlinienraum zwischen Abwehr und Mittelfeld ist hier quasi inexistent. Vor allem die Art und Weise mit der die äußeren Mittelfeldspieler Durmus und Rakowitz gegen den Ball agieren lässt die Austria lange Zeit alt aussehen.

Gegen den Ball stehen Durmus und Rakowitz nicht immer auf der gleichen Linie wie Kerschbaum und Henning. Oft stehen sie ein Stück weiter vorne und können so auf den ballführenden Innenverteidiger draufgehen. Also presst Rakowitz immer wieder auf Igor raus, Durmus auf Madl. Die Innsbrucker verteidigen streng genommen in einem 5-2-2-1 und die Halbräume erscheinen zunächst jedoch frei. Zwar baut der herausrückende Innsbrucker einen Deckungsschatten auf und versucht dadurch den Passweg zu blockieren, doch vor allem Igor kann mit seiner spielerischen Klasse den eröffnenden Pass an Rakowitz vorbei spielen. Soweit so gut.

Sowohl die schlechte Grundordnung der Austrianer, als auch das Freilaufverhalten einzelner Offensivspieler ermöglichen es den Innsbruckern zunächst, die Angriffe der Austria sehr leicht zu verteidigen.

 

Die Offensivspieler der Austria positionieren sich zwar immer wieder gut im Zwischenlinienraum, kommen im Spielaufbau dann jedoch sehr weit entgegen um den Ball zu empfangen. Oft erhalten sie den Ball dadurch gar nicht mehr zwischen den Linien des Gegners, sondern vielmehr vor dem Mittelfeld. Ein weiteres Problem ist, dass die Halbräume in erster Linie – wieder – von den beiden Stürmern (auf Bild 5 ist es Turgeman) besetzt werden. Dadurch kann der Innenverteidiger der Innsbrucker ohne Sorgen mit seinem Gegenspieler mitgehen. Maak muss sich auf Bild 5 beispielsweise nicht fürchten, dass in seinem Rücken Friesenbichler davoneilt, da dieser ja auf der anderen Seite steht. Am Ehesten könnte noch „Zehner“ Prokop auf Bild 5 hinter die Abwehr starten, doch direkte Gefahr besteht in diesem Fall keine.

Selbiges gilt in dieser Szene auch für den Rechtsverteidiger Schimpelsberger. Salamon ist im Spielaufbau der Austria stark eingebunden und steht dadurch sehr tief. Auch hier besteht eher keine direkte Gefahr für den Außenverteidiger der Tiroler und er kann ohne Weiteres auf Turgeman gehen.

Die Innsbrucker bilden so ein Abwehr-Dreieck um Turgeman und machen es ihm fast unmöglich den Ball zu verarbeiten. Zählt man den herausrückenden Rakowitz dazu so schaut die Abwehr der Innsbrucker sogar wie eine Raute aus. Doch egal ob Raute oder Dreieck: Turgeman kriegt den Ball in einer denkbar ungünstigen Position, ist umzingelt von Gegenspielern und hat dadurch kaum eine sinnvolle Passoption.

 

Gleiches Spiel auf der Gegenseite, Durmus rückt auf Madl heraus, Prokop kommt weit entgegen um den scheinbar freien Halbraum zu besetzen und bekommt tatsächlich den spielöffnenden Pass von Madl. Florian Klein ist in erster Linie dazu da Madl im Spielaufbau zu unterstützen und steht dadurch eher hinten.

Erneut sind die Probleme der Austria im Spielaufbau erkenntlich: Prokop erhält den Ball nicht mehr zwischen den Linien, obwohl seine Startposition eigentlich dort war. Durch das weite Entgegenkommen nimmt er den Ball wieder auf Höhe des Mittelfelds an. Der Innsbrucker Linksverteidiger Vallci kann ihn sofort attackieren, da von Florian Klein weit und breit keine Gefahr ausgeht. Daneben hat Kerschbaum seinen direkten Gegenspieler Alexander Grünwald im Schwitzkasten. Einzig Innenverteidiger Baumgartner kann hier nicht dir-nix-mir-nix rauspressen, da in seinem Rücken Kevin Friesenbichler lauert. Trotzdem steht Dominik Prokop auch hier wieder in einer eher schlechten Position: auf Höhe des gegnerischen Mittelfeldes und umzingelt von Innsbruckern.

Ein möglicher Lösungsansatz für Trainer Letsch wäre es gewesen den ballseitigen Außenverteidiger im Angriff höher aufschieben zu lassen um den Offensivspielern eine Ablage-Möglichkeit zu bieten. Wenn Turgeman auf Bild 5 beispielsweise direkt auf Salamon hätte prallen lassen können, wäre die Ballprogression der Austria um ein einiges sauberer verlaufen. Ein stärkeres Einrücken des ballfernen Außenverteidigers Klein, hätte das Hochschieben von Salamon auch gleich absichern können.

Des Weiteren hätte Letsch vermehrt gegengleiche Bewegungen in der Offensive forcieren müssen. Kommt ein Stürmer entgegen um den Ball im Halbraum anzunehmen, so muss zwingend ein Mittelfeldspieler als sogenannter „dritter Mann“ den gegengleichen Weg in die Spitze gehen um den Raum hinter den herausrückenden Innenverteidiger der Innsbrucker einzunehmen – hierfür hätte sich vor allem Prokop als „Zehner“ angeboten. Damit bringt man die Innsbrucker Verteidigung in ein Dilemma: Entweder der Innenverteidiger verlässt seine Position um Turgeman zu stellen und riskiert dadurch, dass der Raum in seinem Rücken frei wird, oder er hält seine Position was Turgeman wiederum die Möglichkeit gibt aufzudrehen und mit Gesicht zum Tor anzugreifen.

 

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