Warum Franco Fodas Punkteschnitt problematisch ist
Der Teamchef Franco Foda reagierte zuletzt gereizt auf Anmerkungen, das Nationalteam würde nicht gut genug sein. Sieht man sich aber Ergebnisse und Gegner an, zeigt das Luft nach oben an.
Wenn wir die nächsten acht Spiele 1:0 gewinnen, bin ich zufrieden.
+ + 90minuten.at Exklusiv + + Eine Analyse von Georg Sander
Es ist aus Erfahrung gar nicht so ungewohnt, dass ÖFB-Herrennationalteamchef Franco Foda auf Kritik eher barsch reagiert. Nach den Siegen im Test gegen Griechenland (2:1) und in der Nations League gegen Nordirland und Rumänien (0:1) sagte er gegenüber der 'APA' nach Kritik am teilweise passiven Verhalten: "Jeder hat das Bedürfnis zu glauben, er ist der größte Taktiker. Wir leben in einer Demokratie, jeder kann sein Urteil abgeben, doch ich kenne wenige Trainer, die bei einem 1:0 zu ihrer Mannschaft sagen, sie soll sich zurückziehen und nur noch verteidigen. Natürlich wäre es mir lieber gewesen, wir hätten die Spiele früher entschieden und nicht bis zum Schluss zittern müssen." (Leseempfehlung: Die 90minuten.at-Analyse: Österreich mit Qualität im Spielaufbau, aber passivem Pressing)
Dass Franco Foda und sein Vorgänger Marcel Koller die wohl beste Spielergeneration Österreichs als Teamchef betreuen, scheint außer Frage zu stehen. Trotzdem und auch trotz der Kenntnis rund um die Corona-Schwierigkeiten rumort es derzeit öffentlich rund um das Team - im Endeffekt seit der verpatzten Euro 2016. Stein des gegenwärtigen Anstoßes sind die knappen Siege in der Nations League oder anders gesagt: eben sehr passive Spielphasen, die den Gegner ins Spiel zurück holen sowie gegen Nordirland und Rumänien die Abwesenheit des zweiten Treffers. 27 Spiele lang betreut nun Franco Foda das Nationalteam, seit er im Herbst 2017 von Koller übernahm, der Punkteschnitt von 2,07 kann sich auf den ersten Blick sehen lassen. Dass darunter der erste Sieg gegen Deutschland seit Cordoba 1978, mag freuen, letztlich bedeutungslos war jenes Bewerbsspiel damals und der Test in Klagenfurt 2018 gleichsam – außer halt Balsam auf die oftmals geschundene Fußballseele des Alpenlandes. Gegenwärtig geht es aber um mehr.
Gegen wen wird hier gewonnen?
Denn der hochdekorierten Spielergeneration und einer geschafften Quali für die Euro 2020 bzw. 2021 zum Trotz, vermag das Team nicht zu elektrisieren. Das liegt eben auch an den gezeigten Leistungen. Diese sind zwar mehrheitlich positiv, zieht man den Punktschnitt heran, aber die Statistik verwässert auch. „Bei einem Fußballspiel verkompliziert sich allerdings alles durch die Anwesenheit der gegnerischen Mannschaft“, meinte schon der französische Romancier, Dramatiker, Philosoph, Religionskritiker und Publizist Jean-Paul Satre. Natürlich bestehen fast alle Nationalteams, gegen die Österreich spielt, aus Profispielern und in ein, zwei Spielen kann auch eine objektiv schlechtere Mannschaft ein, zwei Mal den besseren Plan haben. Aber nur den Punktschnitt heranzuziehen ist eben zu wenig.
