Deutschland: Was die Fußballfans am verhinderten Investorendeal kritisieren [Exkusiv]
Deutschland-weit protestierten organisierte Fans erforlgreich gegen den Einstieg eines Investors bei der DFL. 90minuten.at erklärt, wie es dazu kam und was die Fans wollen.
Bei CVC ist der saudische Staatsfonds einer der Geldgeber. Wir müssen uns schon darüber nachdenkenn, woher das Geld stammt und somit kam CVC nicht infrage.
+ + 90minuten,at PLUS - Von Georg Sohler + +
Dieser Tage äußerten sich die organisierten Fans deutscher Erst- und Zweitligisten laut und kreativ gegen den Einstieg eines Investors bei der einer Tochter der Deutschen Fußballliga (DLF), die die Medienrechte der ersten und zweiten Bundesliga verwertet. Dabei handelt es sich um CVC Capital Partners. CVC stammt aus Luxemburg und ist eines der zehn größten Private-Euqity-Unternehmen der Welt. Die DFL erhoffte sich Geld und somit mehr Wettbewerbsfähigkeit. Am Mittwochnachmittag platzte der Sponsorendeal. Der Sprecher des DFL-Präsidiums, Hans-Joachim Watzke, ließ wissen: „Das Präsidium ist auch in Würdigung aller rechtlichen Aspekte zu der Überzeugung gekommen, dass etwaige weitere Abstimmungen keine Lösung des Problems bringen würden.“
90minuten.at hat mit Jost Peter, Vorsitzender von „Unsere Kurve“, gesprochen. Der Verein wurde 2005 gegründet und ist ein Zusammenschluss von Fanorganisationen von der Bundesliga bis zu Regionalliga und hat sich in den letzten Jahren als Sprachrohr für die Fananliegen etabliert. Dabei ist „Unsere Kurve“ übrigens kein Zusammenschluss von Ultra-Gruppen, die bekanntlich eher selten mit Journalist:innen sprechen. Jost erklärt also, wie es zu den Protesten zu dem jetzigen Zeitpunkt kam und was kritisiert wird.
90minuten.at: In Deutschland protestierten Fans erfolgreich gegen einen Sponsoreneinstieg. Was ist das Hauptanliegen gewesen und was sagen Sie zum Abbruch?
Jost Peter: Es gab grundsätzliche Zweifel daran, dass bei der DFL ein Investor ins Boot geholt werden soll, um die Medienrechte zu verwerten. Wir sind natürlich sehr froh, dass die Entscheidung so gefallen ist und der Prozess abgebrochen wurde. Das ist den Protesten im Stadion zu verdanken, aber auch den Prozessen in den Vereinen. In Paderborn hat beispielsweise eine Mitgliederversammlung den Verein angewiesen, gegen diesen Deal zu stimmen – das wäre wieder eine Stimme weniger und somit war die Mehrheit in der erneuten Abstimmung zweifelhaft. Ich denke, das hat am Ende dazu geführt, dass der Prozess aufgegeben wurde. Die DFL hat anerkannt, dass 50+1 eine der wichtigsten Regeln im deutschen Fußball ist und freuen uns darüber, dass diese nicht mehr infrage gestellt wird und hoffen auf bessere Gespräche in der Zukunft.
90miunuten.at: Warum wurde genau jetzt protestiert?
Peter: Im Sommer ist der Einstieg eines Investors bei der DFL einmal gescheitert, im Herbst gab es eine kurzfristige Ansetzung für die Abstimmung über einen abgeänderten Antrag, damit die DFL Teile der Medienrechte veräußern kann. Eine notwendige Zweidrittelmehrheit ist im Dezember bei der Abstimmung exakt erreicht worden, man bemängelt zudem, dass notwendige Fristen nicht eingehalten wurden. Darüber hinaus: Der Vertreter von Hannover 96 hat mit Ja gestimmt, obwohl er mit Nein stimmen hätte sollen. Darum richtet sich auch viel Protest gegen Hannover 96-Präsident Martin Kind, der schon lange die 50+1-Regelung bekämpft. Die wichtigste Forderung war, die Abstimmung offen und transparent zu wiederholen.
90minuten.at: Unter den Bietern waren Blackstone, dann blieb CVC über. Was war und ist konkret an diesem Unternehmen zu kritisieren?
