Canadis Flankenfokus wird für die Spitze nicht reichen
In Teil 2 der großen Rapid-Analyse von 90minuten.at widmen wir uns dem Flankenspiel von Damir Canadi, das auch auf lange Sicht nicht zum Erfolg führen wird. Eine Analyse von Momo Akhondi.
Die große Rapid-Analyse in drei Teilen: Rapid ist in der wohl schwersten Krise der vergangenen Jahre. Statt Meistertitel und Europa League kämpft der Klub mit Damir Canadi darum, nicht in den Abstiegssumpf hineingezogen zu werden.
90minuten.at analysiert die Rapid-Krise in drei Teilen:
Teil 1: Rapid und Canadi: Trainerbestellungen und der Zwang nach Narrativen.
Teil 2 (dieser Artikel): Canadis Flankenfokus wird für die Spitze nicht reichen
Teil 3 (erscheint am Mittwoch, 5.4): Rapid braucht mehr Positionsspiel. So schnell wie möglich.
Auf der Pressekonferenz nach dem Mattersburg-Spiel überraschte Damir Canadi mit folgender Aussage: „Heute haben wir wieder ein Tor gemacht nach einer Flanke. Also auch etwas Positives aus den ganzen Flanken. Wenn wir es schaffen pro Spiel ein Tor aus den Flanken zu erzielen (…) ich sehe da viel Potenzial nach oben“
24 Flanken in den Strafraum pro Spiel
Canadi bestätigte damit einen Eindruck, den man seit langem hat, wenn man die Rapid-Spiele unter dem Ex-Altach-Trainer beobachtet: Bereits sehr früh wird der Ball flach auf die Außenbahn gespielt. Die Flügelverteidiger im 3-1-4-2/3-4-3 machen in der Folge viele Meter mit dem Ball und landen oft in Flankenpositionen am gegnerischen Strafraumeck. Von dort fliegen dann durchschnittlich 24 Flanken in den Strafraum des Gegners.
In den letzten sechs Spielen erzielte Rapid aus dem Spiel heraus zwei Tore nach Flanken. Rapid gelang im Frühjahr also ein Tor alle 50-60 Flanken. Coach Canadi würde sich aber ein Tor pro Spiel wünschen, was einer Quote von 1/25 entspricht. Laut OPTA wird in der österreichischen Bundesliga jede 55. Flanke direkt verwertet, also ungefähr soviele, wie Rapid zurzeit gelingen. Sogar wenn man die unmittelbaren Aktionen nach einer Flanke miteinberechnet, kommt man nicht annähernd auf die Werte die Canadi vorschweben.
Natürlich wird in diesem Zusammenhang immer wieder die Kaderzusammenstellung zu Saisonbeginn kritisiert – zuletzt sogar öffentlich von Canadi selbst. Rapid fehlen die Spieler für dieses flankenfokussierte Spiel, dementsprechend wünscht sich der Wiener einen Umbruch im Sommer.
Erfolge in Altach
Berufen kann sich der 46-jährige dabei auf seine Erfolge bei Altach. Dort konnte man sich mit einem 3-1-4-2, welches stark über die Flügel kam, den „Titel“ als Winterkönig sichern. In den siegreichen Partien unter Canadi in dieser Saison hatte Altach jedoch durchschnittlich unter 40% Ballbesitz. In diesem Zusammenhang sind schnelle Flügelangriffe ganz anders zu bewerten. Befindet sich ein Gegner in der Vorwärtsbewegung, fokussiert sich die sogenannte Restverteidigung (die Absicherung des laufenden Angriffs) auf zentrale Räume, wobei die Flügel meist freigelassen werden müssen. Diese Räume sind für die Altacher oft verfügbar, um Konter zu fahren.
Ein ausgezeichnetes Beispiel für schnelle Flügelkonter war der imposante 5:1 Sieg Canadis gegen die Wiener Austria. Ein ganz anderes Spiel gegen die Wiener Austria aus der Hinrunde dieser Saison hätte jedoch für Canadi ebenso wie für Rapid als Warnung dienen können: Im August 2016 kam Altach in die Verlegenheit, klar mehr Ballbesitz als der Gegner zu haben. In Wien kam Canadis Altach gegen die Austria auf 57.6% Ballbesitz. Dadurch, dass der Gegner jetzt nicht mehr in Umschaltsituationen erwischt werden konnte, sondern aus einer organisierten Defensive agierte, führten Altachs Flügelangriffe rasch in eine Sackgasse. In weiterer Folge konnte sich Altach nur mehr mit aussichtslosen Halbfeldflanken helfen, verlor das Spiel schlussendlich 1:3 und schlug dabei knapp 20 Flanken, von denen nur eine einen Abnehmer fand - und keine zu einem Torerfolg führte.
Das bringt uns auch schon zum Grund, wieso Canadis Flügelfokus nicht ohne Weiteres auf Rapid übertragbar ist. Rapids Gegner haben in der Regel klar weniger Ballbesitz. Dadurch, dass der Gegner also aus einer geordneten Verteidigung heraus agieren kann, sind die zentralen Räume automatisch mit mehreren Spielern besetzt. Wie bereits in der letzten Analyse beschrieben, will Rapid unter Canadi dadurch bereits sehr früh während des ersten Ballvortrags den Pass auf die Außenbahn spielen.
Der frühe Pass auf die Außen, ist für den Gegner nicht nur leicht zuzustellen, sondern zwingt ihn auch schlichtweg nie aus seiner Ordnung heraus. Das Spiel über das Zentrum wird von Rapid hingegen sehr selten gesucht und wenn einmal durch die Mitte gespielt wird, passiert dies auf eine viel zu direkte Art und Weise, sodass die Gefahr für Ballverluste sehr hoch wird. Solche Ballverluste wiederum führen im Umkehrschluss dazu, dass die Mannschaft die Finger von solchen Pässen durchs Zentrum lässt und sich noch weiter auf das Flügelspiel versteift.
Das lineare Spiel der Outlinie entlang führt dazu, dass sich der Gegner simpel mit der gesamten Mannschaft fallen lassen und schlussendlich mit einem 8er oder 9er Block am eigenen Strafraum verteidigen kann. Womit die Chancen auf eine direkt verwertete Flanke automatisch um ein Vielfaches geringer sind. Man kann festhalten, dass Rapid im Spielaufbau durch das frühe Verlagern auf den Flügel den Ball bewegt, nicht jedoch den Gegner.
Dass dabei Spieler wie Schaub und Schwab in Rollen gezwungen werden, die ihnen offensichtlich nicht liegen, kommt erschwerend hinzu (siehe dazu morgen Teil 3 – Rapid braucht Positionsspiel).