Warum Österreich zurück fällt [UEFA-Fünfjahreswertung]
Der SK Sturm Graz verabschiedet sich maus der Europa Conference League. Österreich wird die Europacupsaison höchstwahrscheinlich auf Rang 13 beenden. 90minuten.at analysiert die Sachlage.
+ + 90minuten.at PLUS - Von Georg Sohler + +
„Es ist uns gelungen, die Grenzen zu erweitern“, sagte SK Sturm Graz-Trainer Christian Ilzer nach dem 1:1 in Frankreich bei OSC Lille. Der aktuell Vierte einer Topliga war verständlicherweise eine Nummer zu groß. Österreich wird die Saison wohl auf Rang 13 beenden. Hinter rot-weiß-rot liegen nur noch die Griechen, Olympiakos Piräus dreht ein 1:4 im Hinspiel gegen Maccabi Tel Aviv noch, PAOK Saloniki stieg trotz 0:2 im ersten Durchgang gegen Dinamo Zagreb noch auf. Österreich hat aber mit 3.075 Punkten einen satten Polster. Bei insgesamt noch neun zu spielenden Partien und Bonuspunkten ab dem Halbfinale nicht unmöglich, aber auch nicht hoch wahrscheinlich.
Die Losfee und die eigene Nase
Warum liefert Österreich mit 4.800 die schwächste Spielzeit seit 2015/16 ab? Das beginnt schon einmal mit Austria Wien. Wer mit einer Gesamtscore von 6:5 ausscheidet, hätte logischerweise Chancen auf mehr gehabt. Und dann geht es natürlich auch um die Losfee, die Österreich in eingeschränkter Natur hold war. Rapids Conference League-Playoff-Gegner Fiorentina war von den gesetzten Klubs her zwar gemäß Koeffizient der zweitschwächste Gegner, aber eben aus einer Topliga. Möglich gewesen nach dem Seeding auch Club Brugge, Partizan Belgrad, PAOK Salonik oder Maccabi Tel Aviv; andere gesetzte Klubs wie Bodø/Glimt, Viktoria Plzen oder Midtjylland wären zumindest auf dem Papier vermutlich einfacher gewesen. Die Hütteldorfer haben alles gegeben, aber gegen die Fiorentina auszuscheiden ist kein Makel.
Doch das Losunglück setzte sich fort. Der LASK bekam es mit St. Gilloise, Toulouse und Liverpool zu tun. Da geht es eben maximal um Rang 3. Selbiges kann über den SK Sturm gesagt werden, wer Atalanta Bergamo und Sporting Lissabon zieht, duelliert sich eben nur mit Raków Częstochowa. Dass man Slovan Bratislava schlug, ist gut, irgendwann wird die Luft dünn. Natürlich hat die Europa League durch die letzte Reform an Qualität gewonnen. Aber Gegner Sturm hätte mit den Rangers (Topf 1), Slavia Prag und Qarabag (Topf 2) auch am Papier einfachere Gegner bekommen können, der LASK statt St. Gilloise und Toulouse auch Molde, Tiraspol, Sparta Prag, Maccabi Haifa (Topf 2) oder Backa Topola, Genf, Limassol oder Häcken (Topf 4) bekommen können. Red Bull Salzburg hat mit Real Sociedad auch nicht gerade den einfachsten Gegner aus Topf 4 gezogen, denn dort wären neben weiteren Hammerlosen schon auch die Young Boys Bern, Celtic oder Antwerpen gewesen.
Dennoch wurde dann gespielt und da muss man schon attestieren, dass beim LASK und Salzburg doch noch ein Weiterkommen möglich gewesen wäre. Sich nur auf das Lospech/-glück ausreden reicht nicht, aber man kann das erwähnte auch nicht einfach zur Seite wischen. Die Athletiker sind zu spät in die Gänge gekommen, die Salzburger zahlen für das Projekt „Jugend forscht“, nebst vieler Verletzungen, halt einen gewissen Preis.