Peter: Der Fußball lebt seit vielen Jahrzehnten von Sponsoren. Im Gegensatz zu Sponsoren oder anderen Investoren, die dem Verein nahestehen und langfristige Beziehungen pflegen, Ziele und Werte mittragen, ist CVC eine „normale“ Private Equity-Gesellschaft. Der Volksmund würde „Heuschrecke“ sagen. Deren Ziel ist es, Erträge zu erwirtschaften, also mehr Geld zu lukrieren, als man investiert. Blackstone war auch ein Kandidat mit demselben Ansinnen, ist aber ausgestiegen. CVC würde eine fixe Prozentquote an Fernseherlösen bekommen. Für sie ist das ein gutes, lohnendes Investment. Aber Fußball reicht weit in die Gesellschaft hinein, man macht sich viele Gedanken. Etwa, wo das Geld herkommt und bei CVC ist der saudische Staatsfonds einer der Geldgeber. Wir müssen schon darüber nachdenken, woher das Geld stammt und somit kam CVC nicht infrage.
90minuten.at: Wie kam es zu dem koordinierten Vorgehen der Fans?
Peter: Die Fanszenen sind nicht homogen, genauso wie in Österreich. Den deutschen Fußballfans ist wichtig: In den Farben getrennt, in der Sache geeint. Man ist im Wettbewerb und gegeneinander. In grundsätzlichen Fragen sind sie aber oft sehr schnell einig. Das Ziel ist es, den Protest breit aufzustellen. Es gibt ja ein Ultra-Bündnis, bei „Unsere Kurve“ organisieren sich Fanabteilungen, bei welchen es sich um offizielle Abteilungen der Mitglieder der Vereine handelt. Es gibt noch weitere Fanzusammenschlüsse. Es gibt hier ein bestehendes Netzwerk, das sich während Corona gegründet hat. Schon damals haben verschiedene Fanbündnisse gut zusammengearbeitet. Am offensichtlichsten ist der Protest der organisierten Szenen in den Stadien selbst, wir tragen die Fananliegen in die Gremien.
90minuten.at: Wie hat die Öffentlichkeit die Proteste wahrgenommen?
Peter: Die Öffentlichkeit sieht, dass mehr Geld nicht immer zu positiven Ergebnissen führt. Es gibt auch ein Bewusstsein für demokratische Vorgänge in den Vereinen, das geschützt werden soll.
90minuten.at: Ist man nun gegen den Investor oder den Ablauf?
Peter: Der deutsche Fußball ist so organisiert, dass die Vereine gemäß der 50+1-Regelung geführt sind und die Stimmenmehrheit beim Verein ist. Das ist eine Grundregel, die die Fans und Mitglieder verteidigen. Daher kommt beispielsweise auch die Kritik an RB Leipzig. Der Verein hat die Regel – mithilfe des DFB – gebeugt. Wer hat die Entscheidungsfreiheit? Man sieht es ja bei RB Leipzig – ich kann kein Mitglied werden. In Sachen DFL-Investor hat sich die Ablehnung verstärkt. Denn ein Investor trifft Entscheidungen in seinem Sinne, nicht im Sinne des Vereins. Hier werden die Grundlagen des Fußballs verhandelt, so wie Martin Kind die Regelung seit Jahren bekämpft. Natürlich gibt es auch positive Beispiele, wie Dietmar Hopp bei Hoffenheim, der die Entscheidungsgewalt zurück an den Verein gab. Die 50+1-Regel wird derzeit vom Kartellgericht geprüft. Durchgesickert ist, dass sie angewandt werden kann, wenn sie für alle gilt. Grundsätzlich widersprechen einander ein Investment und die 50+1-Regel aber nicht.
90minuten.at: Profifußball ist Freizeitdienstleister – Ist das nicht ein bisschen naiv, sich prinzipiell gegen Investoren zu stemmen?
Peter: Keineswegs. Man sagt hier auch, dass man Freizeitdienstleister ist, aber wir erleben, dass ein Stadion ein soziales Netzwerk, ein Raum ist, an dem man sich trifft. Dort findet mehr statt als nur Unterhaltung. Menschen treffen sich, um Dinge gemeinsam zu tun. Umgekehrt sind Investoren sehr unterschiedlich. Es dreht sich eben um die Frage, wo das Geld herkommt, welchen Einfluss die Geldgeber nehmen wollen. Gerade im deutschen Fußball haben wir gute Erfahrungen gemacht, dass der Business-Gedanke auf der einen sowie Mitbestimmung und Ehrenamt auf der anderen Seite sehr gut zusammenpassen können. Ich selber gehe seit 50 Jahren zum Fußball – die Art von Kompetenz, die die Fans und Mitglieder haben, hat sich ja auch erst entwickelt. Und es war gerade die DFL, die vor zwei Jahren einen institutionalisierten Dialog zwischen Vereinen und Fans aufgenommen hat. Die Klubs müssen diesen führen, aber in einem Gremium für Fankultur wird die Expertise der Fans wirklich angenommen.