Ein Sturm-Lauf ist nicht alternativlos [UEFA-Fünfjahreswertung]
Der SK Sturm hat am Donnerstag einen großen Schritt Richtung Conference League-Achtelfinale gemacht. Der deutliche Heimsieg gegen Slovan Bratislava ist für die Fünfjahreswertung sehr gut, unter Umständen ist das aber nicht so wichtig.
+ + 90minuten.at PLUS - Von Georg Sohler + +
Die aktuelle Lage in Sachen Europacup aus rot-weiß-roter Sicht in kurzen Worten: Rapid und Austria sind in der Qualifikation hängen geblieben. Der LASK ist in einer schwierigen Europa League-Gruppe zu einem gewissen, durchaus erfreulichen Teil an sich selbst gescheitert, hatte am letzten Spieltag sogar noch Chancen auf ein Überwintern. Red Bull Salzburg schied das erste Mal seit 2016/17 vor der Winterpause aus dem Europacup aus – auch nur wegen der schlechteren Tordifferenz. Der SK Sturm wiederum schaffte nach 23 Jahren wieder ein europäisches Überwintern. Schmeichelhaft im Zustandekommen, aber nachdem man im Jahr zuvor in einer Gruppe, in der alle Teams letztlich acht Punkte sammelten, ausschied, eine Kompensation des Fußballgottes, so man an diesen glaubt. Dank des 4:1 gegen Slovan Bratislava stehen die Blackies mit einem Bein und mehr im Achtelfinale der (noch) Europa Conference League.
Im kommenden Jahr ist man dank vergangener Erfolge noch 10. Schon die Europacup-Saison 2022/23 war mit 4.900 Punkten schlecht, mit bis heute 4.200 unterbietet Österreichs Klubfußball diesen Wert aber noch einmal. Zuletzt weniger Punkte gab es 2015/16. Der Wert von 3.800 ist aber wenigstens schon überboten. Verbleibt Österreich auf Platz 12, bedeutet das für die Saison 2025/26 folgendes: kein Champions League-Fixplatz, sondern Playoff. Der Zweite muss, wie bei den Plätzen 10 bis 15 auch, in der zweiten Qualirunde ran. Für Rang 8 bis 12 gibt es einen Platz für den Cupsieger im Playoff zur Europa League und einen zweiten Startplatz in Q2. Im Falle eines Rückfalls auf Platz 13 (bis 15) gibt es nur einen EL-Platz, in Q3. Der national Vierte muss in Q2 der (dann ohne Europa) Conference League ran, ab Rang 13 auch der national Dritte. Österreich befindet sich in einem engen Match, konnte aber die Schweiz überholen und rangiert auf Rang 12 der UEFA-Fünfjahreswertung. Das Erfreuliche: Selbst, wenn Sturm das Kunststück eines Ausscheidens in der Zwischenrunde vollbringen sollte, könnte sich der Status Quo ausgehen. Die grundsätzliche Anzahl von fünf Startern (ohne Fixplatz in der CL) ist auf den Plätzen 10 bis 15 gleich, nur die Anzahl der zu überstehenden Qualifikationsrunden ändert sich in ein paar Details.
Die Gegner
Dieser Umstand lässt sich durch die Hinspiele schon erklären. Die knapp hinter Österreich liegende Schweiz ist noch mit zwei Clubs vertreten. Die Young Boys haben ihr Finalrunden-Play-Off gegen Sporting Lissabon mit 1:3 verloren, stehen vor einem Aus. Servette Genf remisierte torlos gegen Ludogorez Rasgrad, die Aufstiegschancen sind intakt – bei einem Vorsprung von 0.025 Punkten darf Österreich den Nordostbulgaren getrost die Daumen halten. Das Match gegen die Schweiz wird, wie der Bundespräsident sagen würde, arschknapp, aber zu gewinnen.
Dänemark ist noch mit dem FC Kopenhagen im Bewerb vertreten. Die zogen ins Champions League-Achtelfinale ein, dort Manchester City und würden dank 0.550 Punkten an rot-weiß-rotem Vorsprung selbst mit einem Sieg auf der Insel hinter Österreich bleiben.
1.375 Punkte hinter Österreich liegt Norwegen, noch mit Bodø/Glimt und Molde in der ECL vertreten. Bodø/Glimt remisierte gegen Ajax Amsterdam (2:2), Molde gewann gegen Legia Warschau (3:2). Die Siege der Skandinavier sind wegen nur vier Startern mehr wert. Drei Siege, keiner von Sturm und sie sind vorbei. Im Normalfall sollte Ajax die Norweger aber biegen können, konnte den 2:0-Rückstand aber erst in der Nachspielzeit egalisieren. Molde muss in Polen antreten – dass beide Klubs ins Achtelfinale einziehen, ist eher unwahrscheinlich. Österreich könnte auch diesen „Angriff“ abwehren.