Back to normal
Umgekehrt muss man die Sachlage auch richtig bewerten. Den Zyklus 2017/18 bis 2021/22 schloss Österreich auf Rang 8 ab, 18-23 auf 10 (dieser ist für 2024/25 ausschlaggebend), nun ist man auf Rang 13. Was war da damals, als Österreich 8. war? Zunächst waren sowohl Salzburgs Halbfinale in der Europa League 2017/18 enthalten, als auch die beste Saison, 2021/22 (RBS im CL-Achtelfinale, Rapid via EL-Gruppenphase in der ECL-Zwischenrunde, Sturm in der Gruppenphase der EL, LASK mit 16 von 18 Punkten im ECL-Achtelfinale). Mehr als neun Punkte sind für Österreich außergewöhnlich. Das gelang davor zuletzt 2009/10 (Salzburg hatte damals alle EL-Gruppenspiele gewonnen). Rechnet man nun alle Saisonen von 2009/10 bis 2023/24 durch, dann ergibt sich ein Mittelwert von rund 6.300 Punkten. Insofern ist die Saison natürlich unterdurchschnittlich. Das liegt allerdings auch an den eigenen Erfolgen bzw. der Logik der Fünfjahreswertung. Wer beispielsweise nur vier Vereine im Bewerb hat, erhält im Verhältnis eben mehr Punkte. Wer beispielsweise weiter hinten liegt, aber generell eine starke Liga hat, kann in der Qualifkation mehr Punkte sammeln bzw. spielt dann in der leichteren Europa Conference League.
Das führt auch schon zu einem entscheidenden Grund für einen Höhenflug: Schlichtweg die Schwäche anderer Länder, die traditionell über Österreich zu stellen sind. Als Österreich Achter war, waren davor die klassischen Nationen: England, Spanien, Italien, Deutschland, Portugal und die Niederlande. Das heißt, dass normalerweise starke Nationen hinter Österreich waren. Russland (10.), die Ukraine (12.), Belgien (13.) oder die Türkei (20.) sind Nationen, die im Regelfall aus verschiedenen, oft finanziellen Gründen, stärkere Ligen haben. Österreich ließ aber auch Länder auf Augenhöhe – Schottland (9.), die Schweiz (14.), Griechenland (15.) oder die Tschechische Republik (16.), Dänemark (18.)- hinter sich. Wirft man einen Blick auf die aktuelle Saison, sind eben Belgien und die Türkei (8., 9.) quasi logischerweise vor Österreich. Hinter sich lasen kann man nach wie vor Dänemark (15.), Griechenland (17.) oder die Ukraine (18.= sowie die ausgeschlossenen Russen (29.).
Vor Österreich liegen nun noch auf den Rängen 10 bis 12 Schottland, die Tschechische Republik und die Schweiz. Hier liegt nun der Teufel im Detail. Celtic hatte den CL-Fixplatz, schied als Gruppenvierter aus. Die Rangers landeten in einer EL-Gruppe mit Sparta Prag, Betis Sevilla und Aris Limassol. Es gibt schwerere Auslosungen. Aberdeen konnte zudem in der ECL sechs Punkte sammeln. In der Königsklasse war kein Tscheche, Sparta schaffte eben Rang 2 hinter den Rangers, Slavia gewann seine Gruppe (Roma, Servette, Tiraspol), Plzen holte in der überschaubar schwierigen Gruppe mit Dinamo Zagreb, Astana und Ballkani das Punktemaximum. Die Young Boys konnten Roter Stern Belgrad hinter sich lassen und traten gegen Sporting der EL-Zwischenrunde an (verloren dort). Servette Genf konnte als Dritter in der EL bis ins ECL-Achtelfinale kommen. Lugano holte auch noch vier Punkte in der ECL und wurde Letzter. Außergewöhnlich war die Saison für Tschechien (13.250, vier Teilnehmer).
Lehren ziehen
Ab nächster Saison wird mit der Europacupreform und neuem Ligenmodus wieder alles anders. Es gibt jeweils 36 Mannschaften, also vier mehr, in CL und EL acht Spieltage, in der ECL derer sechs. Wie sich das auch die Chancen der heimischen Klubs auswirken wird, ist natürlich noch offen. Und auch wenn es letztlich schmerzen mag: Aktuell ist Österreich ohnehin dort, wo man hingehört, knapp hinter den Top10. Ein paar Details hätten da für einen anderen Ausgang sorgen können, Stichwort Salzburg. Hätte Benfica nicht in der Nachspielzeit getroffen...
Pech in so mancher Situation darf aber über zwei Punkte nicht hinwegtäuschen: In den letzten Jahren wurde sehr viel richtig gemacht. Das ist die eine Seite. Die andere ist, dass die Verantwortlich hoffentlich schon auch gut analysieren werden, wie der Faktor Glüch/Pech minimiert werden kann. Dann kommt der Fixplatz in der Königsklasse (Rang 10) vielleicht wieder in Reichweite.