Im aktuellesten FIFA-Ranking vor den drei Spielen (17. September) rangiert Österreich auf Platz 27, Europa-weit ist man die 16.-beste Nation, also „schwächer“ als die Bundesliga, die in der Fünfjahreswertung an den Top10 anklopft. Das ist ein Indiz dafür, dass Stärke der Liga und Nationalauswahlleistungen nicht immer Hand in Hand gehen. Zieht man nun diese FIFA-Liste als Vergleichswert heran, zeigt sich: Franco Foda hat in den 27 Spielen (18 Siege, 2 Unentschieden, 7 Niederlagen) nur sieben Spiele gegen Gegner ausgetragen, die stärker sind als Österreich. Vier der Gegner liegen gegenwärtig fünf Plätze vor/hinter Österreich (Sieg gegen Schweden und Rumänien, Niederlage und Remis gegen Polen, Niederlage gegen Dänemark). Nordirland liegt sieben Plätze hinter Österreich (3 Spiele, 3 Siege), Norwegen neun (1 Sieg). Bosnien-Herzigowina (1 Sieg) liegt zwölf Plätze hinter Österreich, Griechenland (1 Sieg) 15. Slowenien (2 Siege) liegt 19 Plätze hinter dem Nationalteam, Nordmazedonien 20 Ränge weiter hinten. Israel (1 Sieg, 1 Niederlage) liegt 24 Plätze hinter Österreich, Luxemburg 25. Lettland noch weiter. Gegen die Letten setzte es zuletzt eine Niederlage.
Knappe Siege sind schwieriges Terrain
Von den 18 Siegen war der Großteil denkbar knapp. Nur gegen Slowenien (heim, 3:0), Luxemburg (auswärts, 4:0), Schweden (heim, 2:0), Nordmazedonien (auswärts, 4:1), Lettland (hiem 6:0) und Israel (heim, 3:1) konnten Siege mit mehr als einem Tor Unterschied eingefahren werden, wobei das Duell mit Schweden ein Freundschaftsspiel war. Konzentriert man sich zudem auf die jüngere Vergangenheit ab 2019, dann lautet die Bilanz bei 15 Spielen zehn Siege, ein Remis, vier Niederlagen, das entspricht dem allgemeinen Foda-Schnitt von mehr als zwei Zählern pro Spiel. Allerdings traf man in diesen Spielen mit Polen nur auf ein Team, das in der FIFA-Weltrangliste vor Österreich liegt, mit Rumänien nur auf eine Auswahl, die im Rahmen +/- 5 Plätze liegt. Und in den letzten acht Spielen hat Österreich nie mehr als zwei Tore geschossen, der letzte Sieg mit mehr als zwei Toren Unterschied datiert vom 10. Oktober 2019, Gegner war Israel.
Zum einen könnte nun ins Treffen geführt werden, dass eben ein Stürmer fehlt, Pech im Abschluss da ist, es die bekannten 'Kleinen' nicht mehr gibt und so weiter. Wenn man aber über einen Zeitraum von gut drei Jahren von 18 Siegen nur ein Drittel mit mehr als einem Tor Unterschied einfährt, diese deutlichen Siege zur Hälfte in Freundschaftsspielen stattfanden und zur anderen gegen klar schwächere Nationalteams, dann kann das ein Problem werden. Und eines zeigt diese Statistik sehr wohl: Gegen Teams auf Augenhöhe oder gringfügig besser klassierte Nationalmannschaften sieht die Foda-Statistik gar nicht mehr so gut aus. Und schließlich warten bei einer Europa- oder Weltmeisterschaft genau diese Kaliber auf Österreich. Und eigentlich wäre es ja mit diesem exzellenten Kader dann auch einmal das Ziel, die Gruppenphase eines solchen Turniers zu überstehen.
Pendel schlägt schnell aus
Dass das derzeit schwierig sein kann, zeigten eben auch die Spiele nun gegen Nordirland und Rumänien. Den Rumänen wurde beispielsweise beim Stand von 0:0 ein Tor wegen knappem Abseits aberkannt, die Nordiren hatten zwar so gut wie keine Chancen, aber in der Schlussphase fast noch den Anschlusstreffer erzielt. Im Heimspiel gegen Rumänien war es eben umgekehrt: Österreich schoss war mit 19 Mal deutlich öfters aufs rumänische Tor (13 Mal), brachte zwei im Kasten unter, die Rumänen aber eben drei. "Wenn wir die nächsten acht Spiele 1:0 gewinnen, bin ich zufrieden", meint der Teamchef.
Nur wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass das passiert?