Auf Rang 16 lauert schließlich noch Israel, mit derselben Ausgangslage wie Norwegen. Die Maccabis aus Tel Aviv (ECL-Gruppensieger) und Haifa (1:0 gegen Gent in der ECL) müssen vier Siege aufholen. Nicht unmöglich, aber Haifa muss den knappen Vorsprung in Belgien verteidigen, Tel Aviv kann ein leichtes Los bekommen (wie Servette/Rasgrad) oder ein schweres (wie Frankfurt oder Betis Sevilla, das aber gegen Zagreb verlor).
Griechenlands Vertreter mit 3.675 Zählern Rückstand müssten schon einen immensen Erfolgslauf starten. Olympiakos hat sich mit einem 1:0 gegen Ferencváros eine gute Ausgangslage geschaffen, PAOK steigt erst im ECL-Achtelfinale ein. Erwähnenswert noch die Ukraine – selbst wenn Schachtar Donezk alle Spiele inklusive Finale gewinnt, geht es sich nicht aus, vier Punkte aufzuholen.
Was bedeutet Rang 12
Rennt alles schief, könnte Österreich noch auf Rang 17 zurückfallen. Das hieße: Meister in Q2 der CL, Cupsieger in Q1 der EL, zwei weitere Starter in Q2 der ECL. Es ist unwahrscheinlich, dass alle Länder an Österreich vorbeiziehen. Rang 12 garantiert dem Meister einen Platz im CL-Playoff, dem Zweiten Q2 in der CL-Quali, der Cupsieger tritt im Playoff der EL an, der Dritte in Q2 der EL, der Vierte in Q2 der (der Einfachheit wieder mit dem E abgekürzt) ECL an. Die Ränge 13 und 14 bedeuten, dass der Cupsieger in Q3 der EL ran muss und die letzten beiden Klubs in Q2 der ECL. Platz 15 bedeutet darüber hinaus ein Antreten des Meisters in Q2 des Champions-Weges. Der fünfte Starter ist erst ab Rang 16 weg. Dass hier nun drei Länder noch mehr Punkte holen, ist möglich, aber wenig wahrscheinlich.
Sturm darf gerne weiter punkten und Rang 12 verteidigen, die diesjährigen Punkte wirken sich aber erst auf 2025/26 aus. Läuft aber alles für Österreich, könnte dieser Platz schon im Achtelfinale sicher sein. Ab 2024/25 werden alle Bewerbe dann vergrößert und mit je 36 Teams im Ligensystem ausgetragen. Eigentlich stehen die Chancen gar nicht so schlecht, dass man wieder mehr Punkte einfährt. Der Meister ist dank der guten Leistungen und Rang 10 im Zeitraum 18/19 bis 22/23 fix in der Gruppenphase, der Zweite tritt in Q2 ein und steigt bei einem direkten Ausscheiden in Q3 der Europa League im Pokalsieger- und Verfolgerweg ein, übersteht man diese Runde (gegen die Zweiten aus Serbien, der Türkei, der Schweiz, der Ukraine oder Tschechien), bedeutet ein Ausscheiden in Q3 die Ligaphase der EL. Der Cupsieger wiederum spielt im Playoff der EL und hat somit ein ECL-Ticket bereits in der Tasche. Der Ligadritte tritt ebenfalls in der EL-Quali (Q2) an, wechselt im Fall des Aufstieges in Q3 der ECL. Verliert man Q3, geht ins Playoff des Platzierungsweges der ECL. Der letzte Starter tritt in Q2 der ECL an.
Ein Aufstieg des SK Sturm ist nach dem 4:1 zum Glück hoch wahrscheinlich, aber eben noch nicht ganz fix. Mögliche Gegner im Achtelfinale reichen von „eigentlich kaum schlagbar“ (Aus den Topligen sind Lille, Aston Villa und die Fiorentina qualifiziert) über „schwer, aber nicht unmöglich“ (Fenerbahçe, Brügge, PAOK) bis hin zu „in dem Zusammenhang ein Glückslos“ (Maccabi Tel Aviv, Viktoria Pilsen).
Blick nach vorne
Was machen die Nationen vor Österreich nun besser? Eigentlich nicht allzu viel. Unsere nördlichen Nachbarn hatten letztlich einfachere EL-Gruppen. Sparta Prag wurde Zweiter hinter den Rangers, ließ Betis Sevilla hinter sich, der vierte Gegner war Aris Limassol. Noch immer leichter als die Sturm-Gruppe. Slavia Prag ließ sogar die Roma hinter sich, Servette und Sheriff Tiraspol sind aber leichter schlagbar als alle anderen Gegner von Sturm und dem LASK. Viktoria Pilsen zog in der ECL mit Dinamo Zagreb, Astana und Ballkani eine – bei allem Respekt – einfache Gruppe. Zum Vergleich: Rapid wäre aus Topf 3 gezogen worden, hätte-täte-Fahrradkette sich auch mit Dinamo, Pilsen und Ballkani duellieren können. Einzig die Bohemians verabschiedeten sich mit zwei Qualiniederlagen aus der ECL.
Die 2.550 Punkte Vorsprung, mit drei Teams im Bewerb, sind eigentlich nicht realistisch aufzuholen. Slavia Prag ist als Gruppensieger im Achtelfinale der EL, Sparta verlor das Hinspiel in der Zwischenrunde gegen Galatasaray Istanbul mit 2:3. Viktoria Pilsen ist als ECL-Gruppensieger bereits im Achtelfinale. Um die Tschechen einzuholen, müsste Sturm bei keinem einzigen Punkt für Slavia, Sparta und Pilsen ins Halbfinale kommen und dort einen Sieg einfahren. Unmöglich ist nichts, sehr wahrscheinlich ist das aber auch nicht.
Davor liegen die Schotten, mit 3.850 Punkten Guthaben auf Österreich. Schottland ist zwar nur noch mit den Rangers im Bewerb vertreten, aufgrund der Struktur der schottischen Liga mit einem gefühlten Abo der beiden Glasgower Vereine auf die ersten Ränge, seit die Rangers 2016/17 wieder ganz oben spielen, gibt es bei beiden Klubs viel Erfahrung für den Europacup. Das schlug sich nicht zuletzt in dem EL-Finaleinzug der Rangers im Jahr 2021/22 nieder. Celtic bekam einen Fixplatz und somit die Bonuspunkte. Die CL-Gruppengegner mit Atlético Madrid, Lazio Rom und Feyenoord Rotterdam waren zwar überschaubar, es reichte nur für vier Punkte. Aberdeen schaffte es in die ECL-Gruppenphase und konnte einen Sieg und drei Remis einfahren, die Hearts und Hibernian erreichten immerhin noch das Playoff,
Und da wäre noch der wieder erstarkte Player Türkei. Bereits 2022/23 konnte die zwischenzeitlich strauchelnde Liga Fenerbahçe (EL), Sivasspor und Istanbul Başakşehir (ECL) drei Achtelfinalisten stellen und 11.800 Punkte sammeln. Von den vier gestarteteten Klubs blieb nur Demirspor in der Quali hängen. Gala, Fener und Beşiktaş spielten Gruppenphase, wobei die beiden letzteren es in der ECL leichter hatten. Beşiktaş hatte gegen Brügge und Bodø/Glimt zwar das Nachsehen, sammelte aber mehr Zähler als Sturm und der LASK, dank vier Starter zählten diese auch mehr. Bereits nächstes Jahr sind die beiden zweistelligen Saisonen enthalten – Österreich ist 14., die viel größere Türkei startet von Rang neun aus. Ab Rang 8 mit Belgien, Portugal und den Niederlanden sowie den großen fünf Ligen ist die Luft ohnehin zu dünn für Österreich.
Learnings für 24/25
In der kommenden Saison gibt es summa summarum zwei fixe Gruppenphasen (CL/ECL) und eine weitere, wenn der Ligazweite Q2 der CL übersteht, In den 36er-Ligen gibt in CL und EL acht Spieltage, in der ECL derer sechs, um Punkte zu sammeln. Entscheidend für die Entwicklung der Admiral Bundesliga wird sein, dass man sich zumindest diese fünf Starter erhält und die Europacup-Millionen in nachhaltige Entwicklung investiert. Aus der aktuellen, eigentlich nur aus Sturm-Sicht befriedigenden EC-Saison, sollten die richtigen Learnings gezogen werden. Das bedeutet wohl auch einiges an Arbeit für die Sportdirektoren, denn die nachhaltige Entwicklung bedeutet natürlich, kurzfristig - also im Qualisommer - schlagkräftig sein zu können.